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Geschlechterunterschiede an Schulen und Hochschulen

22. März 2012 - Judith Riegelnig

Trotz rechtlicher Gleichstellung von Frau und Mann, gibt es nach wie vor in vielen Lebensbereichen Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern. In Zusammenarbeit mit der Fachstelle für Gleichstellung wertet Statistik Stadt Zürich verschiedene Daten zum Thema Gleichstellung aus und publiziert sie im Dossier Zahlen zur Gleichstellung, um den aktuellen Stand der Geschlechterunterschiede in der Stadt Zürich zu überprüfen. Dieser Webartikel behandelt die Unterschiede an Schulen und Universitäten.

Bildung ist eine wichtige Ressource und ein wesentlicher Faktor für den Wohlstand einer Gesellschaft. Eine gute Schulbildung bringt auch auf individueller Ebene mehr Möglichkeiten im Erwerbsleben und häufig einen besseren Lohn. Wie sieht der aktuelle Stand in den Schulen und Hochschulen der Stadt Zürich aus? Gibt es Geschlechterunterschiede auf den verschiedenen Schulstufen? Und wenn ja, wie sehen die Unterschiede aus?

Mädchen anteilsmässig häufiger in anspruchsvollerer Abteilung

Nach der Primarschule kommen die Schülerinnen und Schüler in die Sekundarschule. Die Sekundarschule dauert drei Jahre und wird in zwei Abteilungen– A und B geführt, wobei die Abteilung A die anspruchsvollere ist. An drei Terminen im Jahr kann in eine andere Abteilung gewechselt werden. Bis ins Jahr 2009 gab es noch die Abteilung C. Diese wurde ab dem Schuljahr 2009/2010 aufgehoben und in die Abteilung B integriert. Die bestehenden Klassen in der Abteilung C wurden jedoch noch bis Sommer 2011 in der bestehenden Form weitergeführt.

2010 war das Geschlechterverhältnis mit 1421 Mädchen und 1409 Knaben in der Abteilung A praktisch ausgeglichen (Alle Zahlen zur Volksschule). In der Abteilung B hat es deutlich mehr Knaben. Der Geschlechterunterschied nahm dort in den letzten drei Jahren deutlich zu (Grafik 1). Ein Grund dafür ist, dass die Abteilung C ab dem Schuljahr 2009/2010 in die Abteilung B integriert wurde. Der Überschuss an Knaben in der Abteilung C findet sich deshalb jetzt in der Abteilung B wieder.

Zahl der Schülerinnen und Schüler an der Sekundarschule nach Anforderungsstufe

Mehr Mädchen als Knaben am Gymnasium

Seit Ende der 1980er-Jahre besuchen mehr Mädchen als Knaben das Gymnasium
(Entwicklung der Lernenden am Gymnasium). 2010 betrug der Anteil der Mädchen 56 Prozent; 1992 waren es noch 53 Prozent. 1996 wurden die früheren Maturitätstypen abgeschafft. Seither können die Schülerinnen und Schüler zwischen verschiedenen Profilen wählen und damit einen Schwerpunkt in der Ausbildung setzen. Bei den Mädchen ist das Neusprachliche Profil besonders beliebt. 43 Prozent der Kantonsschülerinnen besuchten 2010 dieses Profil. Mit 28 Prozent Anteil war es auch bei den Knaben das am häufigsten besuchte Profil. Die Knaben verteilten sich aber gleichmässiger auf die Profile als die Mädchen. Den höchsten Frauenanteil wies das Musische Profil auf (75%).

Mädchenanteil am Gymnasium nach Profil, 2010

Der Mädchenanteil im Mathematisch-naturwissenschaftlichen Profil war 2010 mit 37 Prozent am tiefsten. Der Geschlechterunterschied in diesem Profil hat allerdings in den letzten 50 Jahren kontinuierlich abgenommen: Erst ab den 1960er-Jahren gab es überhaupt Mädchen, die ein Mathematisch-naturwissenschaftliche Gymnasium absolvierten. In den 1990er-Jahren stieg ihr Anteil über 20 Prozent. Seither hat ihr Anteil weiter zugenommen (siehe Grafik 3).

Zahl der Schülerinnen und Schüler mit Mathematisch-naturwissenschaftlicher Ausbildung

Mehr Frauen als Männer an der Universität

An der Universität Zürich studieren seit dem Jahr 2000 mehr Frauen als Männer
(Entwicklung der Studierenden an der Universität). 2010 betrug der Frauenanteil 56 Prozent. In fast allen Fakultäten sind mehr Frauen als Männer eingeschrieben. Eine Ausnahme bildet die Mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät mit einem Frauenanteil von 48 Prozent. Analog zum Gymnasium war der Frauenanteil an der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät bis in die 1990er-Jahre bedeutend tiefer und hat sich seither kontinuierlich erhöht. An der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät studieren ebenfalls mehr Männer als Frauen (Frauenanteil: 28%). Interessant ist dies vor allem im Zusammenhang mit der späteren beruflichen Tätigkeit: Gemäss einer Befragung von Hochschulabsolventinnen und –absolventen durch das Bundesamt für Statistik verdienen Absolventinnen und Absolventen der Wirtschaftswissenschaften ein Jahr nach Studienabschluss im Durchschnitt deutlich mehr als die Hochschulabgängerinnen und –abgänger anderer Fakultäten.

