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Interview mit Raquel Brühlmann und Mathis Sauter

Eine der Besonderheiten der städtischen Kunstsammlung ist der nicht-museale Zugang zu ihrem Bestand: Rund 12 000 der gut 29 000 Werke sind ausgeliehen. Der Grossteil davon ist in verschiedenen Räumlichkeiten städtischer Liegenschaften platziert.

Raquel Brühlmann, Sie sind bei der Kunstsammlung für die interne Ausleihe zuständig. Ist eigentlich bekannt, seit wann sich städtische Angestellte für ihren Arbeitsplatz ein Kunstwerk aussuchen dürfen?

Klar ist, dass Kunstwerke schon vor der Sammlungsgründung im Jahre 1916 in den Räumlichkeiten der Verwaltung ausgestellt wurden. Anders als heute wurde in den Anfängen beim Kauf eines Werkes oft direkt auch schon der Raum bestimmt, in dem es platziert werden sollte. Seit wann die städtischen Angestellten «ihr Werk» selber aussuchen dürfen, lässt sich hingegen nicht mehr genau eruieren.

Wie läuft eine solche Ausleihe ab?

Mitarbeitende, die sich ein Kunstwerk aussuchen möchten, melden sich bei uns und wir vereinbaren einen Termin für die Ausleihe im Kunstlager. Diese finden an zwei Tagen die Woche und in kleinen Gruppen statt. Die Leihnehmenden bekommen zu Anfang eine Einführung in die Ausstellungsräumlichkeit und ins Kunsthandling sowie auch in die Geschichte und den Inhalt der Sammlung. Während der Ausleihe stehen wir den städtischen Mitarbeitenden beratend zur Seite. Nach der Auswahl wird der Leihschein erstellt und der Transport mit Montage organisiert.

Beratung grossgeschrieben: Raquel Brühlmann vermittelt einem Interessenten Details zu einem Kunstwerk.
Beratung grossgeschrieben: Raquel Brühlmann vermittelt einem Interessenten Details zu einem Kunstwerk.

Weshalb müssen für die Besichtigung der Kunstsammlung individuelle Termine vereinbart werden? Wären allgemeine Öffnungszeiten nicht die praktikablere Lösung?

Der Umgang mit Kunstwerken setzt Achtsamkeit und Respekt voraus. Nicht jedes Werk passt an jeden Ort. Um die Sicherheit und den Erhalt der Werke gewährleisten zu können, braucht es deshalb fachliche Unterstützung. Das wichtigste bei der Ausleihe ist aber die Vermittlung. Nur bei einem individuellen Termin haben wir die Chance, nicht nur unsere Kunstsammlung näher zu bringen, sondern auch Werke zu vermitteln, die mehr Hintergrundinformation benötigen. Wir beraten die Leihnehmenden auch bezüglich Platzierung des Werkes und klären die Klima- und Lichtverhältnisse der Räumlichkeiten ab. Mit unserem kleinen Team und mit den anderen Aufgaben der Fachstelle Kunstsammlung sind allgemeine Öffnungszeiten nicht umsetzbar.

Haben die Besucherinnen und Besucher denn meist eine fixe Vorstellung von dem, was sie in ihrem Büro platzieren möchten?

Ja, solche gibt es. Aber meist entscheiden sich die Besucherinnen und Besucher für etwas ganz anderes. Das zeigt mir, dass es bei der Werkauswahl im Grunde um ein Gefühl geht, das eben auch auf andere Weise als ursprünglich angenommen befriedigt werden kann – beispielsweise mit einem Gemälde statt mit einer Fotografie.

Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass die besonders schönen Werke sowieso nur in die Chefetagen ausgeliehen werden. Ist da vielleicht auch ein Quäntchen Wahrheit dran?

Die Hierarchie in der Verwaltung spielt bei der Platzierung der Werke keine Rolle. Für uns hat der Werkschutz die höchste Priorität. Da eignet sich ein Raum, der keine abgeschlossenen Türen hat, nicht unbedingt für die Platzierung eines sehr wertvollen Werkes. Abgesehen davon: «Besonders schön» ist ein sehr subjektives Urteil. In den Büros der Stadträtinnen und Stadträte sind auf alle Fälle nicht nur monetär wertvolle Werke zu finden.

Raquel Brühlmann und Mathis Sauter von der städtischen Kunstsammlung.
Raquel Brühlmann und Mathis Sauter von der städtischen Kunstsammlung.

Der möglichst öffentliche Zugang zu Kunstwerken mag ein hehres Ziel sein. Aber die in Büros platzierten Werke sind ja trotzdem nicht wirklich öffentlich zugänglich.

