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E-Partizipation

12 Hinweise für die Durchführung von E-Partizipationsprozessen

Die unten aufgeführten Hinweise stammen aus dem Bericht «E-Partizipation in der Stadtentwicklung» und können als Orientierung bei der Planung und Durchführung eines E-Partizipationsprozesses dienen.

E-Partizipation und Partizipation

1. E-Partizipation ist Partizipation.

E-Partizipationsverfahren unterscheiden sich in ihren Grundzügen, d.h. unter anderem in ihren Rahmenbedingungen, Zielen und Abläufen nicht von klassischen, Offline-Mitwirkungsverfahren. Ungeachtet des Online-Mediums müssen die gleichen Voraussetzungen wie bei Partizipationsprozessen im realen Raum erfüllt sein. Die in der Checkliste «Mitwirkungs- und Beteiligungsprozesse» (2006) aufgeführten Fragen zu den vier Prozessphasen «Vorabklärungen», «Vorbereiten», «Durchführen» und «Umsetzen der Ergebnisse» sind auch bei E-Partizipationsverfahren gültig. Es gibt jedoch gewisse Spezifikationen, die aus den folgenden Erläuterungen hervorgehen.

2. E-Partizipation sollte idealerweise ein Standbein im realen Raum haben.

Partizipative Stadt- und Quartierentwicklungsprozesse sollten wenn immer möglich nicht ausschliesslich im virtuellen Raum stattfinden. Mit einem Standbein im realen Raum, sei es durch Informationsveranstaltungen, Führungen oder Ausstellungen, wird ein lokaler Bezug hergestellt und zusätzliche Teilnehmende können angesprochen werden.

Offline- und Online-Mitwirkung können in einem Prozess auch kombiniert werden und sich so gegenseitig bereichern. Dabei lässt man die Beiträge der Teilnehmenden aus der Offline-Partizipation in die Online-Partizipation fliessen oder umgekehrt. Bei einer solchen Kombination ist es wichtig, dass die beiden Angebote dem gleichen TeilnehmerInnenkreis offen stehen. Da E-Partizipations- und Partizipationsprozesse (bisher) nicht von denselben Anbietern angeboten werden, erhöht sich der Koordinationsaufwand für den Auftraggeber. Es gilt deshalb zu beachten, dass die Verknüpfung der beiden Formate zu Beginn des Mitwirkungsprozesses in einem übergeordneten Prozessdesign festgelegt wird.

Anwendungsbereich und Zielgruppen

3. E-Partizipation eignet sich bei den folgenden drei Typen von Mitwirkungsverfahren: «Mitwirkung bei Konzepten/Strategien/Planungen», «Mitwirkung bei konkreten Bauvorhaben» und «aktivierenden Prozessen».

E-Partizipation ist nicht bei jedem Mitwirkungsverfahrenstyp gleich geeignet (siehe Checkliste Mitwirkungs- und Beteiligungsprozesse, S. 7). Eine mögliche Implementierung eines E-Partizipationsangebots empfiehlt sich bei einer «Mitwirkung bei Konzepten/Strategien/Planungen», einer «Mitwirkung bei konkreten Bauvorhaben» oder einem «aktivierenden Prozess». Eine Anwendung bei einem «Dialogprozess» oder einer «kooperativen Planung» ist dagegen kaum geeignet. Bei den ersten drei Mitwirkungsverfahren bietet sich E-Partizipation an, weil ein möglichst breites Spektrum an Teilnehmenden von Vorteil ist und dies durch E-Partizipation technisch ermöglicht wird. Ein «Dialogprozess», d.h. ein Dialog in einer konfliktträchtigen oder bereits konfliktiven Situation, ist weniger geeignet, weil in dieser Situation die direkte face-to-face-Kommunikation mit den betroffenen Interessensgruppen zentral ist. Eine «kooperative Planung» eignet sich ebenfalls kaum, da sich die Betroffenen meist auf einen relativ kleinen Kreis von GrundeigentümerInnen oder ProjekteignerInnen beschränken.

