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«Rauchstopp ist die wichtigste Massnahme!»

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Lungenkranke Menschen haben im Herbst und Winter eine gefährliche Zeit vor sich. Lungenärztin Irène Laube vom Stadtspital Waid und Triemli erklärt, was eine sogenannte COPD ist, wie sie behandelt wird und warum Impfungen für die Betroffenen so entscheidend sind.

10. Oktober 2019

KD Dr. med. Irène Laube, FMH Innere Medizin und Pneumologie, Leiterin Abteilung Pneumologie Stadtspital Waid und Triemli, Zürich

Viele Menschen in der Schweiz wollten 2019 den Rauchstopp schaffen.
Warum erreichen nur sehr wenige dieses Ziel?

KD Dr. med. Irène Laube: Etwa 25% der Bevölkerung ab dem 15. Lebensjahr raucht, vor allem bei den Jugendlichen bis zum 20. Lebensalter ist dieser Anteil mit knapp 25% sehr hoch. Viele denken, dass ein Rauchstopp eine «reine Kopfsache» sei. Der körperliche Entzug ist nach wenigen Wochen zwar meist abgeschlossen, die psychische Abhängigkeit führt aber oftmals dazu, dass man erneut zur Zigarette greift. Vor allem in Situationen mit starkem Stress oder in Gesellschaft von Rauchern kann es zu einem Rückfall kommen. Gerade hierfür ist das Beratungsgespräch sehr wichtig, um diese Situationen zu thematisieren und Handlungsalternativen auszuarbeiten.
 

Welche Massnahmen, Therapien und Hilfestellungen bieten Sie an?

Es gibt viele Arten, mit dem Rauchen aufzuhören. Die vielversprechendste Methode ist aber die Kombination von individueller Beratung und Medikamenten. Die Basis sind Nikotinersatz-Produkte wie Pflaster, Kaugummi und Sprays sowie Medikamente, die im Hirn wirken und das

Verlangen nach Nikotin reduzieren. Natürlich ist auch der Wille, Nichtraucher zu werden, ein entscheidender Faktor. Leider misslingen solche selbst durchgeführten Rauchstoppversuche ohne Beratung oftmals. Häufig reicht es, eine einzige Zigarette zu rauchen, um wieder in alte Gewohnheiten zurückzufallen. Die Chancen, Nichtraucher zu werden, können mit Hilfe von professioneller Beratung und Medikamenten von 3% ohne Intervention bis auf 33% mit intensiver Beratung und Vareniclin-Tabletten gesteigert werden. Wir Lungenspezialistinnen und -spezialisten in der Pneumologie des Stadtspitals Waid und Triemli bieten solche Rauchstoppberatungen an, neu auch in Zusammenarbeit mit dem Verein Lunge Zürich. 
  

Den Rauchenden droht eine Raucherlunge, eine sogenannte COPD.
Wie erklären Sie einem Laien, was das ist?

Das Wort COPD ist eine Abkürzung vom englischen «Chronic Obstructive Pulmonary Disease». Es bezeichnet also eine chronische Lungenkrankheit mit Verengung der Atemwege. Betroffen sind die Schleimhäute der Atemwege und die feinen Lungenbläschen. Beim Asthma lässt sich die Verengung der Atemwege mit einer inhalativen Therapie meist gut behandeln und die Patienten haben eine normale Lungenfunktion. Bei der COPD hingegen wird zwar ebenfalls eine inhalative Therapie empfohlen, die Lungenfunktion bleibt aber eingeschränkt. Die COPD ist also unheilbar. Nicht nur das: Sie verschlimmert sich, vor allem dann, wenn die Lunge den auslösenden Schadstoffen ausgesetzt bleibt. In der Schweiz leiden ca. 400000 Menschen an dieser Krankheit – jede zehnte Person über 40 Jahren.
  

Was spüren die Betroffenen?

