Kunden­orientierung im Zeitalter der Digitalisierung

ICT-Beraterin Jasmine Soguel-dit-Piquard erzählt im Interview, wie die OIZ die Departemente und Dienstabteilungen der Stadt Zürich bei Digitalisierungsprojekten unterstützt und warum Kundenorientierung dabei so wichtig ist.

Artikel erschienen am 8. September 2020

Wie unterstützt die OIZ Digitalisierungsprojekte in der Stadt?

Die Stadt entwickelt laufend neue Online-Angebote. Beispielsweise kann man online die Betreuung oder den Ferienhort seiner Kinder organisieren, Parkkarten bestellen oder sich für städtische Wohnungen bewerben – alles über «Mein Konto», dem zentralen Zugang zu den städtischen Online-Services.

Unser Ziel ist, dass die Nutzenden den Ablauf der Services leicht verstehen und ihre Aufgaben effizient und unkompliziert erledigen können. Deswegen unterstützen wir die Abteilungen der Verwaltung in der Optimierung von bereits bestehenden Services oder methodisch und konzeptionell bei der Konkretisierung von neuen Ideen.

Weshalb ist Kundenorientierung so wichtig?

Ich würde es gerne Orientierung an den Bedürfnissen der Bevölkerung nennen – Citizen Centricity. Bisher haben sich vor allem privatwirtschaftliche Unternehmen mit dem Thema Kundenorientierung auseinandergesetzt. Sie tun dies, um bedürfnisorientierte Produkte oder Dienstleistungen zu entwickeln, ihre Ressourcen effektiv einzusetzen und damit Gewinne zu erzielen.

Wir als städtische Verwaltung sind der Bevölkerung anders verpflichtet als private Unternehmen ihren Kundinnen und Kunden. Die Zürcherinnen und Zürcher vertrauen darauf, dass wir ihre Steuergelder sinnvoll einsetzen. Sie gehen quasi in Vorleistung dafür, dass wir die Stadt für sie lebenswert gestalten und unterhalten.

Die Idee der Kundenorientierung oder Citizen Centricity ist jedoch in der Verwaltung noch nicht überall angekommen. Dies hat unter anderem auch historische Gründe und ist den über die Jahrzehnte entstandenen Strukturen und der stetig komplexeren Gesetzgebung geschuldet.

Für die Bevökerung ist die Auseinandersetzung mit der Verwaltung oft bürokratisch und unverständlich. Die bestehenden Abläufe einfach in die digitale Welt zu übertragen, funktioniert nicht. Ein guter digitaler Verwaltungsprozess ist immer erreichbar, unterstützt die Nutzenden, erklärt ihnen, was sie in ihrer Situation benötigen und führt sie schrittweise durch den Service.

Wir versuchen die Perspektive zu wechseln und aus Nutzendensicht ein sinnvolles Angebot ungeachtet der Abteilungsgrenzen zu entwickeln.

Was sind die Herausforderungen?

Wir versuchen die Perspektive zu wechseln und aus Nutzendensicht ein sinnvolles Angebot ungeachtet der Abteilungsgrenzen zu entwickeln. Bei bestehenden Services bringt uns das automatisch dazu, die Abläufe und Vorgaben in der Verwaltung zu hinterfragen. Beispielsweise: benötigen wir wirklich eine Unterschrift der Eltern, wenn ein Kind zum Kindergarten angemeldet wird? Digitalisierungsprojekte münden deshalb oft in Organisationsprojekten.

Nicht jedes Digitalisierungsprojekt wird umgesetzt. Es gilt jeweils zu berücksichtigen, wie viel Mehrwert für die Bevölkerung geschaffen wird und welche Kosten entstehen. Ein verantwortungsbewusster Umgang mit Steuergeldern kann auch bedeuten, dass eine Entwicklung abgewartet wird. Die zweite Herausforderung ist der Umgang mit Nutzenden, die keinen Zugang zu digitalen Medien haben. Auch sie müssen in der Lage sein, ihre Geschäfte mit der Verwaltung zu tätigen. 

Welche Methoden werden angewendet?

Aufgrund der grossen Komplexität und vielfältigen Anforderungen benötigen wir ein klares Bild darüber, was das Ziel eines Digitalisierungsprojekts sein soll. Wir haben gute Erfahrungen mit dem Design-Thinking-Prozess gemacht. Dabei analysieren wir die Situation mit Methoden wie Interviews, Umfragen oder anderen Analyseinstrumenten, entwickeln Ideen in Grossgruppen und bauen sehr rasch klickbare Modelle, sogenannte Prototypen. Das hat sich als gute Basis für die weitere Diskussion mit den auftraggebenden Abteilungen erwiesen, da wir weg von theoretischen Konzepten hin zu verständlichen und testbaren Lösungsvorschlägen kommen. In diesem Prozess involvieren wir gerne eine grosse Anzahl von Menschen; Fachexpertinnen und Fachexperten, Verwaltungsmitarbeitende mit Kundenkontakt und wir laden wenn immer möglich die Menschen mit ein, die das fertige Produkt schliesslich nutzen werden.

An welchen Projekten wird aktuell gearbeitet?

Projekte, an denen ich persönlich beteiligt bin, sind beispielsweise der Zugang zu den Steuerrechnungen, den wir der Stadtbevölkerung in den kommenden Monaten ermöglichen möchten. Was einfach scheint, ist eine Idee, welche bereits vor zwei Jahren entstanden ist und jetzt zur Realität wird. Kürzlich durfte ich das Schulamt begleiten, welches sich Gedanken darüber macht, wie der Start in den Kindergarten in Zukunft gestaltet werden soll. Ein weiteres Beispiel ist das Amt für Zusatzleistungen, das ich bei der Frage unterstütze, wie es den Antragstellenden den Zugang zu seinen Leistungen vereinfachen kann.

Interviewpartnerin

Jasmine Soguel-dit-Piquard ist seit 2019 Beraterin bei der OIZ. Sie unterstützt die Dienstabteilungen bei der Entwicklung neuer digitaler Services. Zuvor war sie 13 Jahre im Bereich Beratung, Konzeption und Projektleitung für Digitalisierungsprojekte tätig - für Unternehmen aller Branchen, auch im Hochschulbereich und für den Kanton Zürich.