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«Je nach Kinder ist der Spielnachmittag friedlich bis turbulent»

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Franziska Widmer hat das Projekt «Die Kleinen im Zentrum» initiiert. Ein Spielnachmittag in einer Flüchtlingsunterkunft in Wangen-Brüttisellen, der sonntags von 14–16 Uhr stattfindet. Seit September 2018 ist sie regelmässig mit Freiwilligen vor Ort. Hier ihr Bericht.

24. März 2020

Für geflüchtete Kinder, die in der Liegenschaft in Wangen-Brüttisellen* wohnen, findet seit September 2018 jeden Sonntag ein Spielnachmittag statt: «Die Kleinen im Zentrum: ein mobiler Spielraum». Er entstand im Rahmen eines Projekts von Studierenden und Dozierenden der ZHAW Sozialen Arbeit und wurde in der Startphase durch die Förderstiftung für Soziale Arbeit und Migros Kulturprozent finanziert. Seit Januar 2019 sind es Freiwillige, die einmal pro Woche vor Ort sind. Die Fachstelle Freiwilligenarbeit der AOZ sucht und begleitet sie.

Der Spielnachmittag beginnt

Jeden Sonntag um ungefähr halb zwei treffen drei Freiwillige im Zentrum in Wangen-Brüttisellen ein. Sie richten für den Spielnachmittag den - bis auf Sofas an den Wänden - weitgehend leeren Aufenthaltsraum ein.  Die benötigten Spielsachen, Farben, Teppiche, Kissen, Tücher befinden sich im Kellerraum. Meistens stehen schon ein paar kleine oder auch grössere Bewohnerinnen und Bewohner bereit, denn: Einrichten möchten die Kinder auch. Manche Freiwillige, wohl nicht alle, weisen dieses freundliche Hilfsangebot ebenso freundlich zurück – weil es bereits zu Beginn des Spielnachmittags zu Chaos führen kann. Um 16 Uhr, wenn der Spielraum geschlossen wird, wendet sich das Blatt. Dann wären die Erwachsenen froh um Hilfe. Aber: Aufräumen möchten die Kinder nicht. Und so verschwinden sie so schnell wie sie gekommen sind in den Gängen und Zimmern der Unterkunft.

Sobald der Raum eingerichtet ist, stossen weitere Kinder dazu, kleine und grosse. Bis drei Jahre alte Kinder kommen mit Begleitung von Eltern oder älteren Geschwistern. Seit Beginn des Projekts bildet das Malen mit Wasserfarben und Farbstiften einen Fixpunkt im Angebot. Zu Beginn erfreute es sich grosser Beliebtheit, wie auch die zur Verfügung gestellte Briobahn. Im Moment sind Tücher zum Bauen von Hütten und Türmen sehr gefragt. Am Spielnachmittag kommen nur Recycling-Material und geschenkte Spielsachen zum Einsatz, so kommt das Projekt mit minimaler Finanzierung aus. Nur Bastelmaterial und Farben werden gekauft.

Auch Konflikte gilt es auszuhandeln

Je nachdem, welche Kinder gerade anwesend sind, geht es friedlich bis sehr turbulent zu. Das Aushandeln von Konflikten stellt für die Freiwilligen eine grosse Herausforderung dar, vor allem dann, wenn es keine gemeinsame Sprache gibt. Manchmal müssen die anwesenden Freiwilligen eingreifen und versuchen, kleinere oder grössere Streitereien zu schlichten. Die Erwachsene sehen ihre Rolle unterschiedlich: Einige räumen vor allem im Hintergrund auf, stellen die Spiel- und Bastelsachen bereit und sorgen für deren guten Erhalt, andere basteln mit den Kindern, malen und schauen Bücher mit ihnen an. Neu gibt es an manchen Nachmittagen ein Outdoor-Angebot. Freiwillige  begleiten die bewegungshungrigen, grösseren Kindern nach draussen. Sie spielen Fussball, klettern auf das Klettergerüst auf dem Spielplatz oder geben Kindern Schwung auf der Schaukel. 

Freiwilligenarbeit ist eine persönliche Bereicherung

Für mich als ehemalige Mitinitiantin und heutige Freiwillige ist das Projekt eine grosse Bereicherung. Es ist schön, den Kindern Raum zum Spielen zur Verfügung zu stellen, ihre Freude und ihre Auseinandersetzungen mit Kartonrollen und Bauklötzen, widerspenstigen Puzzleteilen und Ähnlichem mit zu erleben. Es ist schön, die rasante Entwicklung der Kinder zu beobachten. Ihr Spielverhalten wird von Mal zu Mal differenzierter und sie beginnen, Deutsch zu sprechen. So wie die beiden kleinen arabischsprachigen Mädchen, die mitten im Spiel die Sprache wechseln und auf Schweizerdeutsch zu zählen beginnen!  

Es ist eine grosse Leistung, die Kinder und Erwachsene erbringen,wenn sie als Geflüchtete neu in der Schweiz ankommen. Das beeindruckt mich immer wieder aufs Neue. Einiges von dem, was in der Heimat für das (Über)-Leben wichtig war, ist hier wenig nützlich oder gar hinderlich. Anderes können sie aber gut gebrauchen und sollte von der Gesellschaft hier mehr Anerkennung erhalten. Sie in diesem Ankommensprozess unterstützen zu dürfen, ist sehr befriedigend.

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*Seit Sommer 2017 betreut und begleitet die AOZ im Auftrag des Kantons Zürich Flüchtlinge in der ersten Phase (Beginn ihres Aufenthalts im Kanton Zürich). Darunter sind auch Resettlement-Flüchtlinge. Resettlement bezeichnet die Neuansiedlung von Flüchtlingen aus einem Staat, in dem sie bereits Schutz gesucht haben, in einen aufnahmebereiten Drittstaat. Die Flüchtlinge wohnen während der ersten Phase in Liegenschaften in Zürich Leimbach, Zollikon, Wangen-Brüttisellen, Winterthur und im ehemaligen Durchgangszentrum Hegnau.