4. E-Partizipation eignet sich für Projekte mit einem grossen räumlichen Perimeter oder mit grossem Symbolwert.

Während sich Offline-Partizipation insbesondere dann eignet, wenn der Problemperimeter lokal ist und die Fragestellung nicht die ganze Stadt oder Region betrifft, verhält es sich bei der Online-Partizipation eher umgekehrt. Einer der grössten Vorteile von E-Partizipation ist, dass dank der Entkoppelung der Zeit- und Ortsgebundenheit die Anzahl der möglichen Beteiligten erhöht wird. Aus diesem Grund ist E-Partizipation insbesondere bei Fragestellungen geeignet, die einen grossen Perimeter betreffen oder einen hohen Symbolcharakter aufweisen und damit eine breite Öffentlichkeit ansprechen.

5. E-Partizipation ändert per se nichts an der Art der Teilnehmenden.

Mit E-Partizipation lassen sich bei Stadt- und Quartierentwicklungsprozessen nicht per se andere Zielgruppen erreichen als bei klassischer Partizipation; auch nicht Jugendliche, wie häufig angenommen wird. Das Thema, die Form und der Absender entscheiden über die Art der Teilnehmenden und nicht das Medium oder das Tool. Die analysierten Beispiele der öffentlichen Hand über Stadt- und Quartierentwicklung zeigen, dass ein ähnlicher TeilnehmerInnenkreis mitmacht wie bei der Offline-Mitwirkung. Es kann jedoch angenommen werden, dass sich bei der Online-Partizipation auch Personen zu Wort melden, die an Veranstaltungen vor Ort sich nicht getrauen, sich in einer Plenumsdiskussion einzubringen oder Personen, die keine Möglichkeit haben, an Veranstaltungen teilzunehmen.

Ressourcen und Dauer

6. E-Partizipation ist – wie jeder Mitwirkungsprozess – ressourcenintensiv.

E-Partizipationsprozesse erfordern wie klassische Partizipationsprozesse in beträchtlichem Masse Ressourcen. Bei E-Partizipation als eine textbasierte Beteiligungsform, die grosse Datenmengen generieren kann, muss sowohl während als auch nach der aktiven Mitwirkungsphase mit einem hohen Moderations- und Auswertungsaufwand gerechnet werden.

7. Die Schritte des Verdichtens und Auswertens erweisen sich in der E-Partizipation als Herausforderung.

Die methodischen Schritte des Verdichtens und Auswertens stellen bei E-Partizipationsverfahren aufgrund einer hohen Datenmenge oftmals eine Herausforderung dar. Ein elektronisches Tool zur inhaltlichen Textanalyse von Diskussionen besteht bisher nicht, so dass diese nach wie vor mittels klassischer Textanalyse erfolgen muss. Die elektronische Textauswertung beschränkt sich zurzeit auf das Zählen von Begriffen und deren Relation zueinander. Themenwikis stellen eine Form von Textverdichtung im Sinne einer thematischen Zusammenfassung dar, wobei diese aber «manuell» erfolgen.

Anhand von Rating- (Bewertung durch NutzerInnen) und Ranking-Tools (automatische Ranglisten) können Diskussionsbeiträge gewichtet werden, was auch die Auswertung teilweise erleichtert. Zur Vereinfachung der Auswertung kann festgelegt werden, dass nur ein Teil der Beiträge, z.B. die zehn oder zwanzig Beiträge mit den besten Ratings oder Rankings, ausgewertet werden. Dies muss jedoch transparent kommuniziert werden.

8. Eine relativ kurze Zeitdauer der aktiven Mitwirkung ist empfehlenswert.

Aus Ressourcengründen, aber auch aufgrund der abnehmenden Attraktivität bzw. Aktivität mit zunehmender Dauer, muss die Zeitspanne des aktiven E-Partizipationsprozesses relativ kurz gehalten werden. Bewährt haben sich Online-Beteiligungsfenster, die während zwei bis maximal vier Wochen offen sind, wobei die (nicht interaktive) Online-Plattform als Informationskanal vor und nachher aufgeschaltet bleibt.

