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Wie Kinder die Zeit erleben

Wussten Sie, dass in der UNO Kinderrechtskonvention das Recht des Kindes auf Erholung, Freizeit und Spiel festgehalten ist? Der Pädagoge Janusz Korczak hat einmal gesagt, dass Kinder ein Recht auf den heutigen Tag haben. Das Kind hat also das Recht auf Ruhe und Freizeit. Dahinter liegt das tiefe Bedürfnis nach unverplanter Zeit. Die «Seele baumeln lassen» und im Hier und Jetzt sein zu können. Ohne Absicht oder Ziel dem eigenen inneren Antrieb Raum geben und folgen können. Kleine Kinder haben alle Zeit der Welt und leben bedingungslos gegenwartsbezogen. Sie trödeln nicht, sondern haben die Gabe, ganz in etwas zu versinken. Die Eindrücke des Lebens sorgfältig festzuhalten und neu Erlerntes einzuüben, braucht Zeit.

Feste Abläufe und Rituale geben Sicherheit und Orientierung

Das Zeitgefühl der Kinder entwickelt sich erst durch Alltagserfahrungen: Bis zum zweiten Lebensjahr leben Mädchen und Buben fast ausschliesslich in der Gegenwart. Nur begrenzt können sie in diesem Alter differenzieren zwischen andauernden und bereits abgeschlossenen Ereignissen. Von Antworten wie: «in zehn Minuten» haben kleine Kinder noch keine Vorstellung. Konkrete Beschreibungen sind hier hilfreicher, wie zum Beispiel: «Nach dem Zähneputzen» oder «Nachdem ich die Wäsche aufgehängt habe». Selbst mit drei und vier Jahren fällt es ihnen noch schwer, Sprechzeit und Ereigniszeit auseinanderzuhalten. «Morgen» kann dann genauso gut auch «vor einer Woche» heissen. Diese Unterscheidung gelingt ihnen sprachlich und kognitiv erst im fünften Lebensjahr.

Feste Abläufe und Rituale geben Kindern Sicherheit und Orientierung. Um das kleine Kind in seinem Bedürfnis nach Orientierung zu unterstützen, kann man seinen Wochenplan mit den einzelnen Tagen gemeinsam auf Papier aufzeichnen, auf Augenhöhe des Kindes aufhängen und jeden Tag besprechen. Am Mittwoch könnte dann beispielsweise die Kita eingezeichnet sein, wo sich das Kind dann aufhält.  

Qualität oder Quantität?

Hand aufs Herz: Wie verplant sind die Tage Ihres Kindes? Hat es die Gelegenheit, einfach dazusein ohne Programm und Termine? Der Begriff «Quality Time» entpringt der Effizienzkultur unserer Zeit und suggeriert, dass die Zeit, die wir mit den Kindern verbringen, mit spektakulären und oft teuren Aktivitäten optimal genutzt werden sollte und deshalb besonders wertvoll sei. Viele Mütter oder Väter beginnen deshalb, sich auf die Qualitätszeit zu konzentrieren ohne die Bedingungen zu verändern, welche ihren Alltagsstress auslösen. Doch geht es bei Qualitätszeit nicht darum, gemeinsam etwas Grossartiges zu unternehmen. Es geht um viel mehr, nämlich um eine Zeit exklusiver Aufmerksamkeit, in der wir unseren Kindern besondere Zuwendung widmen. Der Zeitmangel des Alltags soll nicht mit Non-Stop-Aktivitäten am Wochenende ausgebügelt werden. Gegen einen Ausflug in den Zoo oder Indoor-Spielplatz ist selbstverständlich nichts einzuwenden. Jede gemeinsame Stunde ist für die Kinder wichtig. Doch die Kinder brauchen oft eben keine Qualitäts-, sondern Quantitätszeit, und vielleicht auch einfach etwas weniger gestresste Eltern.

Gerade kleine Kinder suchen eher die Vertrautheit und die Geborgenheit beim Vater oder bei der Mutter. Indem sie zum Beispiel dem Vater zuschauen, wie er den Tisch abräumt, oder das Büchlein, das schon alle auswendig kennen, noch einmal anschauen wollen. Es ist gut verständlich, dass Sie ungeduldig werden, wenn Ihr Kind minutenlang in einer Pfütze spielt und Sie schon lange weitergehen möchten. Doch versuchen Sie, die Pfütze mal aus der Perspektive des Kindes anzuschauen und nehmen Sie sich eine Pause vom Zeitkarussell, das sich so schnell dreht. Die Beziehungsqualität ist auch abhängig von der Dauer der gemeinsam verbrachten Zeit.

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