Persönlich-Kolumne: Von der Hygieneanstalt zum Freizeitplausch
Persönlich-Kolumne: Von der Hygieneanstalt zum Freizeitplausch
Seit bald 200 Jahren bieten die städtischen Bäder uns Zürcher*innen eine willkommene Abkühlung an heissen Sommertagen. Bereits 1837 entstand beim Bauschänzli nämlich die erste öffentliche Badeanstalt. Ihr Besuch war nur den Frauen erlaubt. Die Männer bekamen zwei Jahre später – ebenfalls beim Bauschänzli – eine eigene Badeanstalt.
In diesen Bädern war der Badeplausch damals aber zweitrangig: Die meisten Zürcher Haushalte hatten zu dieser Zeit kein Badezimmer mit fliessendem Wasser. Badeanstalten wurden darum als Hygienebäder genutzt, die Besucher*innen gaben sich dort den Waschlappen in die Hand.
Eine verbesserte städtische Grundversorgung trug das ihrige dazu bei, dass sich der Badibesuch allmählich veränderte: Die Wohnungen in der Stadt wurden immer öfter mit Badezimmern ausgestattet. So entwickelte sich das Baden vom hygienischen Pflichttermin nach und nach zum Freizeitplausch. Zürich, die Stadt mit der heute weltweit höchsten Badi-Dichte, bot dafür schon im ausgehenden 19. Jahrhundert eine Vielzahl von Gelegenheiten.
So wurde der heute denkmalgeschützte Untere Letten beim Bau im Jahr 1909 gar nicht erst als Badezimmerersatz konzipiert: Die mentale Hygiene stand im schönen Flussbad schon damals auf dem Programm! Auch ich tausche dort an warmen Sommertagen gerne Bürostuhl gegen Badetuch und lade meine Batterien auf.
Ob Kopf voran vom Sprungbrett oder tiefenentspannt mit einem Glacé auf der Holzterrasse: Unsere Badis bieten allen ein Vergnügen nach eigenem Gusto – nur mit Waschlappen habe ich zum Glück schon länger niemanden mehr in der Limmat gesehen.
André Odermatt
Vorsteher Hochbaudepartement