Wohnungsknappheit, steigende Mieten, Zuwanderung, Forderungen nach Förderbeiträgen und subventioniertem Wohnraum: Die Themen, die 1930 die Zürcher Stimmberechtigten beschäftigten, sind ganz ähnlich wie heute. Um der Wohnungsnot entgegenzuwirken und Mietzinswucher zu verhindern, strebte der Stadtrat einen Leerstand von 1,5 bis 2 Prozent an – tatsächlich lag dieser aber nur bei rund 0,5 Prozent.
Nach den kostengünstig errichteten «Kolonien» Utohof, Erismannhof und Heuried wollte die Stadt deshalb eine weitere Siedlung realisieren: eine Wohnkolonie mit 224 Wohnungen, orientiert am Erismannhof, einfach gebaut, ohne Subventionen – aber mit dauerhaft erschwinglichen Mieten. Der «Bullingerhof» war die Antwort auf diese Herausforderung.
Die Siedlung Bullingerhof wurde 1930/31 nach Plänen von Karl Kündig und Heinrich Oetiker errichtet. Langgestreckte Zeilenbauten folgen dem Strassenverlauf und umschliessen einen grosszügigen, rund 27 000 Quadratmeter grossen Hofraum. Damit ist der «Bullingerhof» die grösste Blockrandbebauung der Stadt Zürich und im Inventar der Denkmalpflege verzeichnet.
Die Fassaden sind sachlich gehalten und durch Fenster sowie Fensterläden horizontal gegliedert. Küchenlauben und Treppenhäuser setzen rhythmische Akzente. Trotz einfacher Bauweise verfügten die Wohnungen bereits zur Bauzeit über ein eigenes Bad – ein fortschrittliches Merkmal im Wohnungsbau der 1930er-Jahre.
Nach gut 40 Jahren stand 1975/76 die erste Sanierung bevor. Dabei wurden die Ausstattungen modernisiert, die Grundrisse jedoch weitgehend beibehalten. Weitere rund vier Jahrzehnte später, im Jahr 2020, folgte die zweite und bislang letzte Instandsetzung. Im Zentrum der Arbeiten, die die Denkmalpflege eng begleitete, standen die Erneuerung von Küchen, Bädern, Fenstern und des gesamten Leitungsnetzes.
Während der Bauarbeiten mussten die Wohnungen leer stehen. Die Mietenden konnten innerhalb der Siedlung umziehen und nach Abschluss in ihre ursprüngliche Wohnung zurückkehren. Einige entschieden sich jedoch schliesslich, in ihrer Übergangswohnung zu bleiben – mehr dazu im Mieterporträt. 61 Mietparteien nutzten dieses Bleiberecht, andere zogen vor der Sanierung in eine städtische Wohnung oder suchten selbst eine neue Bleibe.
Die 224 Wohnungen der Siedlung verfügen grösstenteils über drei Zimmer. Ungeachtet der Wohnungsgrösse folgen sie einem einheitlichen Schema: Ein kleiner Vorraum führt zu Bad und Wohnzimmer, von dort aus sind Küche und weitere Zimmer erschlossen.
In Nebengebäuden befinden sich ein Kindergarten, ein Quartiertreff sowie ein kleines Bürogebäude. Die Räume von Kindergarten und Quartiertreff wurden im Zuge der letzten Sanierung erweitert. Auch die Infrastruktur erfuhr eine Aufwertung: Die Zahl der Veloabstellplätze wurde von 234 auf 338 erhöht.
Der grosszügige Hof ist ein zentraler Begegnungs- und Rückzugsort im Quartier. Eine weitläufige Spielwiese, gesäumt von einer Platanenallee, schafft eine offene, einladende Atmosphäre. Bereits in den 1980er-Jahren wurden Spielplätze eingerichtet – teils unter Mitwirkung der Anwohnerschaft.
Im Rundbau am nordöstlichen Eingang befinden sich ein Quartiertreffpunkt sowie Räume für Kinderbetreuung. Ergänzt werden diese durch nahe gelegene Kirchen- und Gemeinderäume, die vielfältig genutzt werden. Die Gestaltung des Aussenraums trägt wesentlich zum sozialen Zusammenhalt in der Siedlung bei.
Der «Bullingerhof» liegt zentral im Kreis 4, eingebettet in ein buntes Quartier mit vielfältigem Angebot an Läden, Dienstleistungen und Gastronomie. Insbesondere am Albisriederplatz finden sich zwei Supermärkte, mehrere Fachgeschäfte und eine Poststelle. Albisriederplatz und Hardplatz bieten direkte Tram- und Busverbindungen in alle Richtungen.
Die Wohnsiedlung steht für langlebige und solide Bauweise, die sich über Jahrzehnte bewährt hat. Im Unterschied zum Erismannhof, an dem sie sich orientiert, umfasst die Anlage nur vier Geschosse. Dieses ausgewogene Verhältnis von Gebäudehöhe und Freiflächen fördert eine hohe Wohnqualität.
Im Rahmen der jüngsten Sanierung wurde die Innendämmung verstärkt, um den Wärmebedarf zu reduzieren. Die Heizenergie stammt heute aus dem nachhaltigen Fernwärmenetz der Stadt Zürich. Mit einem durchschnittlichen Flächenverbrauch von 29 Quadratmetern pro Person liegt die Siedlung deutlich unter dem städtischen Mittelwert von 40 Quadratmetern.
- Baujahr 1930–1931
- Architektur Karl Kündig, Heinrich Oetiker
- Instandsetzungen Totalsanierung, Projekt: O. Rotach (1975–1976); Küchen, Bäder, Gebäudetechnik inkl. Leitungen (2020–2023, in Etappen), Projekt: Pfister Schiess Tropeano & Partner Architekten AG
- Raumprogramm 224 Wohnungen, Dreifachkindergarten, Quartiertreff, kleines Bürogebäude
- Mietzinse Kostenmiete (freitragend)
- Adresse Agnesstrasse 28–50, Bullingerstrasse 1–27, Hardstrasse 40–52, Zypressenstrasse 89–95, 8004 Zürich
- Zugang barrierefrei
- Es sind keine Behindertenparkplätze verfügbar.
- Es sind keine Behindertentoiletten verfügbar.