Für die Büros stimmt das teilweise. Allerdings platzieren wir Kunstwerke auch in Räumlichkeiten, die zumindest während der Bürozeiten öffentlich zugänglich sind wie Trauzimmer, Schalterhallen, Korridore, Wartezonen oder Sitzungszimmer. Ich denke da an das Stadthaus, an Kreisbüros, Alterszentren, Schulhäuser, Sportanlagen, Amtshäuser oder an die beiden Stadtspitäler.

Achtet die Fachstelle denn darauf, dass Werke von grossem öffentlichem Interesse für das Publikum gut zugänglich sind?

Ja, prinzipiell schon. Allerdings ist der Platz fürs Präsentieren beschränkt, da die Sicherheit des Werkes sowie die Klima- und Lichtverhältnisse berücksichtigt werden müssen und die Gebäudenutzenden miteinbezogen werden. Wir entdecken in bestehenden Gebäuden nur noch selten zusätzliche Standorte, an denen wir Kunst ausstellen können.

Gibt es eine Art Katalog, der die Werke der Kunstsammlung zusammenfasst, die für die Bevölkerung frei zugänglich sind?

Der gesamte Werkbestand wird seit kurzem in einer digitalen Datenbank erfasst. Auf kunstbestand.stadt-zuerich.ch kann man in den Werken stöbern.

Fotografie Bronzeplastik «Alea Magna» von Katharina Sallenbach.
Bronzeplastik «Alea Magna» von Katharina Sallenbach.

Wenn Sie eine Kunstreise durch die Stadtverwaltung zusammenstellen würden, welche fünf Werke empfehlen Sie dabei zu besichtigen?

1.   Katharina Sallenbach, «Alea Magna», 1971, Plastik, Bronzehohlguss, 78 x 78 x 78 cm, Musikschule Konservatorium Zürich, Florhofgasse 6, Foyer 2. OG

2.   Trudi Demut, «Hoher Bronzetisch», 1987–91, Bronzeguss, 198 x 112 x 112 cm, Amtshaus IV, Lindenhofstrasse 19, Foyer EG

3.   Beat Zoderer, «Addiertes Volumen», 1991, verschiedene verschweisste Stahlprofile, 73 x 285 x 12 cm, Verwaltungszentrum Werd, Werdstrasse 75, Foyer 1. OG

4.   Nic Hess, «m&m=3M», 2005, Neoninstallation, 50 x 245 x 15 cm, Amtshaus III, Lindenhofstrasse 21, Korridor 2. OG

5.   San Keller, «oben ohne», 2015, Tusche auf Papier, 16-teilig, Amtshaus III, Lindenhofstrasse 21, Korridor 3. OG

Mathis Sauter koordiniert die Leihgaben an externe Kunstinstitutionen.
Mathis Sauter koordiniert die Leihgaben an externe Kunstinstitutionen.

Nebst der verwaltungsinternen Ausleihe gibt es auch die Ausleihe an externe Ausstellerinnen und Aussteller. Mathis Sauter, wohin leihen Sie Werke aus der städtischen Kunstsammlung aus?

Ganz generell leihen wir an professionell geführte Kunstinstitutionen aus. Das sind primär Museen, hin und wieder auch Galerien. Der Grossteil der Anfragen kommt aus der Schweiz. Regelmässig leihen wir aber auch in andere Länder, gelegentlich sogar nach Übersee aus. Aktuell bis Ende August 2019 zeigt zum Beispiel das Kunstmuseum Thurgau in der Kartause Ittigen eine grosse Helen-Dahm-Ausstellung. Dazu hat die städtische Kunstsammlung 32 Werke beigesteuert.

Wie häufig wird die Kunstsammlung für solche Zwecke angefragt? Ist eine Zunahme über die letzten Jahre zu verzeichnen?

Wir verzeichnen durchschnittlich etwa zehn Leihanfragen pro Jahr – Tendenz steigend. Doch nicht jede Anfrage führt auch zu einer Ausleihe. Wenn die Kuratorinnen oder Kuratoren im Laufe der Planung eine Konzeptänderung vornehmen, passt das Werk unter Umständen nicht mehr in die Ausstellung.

Zürcher Nelkenmeister, «Das Jüngste Gericht. Erzengel Michael als Seelenwäger», um 1490, Tempera auf Nadelholz, 165,5 x 116 cm.
Zürcher Nelkenmeister, «Das Jüngste Gericht. Erzengel Michael als Seelenwäger», um 1490, Tempera auf Nadelholz, 165,5 x 116 cm.

Gibt es auch Dauerleihgaben?

Ja, im Kunsthaus Zürich befinden sich über 80 Werke. Dort sind in der Dauerausstellung unter anderem Füssli, Hodler und Nelkenmeister zu sehen.

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