Künstlerische Auseinandersetzung mit verschwindenden Musikorten in Zürich
Was bleibt, wenn ein Ort verstummt? Und wie lässt sich kultureller Verlust erlebbar machen?
Diesen Fragen widmen sich Michael Meier & Christoph Franz in ihrem Projekt «The Rhythm of Design», das vom 25. bis 27. September 2025 an sechs verschwundenen oder verdrängten Musikorten realisiert wird – als künstlerische Reaktion auf städtische Transformationsprozesse, wie sie in vielen wachsenden Städten zu beobachten sind.
Raumknappheit und steigende Mietpreise prägen den Alltag urbaner Gesellschaften. Neben Wohn- und Arbeitsräumen geraten zunehmend auch kulturelle Orte unter Druck – Ateliers, Proberäume, Veranstaltungsorte oder Clubs.
«The Rhythm of Design» setzt genau hier an: als künstlerische Auseinandersetzung mit einer Entwicklung, die vielstimmig und sinnlich im öffentlichen Raum verhandelt wird.
Ausgangspunkt des Projekts war eine aktuelle künstlerische Recherche: Michael Meier & Christoph Franz untersuchten, welche Orte in jüngster Zeit für Zürichs Musikszene prägend waren – und wie sie durch städtebauliche Entwicklungen unter Druck geraten oder bereits verdrängt wurden.
Aus dieser Auseinandersetzung gingen sechs konkrete Orte hervor: Club Zukunft (Langstrasse), Stierli-Areal (Seebach), Koch-Areal (Altstetten), Raum Mikro (Sihlquai), Manegg (Leimbach) und Giessübel (Wiedikon).
Vor Ort sicherten die Künstler Baumaterialien – Dämmplatten, Holzpaneele, Wandverkleidungen und andere Fragmente. Gemeinsam mit Instrumentenbauer*innen entstanden daraus sechs neue Instrumente – Klangkörper, die buchstäblich aus den verschwundenen Räumen hervorgegangen sind.
Die Kunstschaffenden luden sechs Musiker*innen ein, die jeweils mit einem der ausgewählten Orte verbunden sind, ein Musikstück zu schreiben.
Während der Strassenkonzerte wird jeweils eines dieser Stücke aufgeführt – fragmentiert und verteilt auf sechs Stationen im Stadtraum, jeweils auf dem Trottoir, in unmittelbarer Nähe der verschwundenen Nutzungen. An jedem Ort erklingt nur eine einzelne Stimme – gespielt auf einem Instrument, das aus dem dort geborgenen Baumaterial gefertigt wurde. Erst in der Bewegung zwischen den einzelnen Stimmen und Orten wird die Komposition als Ganzes erfahrbar.
Nach den Aufführungen bleiben die Kompositionen als sichtbare Spuren erhalten: Die Partituren werden als gravierte Bodenplatten an den jeweiligen Orten dauerhaft ins Trottoir eingelassen.
Sie verweisen auf das Projekt, auf die frühere kulturelle Bedeutung der Orte – und vielleicht auch auf das Potenzial, dass hier wieder etwas erklingen kann. Eine Schallplatte sowie eine begleitende Publikation dokumentieren das Projekt und halten die Kompositionen über die Aufführungen hinaus zugänglich.
«The Rhythm of Design» entstand als künstlerische Antwort auf die im Leitbild der KiöR formulierte Frage, wie gesellschaftlich relevante Veränderungen im Stadtraum sichtbar und verhandelbar gemacht werden können. Auf Einladung der städtischen Fachstelle entschieden sich Michael Meier & Christoph Franz, das Schwinden von Musikorten als Teil einer grösseren kulturellen Verdrängung in Zürich zu bearbeiten.
Die ortsbezogene künstlerische Arbeit thematisiert städtische Veränderungsprozesse und setzt sich auf materieller, klanglicher und räumlicher Ebene mit ihnen auseinander. Dabei stehen nicht Repräsentation oder Dokumentation im Zentrum, sondern Formen des Fragens: Wie verändert sich Zugang zu Raum? Welche kulturellen Praktiken geraten unter Druck – und was bleibt von einem Ort, wenn seine Nutzung verschwindet?
Auch der Titel des Projekts nimmt diesen Blick auf: «The Rhythm of Design» greift ein gleichnamiges Klangstück der Zürcher Band «Blue China» auf, die zur kulturellen Bewegung rund um die Jugendunruhen der 1980er-Jahre gehörte. Damit verankert das Projekt seine heutige Auseinandersetzung mit Raum und Teilhabe in einer Geschichte, in der kulturelle Freiräume nicht nur eingefordert, sondern auch politisch umkämpft und öffentlich verhandelt wurden – ein Wendepunkt, dessen Fragen heute wieder dringlich erscheinen.
Die KiöR lädt dazu ein, die Stadt dort wahrzunehmen, wo sie leiser geworden ist.
Die Strassenkonzerte finden an sechs ausgewählten Orten im öffentlichen Raum statt – jeweils in direkter Nähe der ehemaligen Musikräume:
- Donnerstag, 25. September 2025, 17 bis 19 Uhr
- Freitag, 26. September 2025, 17 bis 19 Uhr
- Samstag, 27. September 2025, 15.30 bis 17 Uhr
Veranstaltungsorte:
- Piazza Cella, 8004 Zürich (ehemals Club Zukunft)
- Seebacherplatz, 8052 Zürich (Stierli-Areal)
- Rautistrasse 22, 8047 Zürich (Koch-Areal)
- Sihlquai 121, 8005 Zürich (Raum Mikro)
- Allmendstrasse 91, 8041 Zürich (Manegg)
- Eichstrasse 7, 8045 Zürich (Giesshübel)
Finissage mit Konzert
mit Ansprache und Apéro.
Samstag, 27. September 2025, 18 Uhr
Ort: Wird zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben.
Spaziergang
mit den Künstlern und KiöR
Freitag, 26. September 2025, 16 Uhr
Treffpunkt: Dienerstrasse 33, 8004 Zürich
Michael Meier & Christoph Franz arbeiten als Künstlerduo in Zürich. In ihren konzeptuellen Arbeiten untersuchen sie Veränderungsprozesse in der gebauten Umwelt. Ihre Praxis ist forschungsnah angelegt: Ausgehend von sozialen, historischen und politischen Kontexten entwickeln sie künstlerische Interventionen, die Fakten in räumliche Setzungen, visuelle Erzählungen und weiterführende Reflexionen über die Stadt als Handlungsfeld und Denkraum übersetzen.