Mobile Menu

Global Navigation

Vorlage im Detail

Vorlage 3: Neues Fördersystem Tanz und Theater

Ausgangslage

Wunsch nach einem flexibleren Fördersystem

Die Stadt Zürich unterstützt aktuell das Tanz- und Theaterangebot mit Förderbeiträgen von jährlich rund 58 Millionen Franken. Davon werden rund 52 Millionen Franken unbefristet für sieben Institutionen und rund drei Millionen Franken für jeweils vier Jahre für zehn weitere Institutionen aufgewendet. Die restlichen rund drei Millionen Franken werden an Gruppen sowie Einzelpersonen der Freien Szene vergeben («Freier Kredit»). Diese Aufteilung ist wenig flexibel und bietet neuen Ideen wenig Chancen, wiederkehrend gefördert zu werden. Zudem sind die einzelnen Fördermassnahmen unabhängig voneinander organisiert, wodurch es wenig Anreize für Kooperationen in der Tanz- und Theaterszene gibt. Das System ist historisch gewachsen und entspricht nicht mehr den Bedürfnissen der Tanz- und Theaterlandschaft, die sich in den letzten 30 Jahren stark entwickelt und verändert hat. Aus diesen Gründen wurde 2017 ein Prozess zur Erarbeitung eines neuen, zukunftsgerichteten Fördersystems angestossen.

Neues Fördersystem

Vergleich Fördersysteme
Vergleich aktuelles und neues Fördersystem – violett markiert sind jene Teile des neuen Fördersystems, die Gegenstand der vorliegenden Abstimmung sind.

Das neue Fördersystem wurde in Zusammenarbeit mit rund 70 Vertreterinnen und Vertretern von Tanz- und Theaterinstitutionen sowie Akteurinnen und Akteuren der Freien Szene erarbeitet. Die Förderung wird beweglicher und kann besser auf gesellschaftliche Entwicklungen reagieren: Zürich wächst, Zürich wird diverser und jünger. Das System beinhaltet (vgl. Abbildung):

  • einen kontinuierlichen Teil, der die bisher unbefristet unterstützten drei Produktionshäuser (Schauspielhaus Zürich, Theater Neumarkt, Theater am Hechtplatz) und vier Ko-Produktionsinstitutionen der Stadt (Gessnerallee Zürich, Tanzhaus Zürich, Fabriktheater Rote Fabrik, Zürcher Theater Spektakel) sowie künftig eine weitere, neue Institution umfasst (KJTT-Haus, ein Tanz- und Theaterhaus für Kinder und Jugendliche). Dieser Teil soll mit rund 55 Millionen Franken jährlich gefördert werden;
  • einen flexiblen Teil, bei dem im Rahmen der Konzeptförderung mit einem Rahmenkredit von jährlich 6,5 Millionen Franken Institutionen, Gruppen sowie Einzelpersonen der Freien Szene für eine bestimmte Periode unterstützt werden;
  • einen Freien Kredit von jährlich 0,55 Millionen Franken.

Im Rahmen des neuen Systems sind weitere Massnahmen geplant, die nicht Teil der vorliegenden Abstimmung sind: Es soll das erwähnte Tanz- und Theaterhaus für Kinder und Jugendliche (KJTT-Haus) aufgebaut, eine unabhängige Produktionsplattform eingerichtet und ein unkuratierter Raum unterstützt werden. Mit dieser Vorlage wird über den Rahmenkredit für die Konzeptförderung von jährlich 6,5 Millionen Franken, eine Erhöhung der Betriebsbeiträge an die Ko-Produktionsinstitutionen um jährlich 1,55 Millionen Franken und einen einmaligen Abfederungsbeitrag von 0,6 Millionen Franken für bisher unterstützte, in der Konzeptförderung aber nicht berücksichtigte Institutionen abgestimmt.

Konzeptförderung als zentrale Neuerung

Die zentrale Neuerung des Fördersystems ist die Konzeptförderung. Diese ersetzt sowohl die befristete Unterstützung von einzelnen Institutionen wie auch den Grossteil der Förderung von Gruppen sowie Einzelpersonen der Freien Szene über den Freien Kredit. Bei der Konzeptförderung können Institutionen, Gruppen sowie einzelne Tanz- und Theaterschaffende Konzepte einreichen und sich damit für mehrjährige Förderbeiträge bewerben. Die Beiträge werden für unterschiedliche Laufzeiten vergeben: sechs Jahre für Institutionen, zwei oder vier Jahre für Gruppen und Einzelpersonen. Eine unabhängige Jury beurteilt die eingereichten Konzepte. Die Jury wird durch den Stadtrat eingesetzt und soll sowohl die Fach- als auch die Publikumsperspektive vertreten. Am Schluss entscheidet der Gemeinderat über die Vergabe der sechsjährigen, der Stadtrat über die Vergabe der zwei- und vierjährigen Beiträge.

