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«Kulturelle Brücken in die Welt»

Kultur-Tourismus wird meist mit Metropolen wie Wien oder Paris in Verbindung gebracht. Doch auch Zürich weist viel kunsttouristisches Potenzial auf. Martin Sturzenegger, Direktor Zürich Tourismus, setzt auf Nachhaltigkeit und Kunst und engagiert sich beim «Zurich Art Weekend». Ein Gespräch über KiöR-Elektrobike-Touren in Zürich-West, über eine App, die Literatur im Stadtraum erfahrbar macht, – und über Zürichs fehlenden Mut zur Grösse.

Martin Sturzenegger, Direktor Zürich Tourismus. Foto Zürich Tourismus
Martin Sturzenegger, Direktor Zürich Tourismus. Foto Zürich Tourismus

CHRISTOPH DOSWALD: Seit einigen Jahren setzt Zürich Tourismus beim Marketing verstärkt auf Kunst- und Kulturthemen. Was ist der Grund für diese Gewichtung?

MARTIN STURZENEGGER: Wir hatten 2016 im Rahmen des 100-Jahr-Jubiläums von Dada diesen Themenbereich aufgearbeitet. Seither lag das Kulturthema etwas brach – bewusst, da wir uns auf andere Themen fokussierten, wie zum Beispiel Gastronomie. Seit letztem Jahr ist das Kulturthema aber mit hoher Priorität auf unserer Agenda. Das nicht zuletzt im Hinblick auf die baldige Eröffnung der Kunsthaus-Erweiterung. Da versprechen wir uns eine grosse internationale Resonanz.

Reisen zu faszinierenden Zeichen der Kultur: Sisleyj Xhafa, «Y», 2009, Hardaupark Zürich. Foto: Eliane Rutishauser/Stadt Zürich KiöR
Reisen zu faszinierenden Zeichen der Kultur: Sisleyj Xhafa, «Y», 2009, Hardaupark Zürich. Foto: Eliane Rutishauser/Stadt Zürich KiöR

Im Bereich der touristischen Positionierung mit Kultur gibt es starke Konkurrenz. Wo steht da Zürich im Vergleich mit anderen Destinationen?

Tatsächlich schimpft sich fast jede Metropole eine «Kultur-Destination». Wie meistens bei der touristischen Positionierung zählt am Schluss die tatsächliche Erlebnisqualität vor Ort – was wird versprochen und was kann ich dann tatsächlich erleben? Hier punktet Zürich: Wir haben eine unglaubliche Breite und Qualität an Kulturangeboten. Wir akzentuieren unsere Kommunikation auf die zeitgenössische Kunst, beispielsweise mit Kunst im öffentlichen Raum, und auf Design, etwa mit dem Pavillon Le Corbusier und dem Museum für Gestaltung. In diesen zwei Themen sehen wir international das grösste Potenzial.

Beliebt: Touren mit dem Elektrobike zu Kunstwerken im öffentlichen Raum. Foto: Zürich Tourismus.
Beliebt: Touren mit dem Elektrobike zu Kunstwerken im öffentlichen Raum. Foto: Zürich Tourismus.

Früher wurde der Kulturtourismus meist von Bildungsreisenden geprägt – gutbürgerliche und eher ältere Menschen nutzten das entsprechende Angebot. Welche Besucherinnen und Besucher interessieren sich heute für die Kunst? Und warum?

Aufgrund unserer Analysen sehen wir zwei grobe Zielgruppen: Zum einen ein kunstaffines Insider-Publikum, das international stark vernetzt ist und für wichtige Kunst-Events und -Termine von weit anreist. Hier ist weniger das Alter ausschlaggebend als vielmehr Bildung und monetäre Potenz. Zum anderen ist Kunst auch ein Mainstream-Phänomen: Viele Städtereisende aller Altersgruppen interessieren sich «lose» für Kulturthemen und besuchen nebenbei ein, zwei Kultureinrichtungen auf ihrem Städtetrip. Kunst ist dabei nicht der Reisegrund, aber ein wichtiges Erlebnis-Element.