Die Symptome, morgendlicher Husten und Auswurf, kommen schleichend und werden zu Beginn oft verharmlost. Die Patienten gewöhnen sich über die Jahre daran. Mit der Zeit tritt aber auch Atemnot auf. Oft ist die Erkrankung dann bereits fortgeschritten.

Eine COPD entsteht, wenn man Schadstoffe über eine lange Zeit einatmet. Neun von zehn Patienten rauchen oder haben geraucht. Als Raucher hat man ein zehnfach höheres Risiko wie ein Nichtraucher, an einer COPD zu erkranken. Jeder vierte Raucher bekommt früher oder später eine COPD. Genetische Faktoren spielen hier mit eine Rolle. Schadstoffe aus Verkehr, Landwirtschaft und Industrie können ebenfalls eine COPD verursachen.
  

Welche Therapien gibt es und wann werden sie eingesetzt?

In einem frühen Stadium empfehlen wir eine Inhalationstherapie mit einem Medikament, das die Bronchien erweitert. Sie kann in einem späteren Stadium ausgebaut werden. Im fortgeschrittenen Stadium mit häufigen Exazerbationen, das heisst, wenn Infektionen die Lungenfunktion verschlechtern, wird inhaliertes Cortison eingesetzt. Für diese Patientinnen und Patienten kann auch das einzige COPD-Medikament in Tablettenform benutzt werden. Bei Betroffenen mit einem ausgeprägten Emphysem, einer Lungenüberblähung, gibt es zusätzliche, interventionelle Massnahmen: chirurgisch oder mit einer Lungenspiegelung eingelegte Ventile.
  

Welche Bedeutung haben Rauchstopp und körperliches Training?

Der Rauchstopp ist die wichtigste Massnahme! Nur so kann die weitere, oft rasche Verschlechterung der Lungenfunktion gebremst werden. Nach einem Rauchstopp beklagen sich die Patienten oft während einiger Wochen über vermehrten Husten. Dies ist aber Ausdruck davon, dass die feinen Flimmerhärchen in den Bronchien wieder ihre Reinigungsfunktion aufgenommen haben.

Mit körperlichem Training lässt sich zwar die Lungenfunktion nicht verbessern. Das Training der Muskulatur, vor allem der Oberschenkelmuskulatur, spielt trotzdem eine wesentliche Rolle. Es verbessert die Sauerstoffverwertung und lindert die Atemnot. Dadurch sind die Betroffenen wieder mobiler, können ausser Haus gehen und fühlen sich sozial weniger isoliert. Die pulmonale Rehabilitation mit körperlichem Training ist deshalb einer der Grundpfeiler der Therapie. Sie ist auch ambulant möglich. Zudem bieten wir den interessierten Patientinnen und Patienten einmal jährlich einen COPD-Coaching-Kurs an, in dem sie lernen, besser mit ihrer Krankheit umzugehen. Und sie erhalten wertvolle Tipps für den Alltag.
  

Für welche Lungenpatienten ist die Grippe-Impfung empfehlenswert? 
Wer braucht eine Impfung gegen Pneumokokken?

Die Grippe-Impfung empfehlen wir Patientinnen und Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen, da sie schwere Verläufe oder sogar Todesfälle bei COPD-Patienten vermindern kann. Da eine Grippe den Organismus allgemein schwächt, besteht bei diesen Patienten eine erhöhte Gefahr einer zusätzlichen Lungenentzündung, die eine sogenannte Exazerbation oder «Lungenattacke» auslösen kann. Die durch die COPD bereits reduzierte Atmung kann sich weiter stark verschlechtern. Eine solche Lungenattacke schwächt die Lunge und den Patienten zusätzlich. Die vollständige Erholung benötigt oft viele Wochen. 

Mit der Pneumokokken-Impfung, die je nach Impfstoff nur einmal oder alle fünf Jahre durchgeführt wird, erreichen wir einen Schutz vor dem häufigsten bakteriellen Erreger der Lungenentzündung. Diese Impfung ist deshalb für Patientinnen und Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen empfehlenswert.