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Interview mit Eva Gerber

Interview zur Dachstrategie «Stadtraum und Mobilität 2040» mit Eva Gerber von Kontextplan

Eva Gerber

Eva Gerber, Sie haben als Partnerin und Geschäftsleitungsmitglied der KONTEXTPLAN AG die Erarbeitung der Dachstrategie «Stadtraum und Mobilität 2040» eng begleitet. Was sind die künftigen Herausforderungen für Stadtraum und Mobilität in der Stadt Zürich?

Der Stadtraum, also der öffentlich zugängliche Raum zwischen Fassade und Fassade, ist in Zürich begrenzt und die Ansprüche an seine Nutzung und Gestaltung nehmen stetig zu. Gleichzeitig dominieren die Verkehrsinfrastrukturen, die eine Voraussetzung für Mobilität sind. In der Mobilität haben etwa technologische Entwicklungen zu Veränderungen geführt. Eingriffe im Bereich Mobilität/Verkehr beeinflussen die Nutz- und Gestaltbarkeit des Stadtraums und umgekehrt.

Gleichzeitig wirken Ansprüche aus anderen Politikbereichen auf Stadtraum und Mobilität. Insbesondere die städtische Umweltstrategie – z. B. in Bezug auf die Ziele der Biodiversität – weist zentrale Ziele auf, die erst im Rahmen von Stadtraum und Mobilität umgesetzt werden können. Diese und weitere Ansprüche wie etwa in Bezug auf Innenentwicklung oder Energie sind ebenfalls relevant für die Entwicklung von Stadtraum und Mobilität.

Wie wurde die Dachstrategie erarbeitet?

Sie wurde in engem Austausch mit den betroffenen städtischen Dienstabteilungen wie etwa dem Amt für Städtebau, der Dienstabteilung Verkehr, den VBZ oder Grün Stadt Zürich erarbeitet. Dies ist in zweierlei Hinsicht wichtig: Zum einen konnten so die Grundlagen und das Wissen um relevante Trends in die Strategieerarbeitung einfliessen. Zum anderen ist die Dachstrategie auch in allen Dienstabteilungen verankert und abgestimmt mit deren eigenen Strategien. Parallel zum fachlichen Prozess konnte die Bevölkerung 2021 im Rahmen eines Mitwirkungsprozesses ihre Anliegen und Ideen einbringen.

Was will die Stadt Zürich mit der Strategie «Stadtraum und Mobilität 2040» erreichen?

Zürich will «lebenswert bleiben und klimaneutral werden», so lautet die Vision. Stadtraum und Mobilität sollen sich so weiterentwickeln, dass diese Vision Wirklichkeit wird. Wie gesagt, der Raum ist knapp, zunehmende Ansprüche aus Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt sind zu erfüllen. Eine reine Addition der Ansprüche führt nicht zum Ziel. Vielmehr kommt einer effizienten Nutzung des Raums höchste Bedeutung zu, um so Handlungsspielräume zu schaffen. Dazu braucht es eine integrale Strategie, die Weichenstellungen in der Organisation und Gestaltung ermöglicht. Die Dachstrategie ist ein strategisches Steuerungsinstrument, um den Herausforderungen der Innenentwicklung in den Bereichen Mobilität und Stadtraum sowie dem Klimawandel zu begegnen. Zudem ermöglicht sie es, die beiden Dimensionen Stadtraum und Mobilität gut abzustimmen und im Hinblick auf Lebensqualität und Klimaneutralität weiterzuentwickeln.

Wie unterscheidet sich die Dachstrategie «Stadtraum und Mobilität 2040» von den bisherigen Strategien?

Die Strategie unterscheidet sich zum einen darin, dass sie die Themen Stadtraum und Mobilität integral und gemeinsam betrachtet werden, eben eine verbindliche, übergeordnete «Dachstrategie» für die Entwicklung der beiden Bereiche. Zum anderen unterstellt sie sich explizit dem übergeordneten städtischen Ziel «lebenswert bleiben – klimaneutral werden».