Online-Plattform

9. Die Teilnahme auf der Online-Plattform soll die Registrierung und Zustimmung von Spielregeln voraussetzen.

Den Grad der Anonymität der Teilnehmenden muss sorgfältig abgewogen werden. Es hat sich bewährt, dass sich die Teilnehmenden mit einer E-Mail-Adresse registrieren und einen frei wählbaren Benutzernamen auf der Online-Plattform verwenden können. Es ist sinnvoll, die freiwillige Angabe von soziodemographischen Daten bei der Registration anzubieten. Es bietet sich an, die Zustimmung zu den Spielregeln in den Registrationsprozess zu integrieren, wobei die Spielregeln auf der Online-Plattform jederzeit einsehbar sein müssen. Nebst den Verhaltensregeln («Netiquette») sind die Massnahmen bei Regelverstössen sowie die Datenschutzregelungen in den Nutzungsbedingungen genau zu beschreiben.

10. Die Online-Plattform soll moderiert sein.

Eine Moderation der Online-Plattform ist erforderlich, um die Diskussion zu strukturieren und gegebenenfalls auch zu beleben. Zudem ist eine Moderation sinnvoll, um die Einhaltung der Spielregeln zu kontrollieren, wobei die Erfahrung zeigt, dass der Grad an Selbstregulierung unter den Teilnehmenden hoch ist. Ist die Plattform moderiert, soll dies für die Teilnehmenden erkennbar sein. Mit einer externen, unabhängigen Moderation können wie bei der klassischen Partizipation Rollenkonflikte vermieden und die Projektleitung zeitlich entlastet werden.

11. Das Diskussionsforum ist das zentrale Element der Online-Plattform.

Das Sammeln von Ideen und Anliegen erfolgt immer in einem textbasierten Diskussionsforum, das den Kern der Online-Partizipation darstellt. Eine gute technische und visuelle Struktur des Forums ist für die Wahrung der Übersicht zentral, können doch viele Beiträge oder auch sehr lange Diskussionen entstehen. Ergänzend zum Diskussionsforum können weitere nicht-textdominierte Tools eingesetzt werden, mit denen sich die Teilnehmenden auf eine andere Form einbringen können. Dazu zählen georeferenzierte Karten, Rating-Tools und Umfrage-Tools. Darüber hinaus können Themenwikis und Chats eingesetzt werden, wobei sich ein zeitlich eng begrenzter Chat für den Auftritt von VIPs eignet, um damit Aufmerksamkeit zu generieren.

Begleitende Massnahmen

12. Gezieltes Marketing und rasche Kommunikation sind bei E-Partizipation essentiell.

E-Partizipation wird meist im Rahmen grösserer Stadtentwicklungsprojekte angeboten. Dennoch ist ein gezieltes Marketing nötig, um potentielle Teilnehmenden zu erreichen.

Neben den klassischen Werbe- und PR-Mitteln eignet sich insbesondere Internetwerbung, um einen Medienbruch zu vermeiden. Wichtig ist zudem der Einsatz von Multiplikatoren, welche bestimmte Zielgruppen über ihre eigenen Kanäle ansprechen. Im Weiteren lassen sich Social Media-Kanäle wie beispielsweise Facebook und Twitter für Marketingzwecke einsetzen, wobei die Verhältnismässigkeit des hohen Betreuungsaufwands je nach Projekt beurteilt werden muss. Das orts- und zeitunabhängige Online-Medium zwingt die Veranstalter auch zu einer raschen Reaktion während und nach der aktiven Beteiligungsphase. Dies stellt insbesondere für die Kommunikation der zeitaufwendigen Auswertung eine Herausforderung dar.

Ansprechpersonen

Werner Liechtenhan, Tel. 044 412 36 68
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