Vermittlung ist ein wichtiges Thema in der Gegenwartskunst. Welche Formate bietet Zürich Tourismus an?

Wir haben natürlich unsere Stadtführungen und seit letztem Jahr sogar eine KiöR-Elektrovelo-Tour, bei der man in einem grossen Bogen die öffentlichen Kunstwerke in Zürich besucht. Zudem haben wir vor ein paar Jahren eine App entwickelt, zusammen mit der Hochschule St. Gallen und der ZHdK: Die BUX-App macht Literatur im Stadtraum erlebbar, mit AR- und VR-Elementen. Da führt beispielsweise Thomas Meyer durch das jüdische Wiedikon und nimmt einen dann virtuell mit in eine Synagoge. Mit dieser App haben wir mehrere Best-of-Swiss-App-Awards gewonnen.

Ist etwas Neues, Innovatives geplant?

Gerade aktuell läuft ein Studienprojekt mit der ZHdK, wo wir neue Formen der Vermittlung von Kunst im öffentlichen Raum überlegen. Ich bin da gespannt auf die Ideen der Studierenden.

Starker Publikumsmagnet: «Heureka» von Jean Tinguely am Zürichhorn. Foto: Cédric Eisenring/Stadt Zürich KiöR
Starker Publikumsmagnet: «Heureka» von Jean Tinguely am Zürichhorn. Foto: Cédric Eisenring/Stadt Zürich KiöR

Welche Rolle spielen Angebote, die gratis zugänglich sind, wie Kunst im öffentlichen Raum oder Architektur?

Aktuell in Zürich spielen sie noch eine relativ kleine Rolle – eher im Sinne eines visuellen Gesamteindrucks. Das wollen wir aber ändern. Zürich hat in diesem Bereich eine Trumpfkarte: Nirgendwo in Europa gibt es mehr Kunstwerke im öffentlichen Raum pro Kopf. Generell ist Architektur ein etabliertes Thema im Städtetourismus. Als Beispiele sind da San Sebastian oder Wien zu nennen. Kunst im öffentlichen Raum wird daneben vielleicht noch weniger wahrgenommen – eben, eine echte Chance für uns!

Was könnte aus Ihrer Sicht mit Social Media erreicht werden?

Wir hatten letztes Jahr einen Test gemacht mit zwei grösseren Influencer-Reisen im Bereich Architektur. Diesen ausgewählten Meinungsmacher*innen wurde Zürich mit seinen Architektur-Perlen gezeigt, sei dies die Bibliothek der Rechtswissenschaftlichen Fakultät oder das Hunziker-Areal als Gesamt-Konzept. Die Resonanz war überwältigend und bestärkt uns in unserer Ausrichtung.

Welche Kunstwerke sind bei Touristen besonders beliebt? Und warum?

Natürlich sind da die «Klassiker» hoch im Kurs: «L’ange protecteur» in der Halle des Hauptbahnhofs, die «Heureka» am See, die Granitskulptur von Max Bill an der Bahnhofstrasse oder dann halt Selfies mit Escher oder Waldmann. Aber auch weniger prominente Kunstwerke ziehen die Besucher und Besucherinnen an, etwa die Giacometti-Fresken, das «Y» von Sislej Xhafa oder die «Towers» von Los Carpinteros am Escher-Wyss-Platz.

Was müsste verbessert werden? Was fehlt? Wo hat Zürich als Kunststadt noch Potenzial?

Aus unserer Sicht fehlt teilweise der Mut zur Grösse. Erst dank FOOD ZURICH als mittlerweile einem der grössten Food-Festivals in Europa konnten wir die vielen Perlen der hiesigen Esskultur im Ausland verankern. Das Grosse hilft letztlich dem Kleinen – was in Zürich gerade im Kulturbereich leider häufig als unvereinbar angeschaut wird oder schnell mal als zu kommerziell verpönt ist.

Welchen wirtschaftlichen Nutzen bringt der Kultur-Tourismus?

