Prostitution in Zürich: Stadtrat beschliesst Massnahmenpaket
Medienmitteilung
Um den bekannten Problemen im Zusammenhang mit der Prostitution zu begegnen, hat der Stadtrat von Zürich über die nach dem Vernehmlassungsverfahren überarbeitete Prostitutionsgewerbeverordnung entschieden. Er hat zudem vom neuen Strichplan Kenntnis genommen, welcher der Vorsteher des Polizeidepartements festzulegen plant. Im neuen Strichplan enthalten ist auch ein betreuter Strichplatz mit Boxen. Am Sihlquai sind Sofortmassnahmen geplant.
25. Mai 2011
Die Prostitution, insbesondere die Strassenprostitution, ist in Zürich zu einem viel diskutierten Thema geworden, weil vor allem die Situation am Sihlquai zu Belastungen der Wohnbevölkerung im Quartier führt und erhebliche Risiken für die Prostituierten beinhaltet. Der Stadtrat hat deshalb in seiner heutigen Sitzung ein Massnahmenpaket verabschiedet, das zu einer deutlichen Entschärfung der Situation beitragen soll. Grundlage des Pakets ist die Vision, dass in der Stadt Zürich ein Prostitutionsgewerbe existiert, das keine störenden Einflüsse auf das Stadtleben hat, das den Gesundheitsschutz und die Menschenwürde aller Beteiligten gewährleistet und das Selbstbestimmungsrecht der Prostituierten beachtet.
Prostitutionsgewerbeverordnung
Eine Prostitutionsgewerbeverordnung (PGVO) soll die städtischen Vorschriften über die Strassenprostitution vom 17. Juli 1991 ersetzen und neben der Strassen- und Fensterprostitution neu auch den Bereich der Salonprostitution regeln. Zweck der Verordnung ist der Schutz der Bevölkerung vor negativen Auswirkungen der Prostitution, der Schutz der Prostituierten vor Ausbeutung und Gewalt sowie die Sicherstellung der gesundheitlichen und sozialen Prävention für die Prostituierten.
Ein erster Entwurf der PGVO wurde am 15. Januar 2011 in die Vernehmlassung geschickt. Zahlreiche Institutionen, politische Parteien und Personen haben sich innerhalb der dreimonatigen Frist dazu geäussert. Gefordert wurden insbesondere ein «Runder Tisch» mit Einbezug der Fachorganisationen, eine verstärkte Fokussierung auf die Arbeitsbedingungen und den Gesundheitsschutz der Prostituierten, besondere Regelungen für Kleinstsalons und datenschützerische Anliegen.
Der heute verabschiedete Entwurf zuhanden des Gemeinderats berücksichtigt diese Anliegen so weit wie möglich. Die PGVO wird voraussichtlich im Herbst dieses Jahres im Gemeinderat behandelt und soll anfangs 2012 in Kraft treten.
Neuer Strichzonenplan
Der heute gültige Strichplan aus dem Jahr 1991 umfasst insgesamt 11 Kilometer. Er soll mit der neuen Regelung verkürzt werden. Kriterien für den neuen Strichzonenplan waren, dass der Wohnanteil unter 20 Prozent liegt und dass keine Schulen, Kindergärten, Kirchen, Parkanlagen, Spielplätze, Jugendtreffs und ähnliche Einrichtungen direkt angrenzen.
