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Gasträume: Kunst im städtischen Alltag

Kunst im öffentlichen Raum wird gemeinhin mit fixen Installationen in Verbindung gebracht. Das Ausstellungsformat «Gasträume», jeweils in den Sommermonaten in Zürich zu sehen, setzt dezidiert auf temporäre Projekte. Ab 24. Mai sind sieben Werke zu sehen, welche die ganze Bandbreite der aktuellsten Kunst abbilden.

Sich der Wirklichkeit ausserhalb musealer Schutzzonen zu stellen, ist in der Kunst seit den Sechzigerjahren ein wichtiges Thema geworden. «Mind the Gap», den Graben zwischen Gesellschaft und Kunst zu schliessen, war eine der wichtigsten Forderungen dieser Epoche. In der aktuellsten Kunst zeigt sich dieser Anspruch neuerdings wieder mit grosser Vehemenz. Viele Künstlerinnen und Künstler streben danach, ihre Werke im unmittelbaren Alltag zeigen zu können und sich mit den Fragen der Gegenwart IN der Gegenwart zu beschäftigen.

Diesem Bedürfnis entsprechend organisiert die Arbeitsgruppe Kunst im öffentlichen Raum seit 2010 jeweils im Sommer ein Ausstellungsprojekt mit temporären Kunstinterventionen in der Stadt. Für die Dauer von drei Monaten stehen in Zürich sechs Plätze für Aktionen, Performances, Skulpturen oder Installationen zur Verfügung, die in einem öffentlichen Wettbewerbsverfahren ermittelt werden. Auftrittsmöglichkeiten für Kunst an attraktiven Standorten und den unmittelbaren Kontakt zwischen Kunst und Menschen zu ermöglichen, sind die Ziele des Projektes. Zur Teilnahme zugelassen werden Offspaces, Galerien und Institutionen, die in der Stadt tätig sind. Die Jury 2011, bestehend aus Edith Krebs (Kunsthistorikerin), Andreas Vogel (Rektor F+F-Schule), Alexander Marzahn (Kunstkritiker) und Christoph Doswald (Kurator, Vorsitzender AG KiöR), empfahl aus den 16 eingereichten Projekten insgesamt sieben Werke zur Realisierung.

Erfrischender Witz und erhellende Gespräche

Ab dem 24. Mai werden in Zürich eine Reihe von Werken gezeigt, die die ganze Bandbreite aktuellster  Kunstproduktion repräsentieren. Der englische Künstler Justin Bennett entwickelt speziell für «Gasträume 2011» eine Sound-Installation. Das «Orakel von Zürich», eine unsichtbare Stimme, wird bei den Passanten auf dem Turbinenplatz im Kreis 5 mit Prophezeiungen und Sinnsprüchen Gedanken auslösen oder sie ganz einfach erheitern. Ebenfalls auf Diskurs setzt das Künstlerpaar ganzblum mit seinem Projekt für den Max-Bill-Platz in Oerlikon. Das Werk «Leihgabe» besteht aus einem vier Quadratmeter grossen Wiesenstück, welches die Künstler dem städtischen Publikum für drei Monate zur Ansicht überlassen; die Aktion wird mit Vorträgen und Diskussionen zum Themenkreis Stadt/Land, Zentrum/Peripherie ergänzt. Spektakulär ist die von Christa Ziegler in Zusammenarbeit mit dem message salon geplante Installation auf der Uraniawiese: Auf einem riesigen Billboard appliziert die Künstlerin die Collage einer Foto-Skyline, die sie auf ihren Reisen um den Globus aufgenommen hat – eine sympathisch-nachdenkliche Hommage an Zürich als little big city.

Zwei Shootingstars der jüngeren Schweizer Kunstszene haben die Jury mit ihren Projekten auf der Sigi-Feigel-Terrasse überzeugt. Während Kilian Rüthemann mit grosser Geste aus PVC-Rohren schnell aushärtenden Beton presst und daraus bis zu 20 Meter lange Bodenskulpturen mit einem Durchmesser von 40 Zentimeter formt, montiert Nino Baumgartner fünf polierte Messingplatten in den Boden der Steinstufen. Nach Ablauf der dreimonatigen «Gasträume» dienen die von Spuren und Kritzeleien gezeichneten Metallbleche als Druckplatte für Kaltnadelradierungen des Künstlers.

Klassische Skulpturen sind schliesslich auf dem Tessiner- und dem Paradeplatz zu sehen. Der in Berlin lebende Künstler Thomas Kiesewetter zeigt eine speziell für «Gasträume» entwickelte Stahlskulptur mit dem Titel «Broken Butterflies». Und von der Galerie Gmurzynska ist auf dem Paradeplatz ein Schlüsselwerk des spanischen Kunstpoeten Joan Miró zu sehen. «Grand Personnage» ist eine fast vier Meter hohe Monumentalskulptur, die der umtriebigen Geschäftigkeit des Finanzplatzes eine spielerisch-humorvolle Facette verleihen wird.

Text: Christoph Doswald

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