Die Julius Bär Stiftung hat 2015 mit BAK Basel eine Studie «Kultur als Wirtschaftsfaktor» publiziert, die klar zeigt, dass die verschiedenen kulturellen Institutionen und Veranstaltungen einen unmittelbaren monetären Beitrag leisten. Für mich ist aber viel wichtiger, dass die Kultur, die Institutionen, Veranstaltungen und letztlich die Kulturförderung die DNA einer Stadt wesentlich prägen. Das hat einen Einfluss auf die Kreativität, die Innovationskraft und Weltoffenheit einer ganzen Region. Und das ist schliesslich ein wichtiger Nährboden für den Tourismus.

Seit einigen Jahren wird Anfang Juni das «Zurich Art Weekend» durchgeführt, das direkt vor der Art Basel stattfindet. Viele Kunstfreunde machen einen Abstecher nach Zürich. Was bringt das touristisch?

An sich kann man sagen, dass das Wochenende vor der Art Basel beste Hotelauslastungen im Jahr bringt. Ob das direkt mit dem «Zurich Art Weekend» zusammenhängt? Während dieser Zeit besuchen wichtige Kultur-Meinungsmacher*innen die Zürcher Galerien und das Festival. Das bietet sicher noch stärker die Chance, eine kulturelle Brücke in die Welt zu schlagen. Zürich Tourismus ist seit letztem Jahr Partner des «Zurich Art Weekend», da wir das grosse Potenzial sehen. Wir veröffentlichen übrigens am besagten Wochenende unser Kunst-Magazin «Zurich Fantastic People», letztes Jahr sogar mit einer eigenen Pop-up-Galerie an der Langstrasse.

Ein neues Kunstmagazin – worum geht’s da?

Zusammen mit Beda Achermann und seinem Team spannen wir den Bogen auf von Walter Pfeiffer über ETH Robotics bis zu Lee Scratch Perry. Das Magazin zielt klar auf ein kunstaffines Publikum und liegt international in den entsprechenden Kunstkiosken oder Buchhandlungen auf. Am wichtigsten für uns ist aber, dass im Magazin bereits verschiedene «Aktivierungen» eingeplant wurden: Wir waren mit dem Magazin präsent im Rahmen der Emma-Kunz-Ausstellung im Muzeum Susch, bei einer Preisverleihung an Shirana Shahbazi im Rahmen der Art Basel oder demnächst an einem Medienanlass in New York bei Ugo Rondinone.

Kultur-Tourismus steht auch immer ein wenig unter Luxusverdacht. Und Zürich ist sowieso keine billige Stadt zum Übernachten oder Auswärts-Essen. Welche Pläne gibt es seitens der Tourismusbranche, das Angebot zu verbreitern?

Wenn ich die Sorgen anderer Städte mit Billigtouristen sehe, beispielsweise in Amsterdam, Barcelona oder Berlin, dann tun wir gut daran, unser exklusives Image zu pflegen. Zudem bestehen bereits unzählige günstige Attraktionen für Besucher*innen, einsehbar auf dieser Website Zürich fürs kleine Budget

Unsere Pläne gehen viel mehr in die Richtung, das Kundenerlebnis weiter zu verbessern. Wenn wir schon teuer sind, muss die Erlebnisqualität auch top sein. Hier werden wir künftig noch stärker die nachhaltigen oder smarten Aspekte von Zürich herausstreichen: zu Fuss auf Museumstour, mit der Zürich Card auf den Üetliberg oder auf die kleine Schiffs-Rundfahrt. Wir erreichten übrigens letztes Jahr beim Global Destination Sustainability Index hinter Göteborg und Kopenhagen den 3. Rang – von über 50 Metropolen weltweit.

Interview: Christoph Doswald, Vorsitz AG KiöR (Arbeitsgruppe Kunst im öffentlichen Raum)

Geführte E-Bike-Tour: Kulturbesuch als Gruppenerlebnis. Foto: Zürich Tourismus

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