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Gynäkologie und Bauchchirurgie Hand in Hand

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Das Stadtspital Zürich geht neue Wege, um die Zusammenarbeit und den Wissensaustausch zwischen den einzelnen Fachrichtungen zu verbessern – zum Wohl der Patientinnen und Patienten. Dies lässt sich gut am Beispiel Gynäkologie und Viszeralchirurgie zeigen.

17. Juni 2022

NATALIE GABRIEL, ANNELIES SCHNIDER
Dr. med. Natalie Gabriel, Chefärztin Frauenklinik /Dr. med. Annelies Schnider, Leitende Ärztin Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefässchirurgie v.l.n.r

Warum braucht es eine gute Zusammenarbeit zwischen Gynäkologie und Viszeralchirurgie?

Dr. med. Annelies Schnider: Viele Erkrankungen des weiblichen Genitaltrakts betreffen auch andere innere Organe wie beispielsweise Mastdarm, Dickdarm, Dünndarm, Bauchfell, Bauchwand, Blase, Harnleiter oder Beckenboden. Deswegen braucht es für spezielle Situationen andere operative und klinische Fachkompetenz, Erfahrung und Know-how, um die bestmögliche operative Versorgung und Behandlungsqualität für unsere Patientinnen und Patienten zu gewährleisten. Dies bedingt eine reibungslose interdisziplinäre, interprofessionelle, präoperative, intraoperative und postoperative Teamarbeit.

Dr. med. Natalie Gabriel: Es gibt zwischen der Gynäkologie und der Viszeralchirurgie einige Schnittstellen, vor allem im operativen Bereich. Es kann sich einerseits um ein gemeinsames Problem handeln, das eigentlich eine gynäkologische Erkrankung betrifft, z.B. am Eierstock oder an der Gebärmutter. Andererseits kann die Behandlung einer gynäkologische Erkrankung Auswirkungen auf andere Bauchorgane wie den Darm haben. Für eine optimale Betreuung der betroffenen Frau ist es wünschenswert, die fachlich strikte Trennung aufzuheben und sich niederschwellig gemeinsam um die optimale Behandlung der Patientin zu kümmern.

Wo macht dies am meisten Sinn?

Gabriel: In gewissen Fällen ist es nicht klar, ob es sich primär um ein gynäkologisches oder um ein chirurgisches Problem handelt. Hier sollten wir zuerst interdisziplinär besprechen, was die optimalste Behandlungsmethode ist. Dies betrifft hauptsächlich den chirurgischen Bereich. Wir planen und führen die Operation entweder zusammen durch oder rufen die Fachexpertin des anderen Fachgebiets niederschwellig dazu. Auch für den postoperativen Verlauf und die weitere Nachbetreuung ist es wichtig, gut zusammenzuarbeiten und die Expertinnen und Experten beider Fachrichtungen zu involvieren. Dies ist insbesondere essenziell, wenn Komplikationen auftreten oder der Verlauf ungewöhnlich ist.

Schnider: Bei jedem fortgeschrittenen Krebs, der mehrere Organe befällt, ist ein multidisziplinäres Vorgehen sinnvoll. Bei Erkrankungen wie Endometriose, Beckenbodenschwäche und bei vielen anderen Erkrankungen sind operative Techniken nötig, die zur Kernkompetenz des jeweilig andern Fachgebiets gehören. Auch im postoperativen Verlauf und bei Komplikationen wie Infekten, Bauchwand- und Verdauungsproblemen tauschen wir unser Wissen aus.

Wie läuft ihre Zusammenarbeit im Alltag ab?

Schnider: Patientinnen mit fortgeschrittenem Eierstockkrebs operieren wir immer gemeinsam. Dies sind Eingriffe, die vier bis sechs Stunden dauern und einer gemeinsamen Vorbesprechung und Indikationsstellung bedürfen. Je nach chirurgischem Vorgehen wird die Patientin anschliessend auf der Gynäkologie oder auf der Viszeralchirurgie stationär nachbetreut. Ebenso besprechen wir einige Patientinnen mit Organendometriose gemeinsam an sogenannten Boards, beraten die betroffenen Frauen in der Sprechstunde und operieren sie gemeinsam. Eine solche Zusammenarbeit erfordert viele Absprachen, Vertrauen und gleiche Ansprüche an eine sehr gute, medizinische Behandlung.

Gabriel: Ja, genau. Wir sprechen uns jeweils ab, wer postoperativ die Hauptverantwortung hat und die Hauptbetreuung übernimmt. Die andere Disziplin bleibt involviert. Natürlich gibt es auch Situationen, in denen ungeplant jemand von der Viszeralchirurgie während oder nach der Operation zugezogen werden muss. Generell schätze ich es enorm, dass die Zusammenarbeit sehr respektvoll und unkompliziert verläuft.

Welche Vorteile bringt dies für die Patientinnen?

Gabriel: Meiner Meinung nach klar eine höhere Behandlungsqualität mit besseren Therapie-Ergebnissen. Denn es stehen immer die Patientin und ihr medizinisches Problem im Fokus und nicht die Fachdisziplin. Andererseits bedarf es aber auch von Seiten der Patientinnen ein entsprechendes Verständnis dafür, dass manchmal eine zusätzliche Konsultation oder Abklärung präoperativ erfolgen muss oder dass es einen gemeinsamen Operationstermin zu finden gilt.

Schnider: Ein weiterer Vorteil ist, dass wir neue Methoden und Wissen interdisziplinär teilen und an junge Ärztinnen und Ärzte weitergegeben. Die Patientin muss nicht von einer Spezialistin zur anderen, wir kommen zu ihr!

Wie werden Sie Ihre Zusammenarbeit in Zukunft ausbauen?

Gabriel: Wir möchten sehr gerne diese Schnittstelle zwischen Viszeralchirurgie und Gynäkologie noch weiter optimieren – in denjenigen Fällen, wo eine gemeinsame Betreuung der Patientinnen Sinn macht. Dies steht leider manchmal im Gegensatz zu den fachgesellschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Bestrebungen. Wir werden zunehmend mit Superspezialisierung, Mindestfallzahlen, aber auch betriebswirtschaftlichen Kennzahlen und Kostenabbildung der einzelnen Kliniken konfrontiert.

Schnider: Unsere interdisziplinären Behandlungspfade sollten als Normalfall etabliert werden. Sie sind in der Schweiz nicht selbstverständlich. Deshalb müssen wir unsere reibungslose Zusammenarbeit bei den Patientinnen sowie Zuweiserinnen und Zuweisern besser bekannt machen.