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Internationaler Tag der Pflege: Taten statt Applaus

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Der Fachkräftemangel in der Pflege ist in aller Munde, der Bundesrat will die Pflegeinitiative rasch umsetzen, doch noch ist keine Trendwende in Sicht. Was tun die Gesundheitszentren für das Alter, um die Pflege zu stärken?

12. Mai 2023

Sajma Ferovic
«Ich komme meinen Mitarbeitenden entgegen, denn das Privatleben ist auch wichtig.» 
Sajma Ferovic, Abteilungsleiterin Pflege, Gesundheitszentrum für das Alter Entlisberg

 

 

 

 

 

Die Gesundheitszentren gehen das vielschichtige Thema beherzt und mit verschiedenen Massnahmen an. Zum Beispiel wurden Mitarbeitendenbefragungen in den Gesundheitszentren ausgewertet und Pflegeabteilungen eruiert, die eine sehr hohe Zufriedenheit auswiesen. Was zeichnet diese Abteilungen aus und was machen die betroffenen Abteilungsleitungen anders?

 

Sajma Ferovic, Abteilungsleiterin Pflege im Entlisberg, gibt im Interview Einblicke in ihren Führungsstil. Als eine von drei Mentorinnen wird sie ihre Erfahrungen zudem im Juni im Rahmen eines internen Workshops an andere Abteilungsleitende weitergeben, damit ihr Beispiel Schule macht.

Sajma, wie erklärst du dir die hohe Zufriedenheit in deiner Abteilung?

Bei mir steht das Geben und Nehmen im Zentrum. Ich versuche, wenn immer möglich auf die Wünsche der Mitarbeitenden einzugehen: Seien es Ferien, bestimmte Freitage bei Teilzeitarbeit oder verkürzte Arbeitstage. Von 17 Mitarbeitenden in meiner Abteilung haben 11 Spezialwünsche. Ich bin ein Riesenfan davon, dass man darauf Rücksicht nimmt. Wer das als Arbeitgeber nicht anbietet, lässt sich viel Potenzial entgehen.

Das ist alles andere als selbstverständlich – zumindest noch.

Ich habe lange Jahre eine Abteilung geführt, im Januar 2023 ist noch eine zweite dazukommen. Die neue Abteilung kannte keine Flexibilität bei den Arbeitszeiten. Die Mitarbeitenden sind aus allen Wolken gefallen und fragten mich «Warum bist du so nett?» Ich sehe das nicht als Nettigkeit. Ich komme meinen Mitarbeitenden entgegen, denn das Privatleben ist auch wichtig. Das Leben lässt sich nun mal nicht immer planen. Dafür muss man als Vorgesetzte Verständnis haben.

Wie wirkt sich das auf die Zusammenarbeit mit dem Team aus?

Die Mitarbeitenden haben mehr Vertrauen zu mir als Vorgesetzte. Ich habe einen direkten Vergleich zwischen meiner ersten Abteilung und der zusätzlichen Abteilung, die ich seit Januar ebenfalls leite. In der neuen Abteilung gab es davor eine hohe Fluktuation und viele Absenzen. Das ist nun nicht mehr der Fall. Ruhe und Stabilität sind eingekehrt. Ich bin überzeugt, dass das eine direkte Folge der gelebten Flexibilität ist.

Hattest du nie Bedenken, dass dein Vorgehen nicht funktionieren könnte?

Ich bin sehr risikofreudig – und meine Erfahrungen sind durchwegs positiv. Klar, am Anfang ist das für die Führung eine Herausforderung. Aber eine, die sich bezahlt macht: Wenn die Mitarbeitenden Freiheiten bekommen, erhöht das die Zufriedenheit und das Engagement, und es stärkt den Teamzusammenhalt. Da kommt so viel Positives zurück. Ich arbeite sehr gerne mit Menschen. Und wer Menschen beschäftigt, muss sich mit Menschen beschäftigen. Das ist meine feste Überzeugung.

Was sind die Voraussetzungen, damit du den Mitarbeitenden entgegenkommen kannst?

Die Rahmenbedingungen sind gegeben und meine Erwartungen an die Qualität der Arbeit sind hoch. Dafür bin ich bekannt. Im Gegenzug geniessen die Mitarbeitenden viele Freiheiten und mein Vertrauen. Wenn jemand in der Abteilung einen speziellen Wunsch hat, wird das möglichst frühzeitig und transparent kommuniziert. Bei neuen Mitarbeitenden hole ich schon im Bewerbungsprozess ab, ob die individuellen Wünsche mit dem bestehenden Team kompatibel sind. Das Commitment des Teams ist essenziell. Ohne geht es nicht. Mir ist wichtig, dass alle die gleichen Rechte haben. Für mich ist die Pflegedienstleitung diesbezüglich ein Vorbild. Auch ich habe Freiheiten und geniesse vollstes Vertrauen. Das gebe ich gerne weiter.