Frauenanteil an der Universität nach Fakultät, 2010

Die Veterinärmedizinische Fakultät (Vetsuisse), welche 2006 mit der veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Bern unter dem Namen Vetsuisse zusammengelegt wurde, hat den grössten Anteil an weiblichen Studierenden (84%). Allerdings ist sie mit 650 Studierenden im Jahr 2010 eine sehr kleine Fakultät. Mit über 12 000 Studierenden ist die Philosophische Fakultät am grössten. Studienfächer wie Geschichte, Sprachwissenschaften, Publizistikwissenschaft und Soziologie sind dieser Fakultät angegliedert. Im Jahr 2010 studierten mehr als die Hälfte aller Studentinnen (55%) an der Philosophischen Fakultät (Männer: 38%). Der in den letzten 15 Jahren stark gewachsene Anteil der Frauen findet sich fast vollständig an der Philosophischen Fakultät. Dadurch war an der Philosophischen Fakultät eine beträchtliche Zunahme der Anzahl Frauen zu verzeichnen, was in Grafik 5 ersichtlich ist.

Zahl der Studierenden an der Philosophischen Fakultät nach Geschlecht

Frauenanteil an ETH gestiegen

Die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) wird noch immer viel häufiger von Männern als von Frauen besucht. Seit 1990 hat sich der Frauenanteil jedoch von 18 auf 31 Prozent erhöht (Entwicklung der Studierende an der ETH). Bei den Frauen sind Studiengänge im Bereich der Naturwissenschaften, besonders die Studiengänge im Departement der Systemorientierten Naturwissenschaften am beliebtesten. Dazu gehören die Erdwissenschaften, Umweltnaturwissenschaften, Agrarwissenschaften und Lebensmittelwissenschaften. Bei den Lebensmittelwissenschaften sind 69 Prozent der Studierenden Frauen. In den Ingenieurwissenschaften sind besonders wenig Frauen vertreten (12%).

Frauenanteil an der ETH nach Departement, 2010

Interessant ist der Vergleich von Studienfächern, die sowohl an der Universität Zürich als auch an der ETH belegt werden können. Im Fach Mathematik liegt der Frauenanteil an der Universität bei 38 Prozent, an der ETH bei 25 Prozent. Ähnlich sieht das Bild bei den Fächern Physik (Universität: 22% / ETH: 19%), Chemie (Universität: 38% / ETH: 30%) und Biologie (Universität: 61% / ETH: 52%) aus. Es muss aber beachtet werden, dass an der Universität und an der ETH nicht die gleichen Inhalte gelehrt werden. Frauen scheinen bei gleichen Studieninteressen eher die Universität, Männer eher die ETH zu bevorzugen.

Fazit

Mädchen und Frauen sind heute in Gymnasien und Hochschulen nicht mehr untervertreten. Mädchen besuchen häufiger als Knaben das Sekundarschulniveau A sowie das Gymnasium, an der Universität Zürich sind mehr Frauen eingeschrieben. Es stellt sich jedoch die Frage, wieso Knaben vermehrt die Sekundarstufe B absolvieren und weniger häufig das Gymnasium besuchen. Dies ist sicher eine Entwicklung, die man weiterhin beobachten sollte.

Es gibt relativ grosse Unterschiede hinsichtlich der gewählten Profile und Studiengänge. Frauen wählen eher sprachliche und musische Richtungen an den Gymnasien und an der Universität. Weniger beliebt sind dagegen technische, mathematische und wirtschaftliche Fachrichtungen. Daher rührt auch die immer noch tiefe Zahl der Frauen an der Eidgenössischen Technischen Hochschule. Mögliche Erklärungen für diese unterschiedlichen Interessenlagen von Frauen und Männern wären nötig, um ihre Bedeutung für die Gleichstellung einordnen zu können.

Zurzeit sind Frauen in Kaderstellen oder in der Politik immer noch untervertreten. Die Frage ist, ob sich die gute Schulbildung, die ein grosser Teil der Mädchen und jungen Frauen heute geniesst, in einigen Jahren im Erwerbsleben niederschlägt. Ansonsten gilt zu untersuchen, welche Umstände verhindern, dass hoch qualifizierte Frauen ihr Potenzial im Erwerbsleben ausschöpfen können. Allein die bessere Ausbildung der Frauen  wird wohl nicht zu vollumfänglicher Gleichstellung führen, aber als Voraussetzung dafür ist sie unerlässlich.

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