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Kunst und Bau: Der Charme der Miniatur

Modelle vor Originalen: Herter-Bau (l.), Neubau von e2a (r).

Die weissen Miniatur-Modelle der drei Schulgebäude und die stark vergrösserten grünen und rötlichen Bauklötze, auf denen sie platziert sind, liegen ganz selbstverständlich auf dem dunklen Asphalt des weiten, leeren Schulhausplatzes und setzen Farbtupfer. Schritt für Schritt sind die kleinen Gebäude vom Künstler Florian Graf entwickelt, nach seinen Plänen in Herisau von der Firma «Schmitt Natursteinwerk» aus Muschelkalk gefräst und von Hand mit dem Meissel verfeinert worden. Die Spielklötze wurden in Terrazzo gegossen und dann geschliffen zu den jedem Kind vertrauten unverkennbaren Formen. Anfang September 2023 wurden die Teile angeliefert und von einem Kran entladen. Die Kinder seien – so Christiane Rekade, die Projektleiterin dieses Kunst-und-Bau-Werks – herbeigeeilt, hätten den Arbeiten zugesehen und gefragt, was dies denn sei, ob die Steine hierblieben und ob sie sich draufsetzen könnten. Die Neugier war geweckt, der informelle Auftakt geglückt.

Modell des Wehrli-Baus
Altehrwürdiges Schulhaus auf Augenhöhe: Der Wehrli-Bau.

Die offizielle Vernissage des Kunstwerks am 15. September 2023 glich dann einem Volksfest. Es war mit zahlreichen Gästen und dichtem Programm so gross, dass viele dachten, es handle sich um die Wiedereröffnung der gesamtsanierten historischen Schulanlage. Diese umfasst das 1898 erbaute Schulhaus von Friedrich Wehrli, das Sporthallengebäude aus dem Jahr 1938 von Hermann Herter und den 2021 fertiggestellten Erweiterungsbau von e2a-Architekten, Piet und Wim Eckert. Das Fest für die Schüler*innen, Lehrer*innen, Freund*innen, die Eltern und die Quartierbevölkerung war aber Teil des künstlerischen Konzepts von «School Models». Bei diesem Projekt des ausgebildeten Architekten und Künstlers Florian Graf handelt es sich um einen Studienauftrag der Fachstelle Kunst und Bau des städtischen Amts für Hochbauten. 

Performance von Julie Monot.
Performance von Julie Monot.

Mit mehreren dargebotenen Performances war das Fest auch ein Akt von angewandter Kunstvermittlung. Diese gaben Anstösse, wie mit «School Models» umgegangen werden kann. Yorgos Sapountzis enthüllte mit Kunststudent*innen die noch mit farbigen Tüchern verhüllte Installation von Florian Graf. In einer improvisierten Luftseilbahn schwebten Puppen aus einem Fenster des Wehrli-Baus hinunter auf den Pausenplatz. Diese Puppen, die nun die Schulhaus-Modelle auf dem Pausenplatz bevölkern sollten, hatte Monster Chetwynd zuvor in Workshops mit mehreren Klassen gestaltet. In einer weiteren Performance tauchten Figuren in Menschengrösse der Künstlerin Julie Monot auf, spektakuläre, surreale Wesen mit einem riesigen Mund statt eines Schädels, mit den Augen in den Händen oder einem gesichtslosen Kopf, umspielt von dicken Haaren. Die Spukgestalten erkundeten die Schulhaus-Modelle und setzten sich auf deren Dächer. Behängt mit kleinen Schellen huschte eine Frau in der Performance «School Bell 1» von Nina Emge und Nils Amadeus Lange über den Asphalt, während Raffaela Boss und Charlotte Horn ihre Stimmen als Instrumente einsetzten. Und schliesslich waren auch die Schüler*innen selber tätig: Sie führten die Anwesenden sachkundig und engagiert durch die Schulgebäude, besorgten das Buffet, waren für die Abfallentsorgung zuständig, erstellten eine Dokumentation und interviewten anwesende Gäste zu ihren Eindrücken. 

Kinder erobern die Kunst und ihre Schulhäuser.

Die Performer*innen bespielten den Pausenplatz wie eine Arena und die Kinder eigneten sich die «School Models» ungehemmt an, kletterten darauf herum, stiegen auf deren Dächer und genossen den Ausguck über den Platz von erhöhtem Standpunkt. Plötzlich diese Übersicht. Ein herrschaftliches Gefühl muss haben, wer sich sein Schulhaus so aneignen kann.

Performance von Nina Emge und Nils Amadeus Lange
«School Bell 1»: Nina Emge und Nils Amadeus Lange lassen Schulglocken läuten.

Mit den Performances zeigte Florian Graf, dass er seine Arbeit interaktiv versteht. Mit «School Models» eröffnet er der Kommunikation ein weites Feld: Die Modelle entwickeln den ganzen Charme, der Miniaturen eigen ist. Sie bieten spielerisch einen Überblick über die einzelnen Schulgebäude und laden ein zum genauen Vergleich mit den mächtigen Originalen, die hinter den Modellen in die Höhe ragen: Stimmen die kleinteiligen Fenster, die Türen und Treppen mit den Vorbildern überein? Man erblickt, was man sonst nie sieht: Die Dächer aus der Vogelperspektive. 

Monster Chetwynd inspirierte Schüler*innen zur Gestaltung von Puppen.
Monster Chetwynd inspirierte Schüler*innen zur Gestaltung von Puppen.

Die alten Schulhäuser, von eindrücklicher und für manche auch angsteinflössender Monumentalität, werden zugänglicher. Die Sockel der Modelle in der Form von Bauklötzen ermuntern zu spielerischem Umgang. Diesen Ball wehren jedoch einige der älteren Sekundarschüler*innen ab: Warum sollten sie, die jungen Erwachsenen, plötzlich mit Bauklötzen spielen – das erscheint ihnen zu kindisch. Solch unmittelbare Erfahrung kann Gespräche über Sinn und Zweck von Kunst in Gang setzen. Und den Blick auf Gestaltung und Architektur lenken. Florian Graf setzt Kunst hin und baut gleichzeitig Schwellen ab. «School Models» lenkt Blicke und Gedanken augenzwinkernd auf die Umgebung, die den Alltag von Schüler*innen während einiger wichtiger Jahre mitgestaltet. Die Miniaturen spiegeln die Fassaden und andere Aussenflächen – stiften aber auch zum genaueren Erkunden des Inneren der Gebäude an. Denn da findet sich die Farbigkeit der Bauklötze wieder – im Wehrli-Bau in pastellenen Grün- und Rottönen. Nach der Entdeckung des künstlerischen Vorgehens ist es für die Schüler*innen ein kleiner Schritt, die Umgebung entschlossen in Besitz zu nehmen und mit eigenen Farben zu prägen: Im Neubau hängen Dutzende von knallbunten Bildern der Schüler*innen im Stil der Pop-Art.

 

Text: Peter Schneider

Fotos:

Installationsansichten
Florian Graf, «School Models», 2023
Kunst und Bau Stadt Zürich, Schule Hofacker, Zürich
Foto: Stefan Altenburger Photography

Eröffnungsfest «School Models»
Kunst und Bau Stadt Zürich, Schule Hofacker, Zürich
Foto: Romain Mader

Performances von Yorgos Sapountzis, Julie Monot, Nina Emge und Nils Amadeus Lange, Monster Chetwynd, Raffaela Boss und Charlotte Horn

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