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Gezielte Unterstützung für junge Erwachsene

Geflüchtete als Gewinn für Arbeitsmarkt und Gesellschaft: Mit dieser Sichtweise unterstützt das Team BBJE Schärenmoos junge Erwachsene auf ihrem Weg in die Selbständigkeit. Die ersten Erfolge sind schon wenige Wochen nach dem Start des jungen Teams sichtbar.

Das Betreuungsteam für junge Erwachsene vor der städtischen Kollektivunterkunft Schärenmoos.
Das Betreuungsteam für junge Erwachsene vor der städtischen Kollektivunterkunft Schärenmoos. Wir haben uns bewusst für ein Foto ohne Mohammad* entschieden – um seine Privatsphäre zu schützen.

Aufstellen – oder in dem Fall aufhängen – fürs Teamfoto vor der städtischen Kollektivunterkunft Schärenmoos: Die Mitarbeitenden der Wohngruppen für die Begleitung und Betreuung junger Erwachsener (BBJE) posieren auf dem Sportplatz. Plötzlich klettert ein junger Mann grinsend über die Hangelstangen und gesellt sich zu den Betreuer*innen. Es ist Mohammad*, ein Klient aus einer der BBJE-Wohngruppen. Sozialpädagogin Silvia Casetti erklärt ihm, dass hier gerade ein Foto entsteht, das veröffentlicht werden soll. Er nickt begeistert: «Verstanden, kein Problem.» Gemeinsam mit seinen Betreuer*innen posiert er auf dem Klettergerüst. 

Anfängliches Misstrauen  

«Unglaublich, diese Entwicklung. Ich bin so begeistert, wenn ich das sehe», sagt Casetti. Sie kennt den Klienten noch aus ihren Zeiten als MNA-Betreuerin. «Er hatte es anfangs nicht leicht. Es fiel ihm schwer, den Betreuer*innen zu vertrauen und er war sehr verschlossen», erzählt sie. Schwierige Voraussetzungen für den Start in ein unabhängiges Leben in der Schweiz. Der junge Mann aus Afghanistan erhielt einen Platz in einer der BBJE-Wohngruppen. Hier hat jeder Bewohner – es sind in der Regel Männer – zwei Bezugspersonen. Auf diese Weise ist immer eine Ansprechperson verfügbar. Und mehr noch: Die Sozialpädagog*innen können jeden Klienten individuell begleiten. 

«Mit Mohammad* übe ich jeden Morgen Deutsch. Innerhalb von sechs Wochen ist er derart aufgeblüht, dass er, der früher so misstrauisch und scheu war, heute von sich aus den Kontakt zu uns und anderen Bewohnenden sucht. Und nun posiert er sogar unaufgefordert mit uns für ein Foto», erzählt Silvia Casetti. Durch die enge Begleitung sei Mohammad auch pünktlicher, zuverlässiger geworden. Ein wichtiger Schritt in Richtung Integration in den Arbeitsmarkt und ein unabhängiges Leben in der Schweiz – und die jungen Erwachsenen haben noch ihr ganzes Leben vor sich. «Mich begeistert dieses Alter», sagt Teamleiterin Sarah Plüss. «Zwischen 16 und 25 passiert so viel mit einem Menschen. Von der Unterstützung in dieser wichtigen Zeit können unsere Klienten ein Leben lang profitieren. Das motiviert mich sehr.»

Konflikte als Chance

Das ist die schöne Seite. Eine schwierige gibt es auch. Das Konfliktpotenzial ist gross. Das Alter, die bisherigen Erfahrungen und Erwartungen, die fremde Kultur mit ihren unbekannten Regeln, das Zusammenleben – Zündstoff gibt es genug. «Damit muss man klarkommen in diesem Job», sagt Sarah Plüss. Zudem seien die Konflikte auch eine Chance für die Weiterentwicklung. Die Sozialpädagogin spricht von wichtigen Lernfeldern, die sich den Klienten hier bieten: «Sie werden immer wieder in solche Situationen kommen und müssen lernen, mit Konflikten umzugehen.» Auf diese Weise entwickeln sie grundlegende soziale und emotionale Fähigkeiten. 

Konstanz stärkt Vertrauen ins System

Und dabei geht es nicht nur um die Akzeptanz von Regeln. «Die jungen Erwachsenen erleben, dass ihre Bezugspersonen nach einer Meinungsverschiedenheit immer noch für sie da sind – auch wenn es mal lauter geworden ist. Am nächsten Tag unterstützen wir sie trotzdem noch», so Plüss. Durch diese Konstanz entstehe viel Vertrauen in die Bezugspersonen und nicht zuletzt ins System. Die jungen Männer lernen zudem, wie sie Meinungsverschiedenheiten konstruktiv lösen können, stärken ihr Selbstbewusstsein und die Selbstwirksamkeit. «Wir nehmen Rückmeldungen sehr ernst und entwickeln unser Angebot wenn möglich weiter», sagt die Teamleiterin. So gab es bereits strukturelle Veränderungen aufgrund von Rückmeldungen der Klienten. Zum Beispiel wurden die Besuchsregeln angepasst: Andere Bewohner*innen des Standortes können nun unkompliziert zu Besuch kommen und an Freizeitaktivitäten teilnehmen. Somit kann eine positive Gruppendynamik entstehen. 

«Keine Belastung, sondern ein Potenzial»

Einfach ist die Aufgabe der Betreuer*innen nicht. Doch trotzdem ist sie bereichernd. «Ich habe nie das Gefühl, dass ich nur gebe. Ich bekomme immer etwas zurück», sagt Silvia Casetti. Und das gelte auch auf einer übergeordneten Ebene: «Die Klienten sind keine Belastung, sondern ein Potenzial.» Für den Arbeitsmarkt, für die Schweizer Gesellschaft. Auf den ersten Blick sei dieses Potenzial nicht immer sichtbar. Kein Wunder angesichts der schwierigen Vergangenheit der Klienten. Darum ist die Aufgabe der Betreuer*innen so wichtig. Und gleichzeitig so motivierend. «Wir helfen ihnen, ihre Ressourcen zu entfalten», sagt Casetti. 

*Name von der Redaktion geändert.

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