Wie können diese ambitionierten Ziele erreicht werden?

Die Vision wird mit sechs Leitsätzen und insgesamt 19 Zielen konkretisiert. Diese Ziele sind überprüfbar formuliert. Um diese zu erreichen, ist ein Transformationsprozess von Stadtraum und Mobilität erforderlich. Dazu wurden acht strategische Ansätze formuliert, die künftig verfolgt werden. In der Abbildung sind die acht strategischen Ansätze aufgeführt.

Stadtraum

Jeder strategische Ansatz wird mit den zu berücksichtigenden Themen beschrieben, es wird aufgezeigt, wie er zu den angestrebten Zielen beiträgt und welche Dienstabteilungen für eine integrale Umsetzung zu involvieren sind.

Was bedeutet zum Beispiel «Wir teilen den Strassenraum neu auf»?

Eine Addition der vielfältigen Verkehrs- und Nutzungsbedürfnisse ist im begrenzten Stadtraum nicht umsetzbar. Die verfügbare Fläche soll daher effizient genutzt werden im Hinblick auf die Anliegen von Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft. Auch für die Erreichung der Klimaneutralität bis 2040 ist es entscheidend, den Stadtraum so zu nutzen und zu betreiben, dass er die Erreichung dieses Ziels unterstützt. Hingegen ist die Nutzung durch vermeidbaren oder verlagerbaren motorisierten Individualverkehr (MIV) in Bezug auf den Raumbedarf ineffizient. Die dem MIV zur Verfügung stehende Fläche ist zu reduzieren und zugunsten von Flächen für umweltgerechte Mobilität (Fuss- und Veloverkehr, ÖV), Umwelt (Klima und Lärmschutz, Luftqualität, Biodiversität) sowie für das öffentliche Stadtleben einzusetzen. Im Einzelnen sollen dafür der Anteil des Fuss-, Velo- und öffentlichen Verkehrs erhöht und priorisiert sowie die grün-blaue Infrastruktur* ausgebaut werden. Zudem sollen geeignete Strassenräume fix oder temporär für gesellschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Nutzungen zur Verfügung stehen.

Warum wurde als Zeithorizont 2040 festgelegt?

Die Strategie ist damit kongruent mit anderen städtischen Beschlüssen. Auch weil Strassenbauprojekte lange Planungsvorläufe haben, ist es wichtig, das Zielbild frühzeitig zu klären. Massnahmen sollen zeitnah definiert und umgesetzt werden, um die langfristigen Ziele zu erreichen. Zudem hat der Stadtrat für die Stadt Zürich festgelegt, dass die direkten Treibhausgasemissionen auf Stadtgebiet bis ins Jahr 2040 auf Netto-Null sinken.

Wie wird die Strategie umgesetzt?

Für die Umsetzung werden aktuell die Fachstrategien «Mobilität» und «Stadträume» erarbeitet. Je nach Thema werden dort auch zusätzliche Konzepte oder Teilstrategien erforderlich sein. Letztlich ist die gesamte Stadtverwaltung gefordert, ganzheitlich, lösungsorientiert und innovativ zu arbeiten, damit Mobilität im knappen Stadtraum möglichst klimaneutral erfolgt und gleichzeitig die gesellschaftlichen Bedürfnisse sowie die drängenden Umweltanliegen berücksichtigt werden.

Aber auch die Zivilgesellschaft, Unternehmen, Bauherrschaften und Gewerbe sind gefordert. Auch sie können ihren Teil dazu beitragen, dass Zürich klimaneutral wird und lebenswert sowie mobil bleibt. Aus diesem Grund lautet ein strategischer Ansatz auch «Wir machen Stadt für und mit Menschen», denn der Einbezug und die Zusammenarbeit mit Privaten wird ein entscheidender Faktor für das Gelingen der Strategie sein.  

*Grüne (Land) und blaue (Wasser) Naturräume, die durch ein strategisches Netzwerk miteinander verbunden sind.

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