Der künftige Strichplan soll deshalb noch drei Zonen für den Strassenstrich umfassen. Davon sind zwei für den Autostrich und eine für den Fussgängerstrich in der Innenstadt vorgesehen. Der Strassenstrich am Sihlquai wird verboten. Ebenso wird im Langstrassenquartier kein Strassenstrich bewilligt. Folgende Gebiete sind im Strichzonen-Plan vorgesehen:
- Allmend Brunau, Autostrich (bestehend), Betreuung durch Frauenberatung Flora Dora
- Aargauerstrasse, Strichplatz (neu), mit Boxen, Betreuung durch Frauenberatung Flora Dora
- Niederdorf, Fussgängerstrich (bestehend), Betreuung durch aufsuchende Sozialarbeit; flankierende Massnahmen: Nachtfahrverbot Zähringerstrasse
Strichplatz Aargauerstrasse
Der Standort erfüllt die Kriterien (Wohnanteil unter 20 Prozent, keine öffentlichen Anlagen angrenzend). Der Strichplatz soll den erlaubten Strassenstrich in eine übersichtliche, kontrollierbare, abgeschirmte Zone verlagern. Das Geschäft soll in Boxen stattfinden. Betrieben und betreut wird der Strichplatz durch die Sozialen Einrichtungen und Betriebe des Sozialdepartements.
Der Strichplatz soll vorbehältlich der Zustimmung des Gemeinderats im Frühling 2012 in Betrieb genommen werden. Bau- und Projektierungskosten sind mit knapp 2,4 Millionen Franken (davon knapp 0,5 Millionen Franken für die Entsorgung von Altlasten) veranschlagt. Das Projekt wird ausgeschrieben. Falls Einsprachen erfolgen, ist mit Verzögerungen zu rechnen.
Fenster- und Salonprostitution
Die PGVO erlaubt es dem Stadtrat, separate Zonen für Fensterprostitution zu bezeichnen. Salonprostitution wird auf dem Stadtgebiet (inkl. Niederdorf und Langstrassenquartier) bewilligt, sofern sie baurechtlich und mit der PGVO konform ist.
Koordiniertes Engagement
Städtische und private Organisationen bieten bereits heute wirksame, niederschwellige Gesundheits- und Sozialberatung für Prostituierte: Flora Dora (Sozialdepartement) mit Prävention auf dem Strassenstrich, gynäkologische Sprechstunde (Gesundheits- und Umweltdepartement) u. a. mit Behandlung/Prävention von sexuell übertragbaren Krankheiten, FIZ Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration, Isla Victoria (Stadtmission) mit aufsuchender Sozialarbeit sowie die Zürcher Aidshilfe mit Projekten für männliche Prostituierte und Freier.
Die Stadtpolizei Zürich führt mit einer spezialisierten Gruppe in enger Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich Ermittlungen gegen den Menschenhandel sowie Förderung der Prostitution. Dabei konnten bereits verschiedene komplexe Verfahren erfolgreich zum Abschluss gebracht werden, wie zum Beispiel der Fall «GOLDFINGER». Derzeit sind mehrere Ermittlungsverfahren hängig.
Die bestehenden Massnahmen werden den neuen Strichzonen und jeweils aktuellen Situationen angepasst.
Sofortmassnahmen am Sihlquai
Der Strassenstrich am Sihlquai findet in einer bestehenden Strichzone statt und wird bis zur Eröffnung des Strichplatzes weiter dort bleiben. Um die Belastungen der Quartierbevölkerung möglichst zu verringern, wird die Strassenprostitution ab Anfang Juni 2011 zwischen Dammweg und Kornhausbrücke nur noch zwischen 22.00 und 5.00 Uhr erlaubt.
Zusammenarbeit von Stadt und Kanton
Stadt und Kanton Zürich sind sich einig, dass ein koordiniertes Vorgehen wichtig ist, um die gegenwärtige Situation bei der Strassenprostitution zu verbessern und langfristig eine pragmatische Lösung der Probleme zu finden. Deshalb haben sie ein Pilotprojekt beschlossen, das auf einem Meldeverfahren mit einer vertieften Überprüfung der selbständigen Erwerbstätigkeit von ausländischen Strassenprostituierten basiert. Die Regelung gilt ab 6. Juni 2011. Nur wenn die Stadtpolizei die Selbständigkeit einer Strassenprostituierten anerkennt, kann die Frau anschliessend eine Meldebestätigung des Amts für Wirtschaft und Arbeit erlangen. Mit dieser Massnahme sollen Falschangaben über das Alter und Zwangssituationen besser erkannt werden.