Die Einführung des neuen Fördersystems wird vorerst auf zwei Vergabeperioden (zwölf Jahre) begrenzt. Vor der dritten Vergaberunde wird das System umfassend evaluiert. Mit allfälligen Anpassungen wird es nochmals den Stimmberechtigten vorgelegt werden.

Stärkung der Ko-Produktionsinstitutionen

Die sieben Institutionen, die bisher unbefristet unterstützt wurden, sollen weiterhin unbefristete Beiträge erhalten. Zudem sollen von diesen unbefristet unterstützten Institutionen die vier Ko-Produktionsinstitutionen der Stadt (Gessnerallee Zürich, Tanzhaus Zürich, Fabriktheater Rote Fabrik, Zürcher Theater Spektakel) mehr Geld als bisher erhalten. Diese Gelder sind eine Umlagerung aus dem Freien Kredit. Sie wurden bisher durch die Stadt selber an die Tanz- und Theaterschaffenden vergeben, neu werden sie über die vier Institutionen direkt und ausschliesslich für die Förderung von Gruppen und Einzelpersonen der Freien Szene eingesetzt.

Förderung der Kooperation

Durch die Konzeptförderung und die Stärkung der Ko-Produktionsinstitutionen wird die Kooperation unter den Akteurinnen und Akteuren in der Tanz- und Theaterlandschaft der Stadt erhöht. Einerseits arbeiten sie im Rahmen der direkten Unterstützung enger zusammen, andererseits wird durch die Konzeptförderung ein Anreiz geschaffen, auch gemeinsame Ideen und Konzepte einzureichen.

Stärkere Unterstützung der Freien Szene

Das neue Fördersystem stärkt insbesondere die Freie Szene, die im bisherigen System zu wenig von der Förderung profitieren konnte. Gruppen sowie Einzelpersonen erhalten durch die Konzeptförderung die Möglichkeit auf eine langfristige und nachhaltige Unterstützung. Neue Ideen können einfacher unterstützt und so die Vielfalt in der Stadtzürcher Tanz- und Theaterlandschaft gefördert werden.

Finanzierung und Zuständigkeiten

Rahmenkredit für die Konzeptförderung

Ab 2024 soll ein jährlicher Rahmenkredit von 6,5 Millionen Franken für die Konzeptförderung zur Verfügung stehen. Für die Stadt entstehen gegenüber heute Zusatzkosten von jährlich rund 2,5 Millionen Franken. Ein Grossteil des Rahmenkredits kann durch Umlagerungen aus dem alten System finanziert werden. So werden die rund drei Millionen Franken aus der bisherigen, auf vier Jahre befristeten Unterstützung von Institutionen und rund eine Million Franken aus dem bisherigen Freien Kredit für die Konzeptförderung aufgewendet.

Die Förderbeiträge sollen erstmals ab 2024 vergeben werden. Der Gemeinderat entscheidet jeweils vor Beginn einer sechsjährigen Förderperiode, welcher Teil der 6,5 Millionen Franken für sechs Jahre an Institutionen und welcher für zwei oder vier Jahre an Gruppen sowie Einzelpersonen vergeben wird. In der 1. Förderperiode von 2024 bis 2029 sollen 60 Prozent für sechsjährige und 40 Prozent für zwei- und vierjährige Förderbeiträge aufgewendet werden.

Um die wirtschaftliche Situation von Institutionen zu überbrücken, die bisher eine vierjährige befristete Unterstützung erhalten haben, bei der ersten Ausschreibung der Konzeptförderung aber nicht berücksichtigt werden, soll ein einmaliger Abfederungsbeitrag von 0,6 Millionen Franken bewilligt werden. Damit können die betroffenen Institutionen während zwei weiteren Jahren unterstützt werden.

Erhöhung Unterstützung Ko-Produktionsinstitutionen

Die Unterstützung der Ko-Produktionsinstitutionen wird jährlich – durch Umlagerungen von Fördergeldern aus dem bisherigen «Freien Kredit» – um insgesamt 1,6 Millionen Franken erhöht, wovon 1,55 Millionen Franken Teil der vorliegenden Abstimmung sind. Die restlichen 50 000 Franken fallen auf das Zürcher Theater Spektakel. Da es sich dabei um einen Teil der Stadtverwaltung handelt, wird die Erhöhung des Budgets separat beschlossen.

Die 1,55 Millionen Franken sind zweckgebunden und wie folgt aufgeteilt:

Zweckgebundene Beiträge

InstitutionAktueller Betriebsbeitrag Stand 2019 in FrankenErhöhung zweckgebundene Beiträge in FrankenNeuer Betriebsbeitrag ab 1.1.2024 in Franken
Gessnerallee Zürich2 136 700+ 690 000= 2 826 700
Tanzhaus Zürich877 200+ 430 000= 1 307 200
Rote Fabrik*3 216 100+ 430 000= 3 646 100
Total Umverteilung + 1 550 000 

* Die zweckgebundenen Beiträge an das Fabriktheater Rote Fabrik werden dem Betriebsbeitrag an die Rote Fabrik zugeschrieben.

Die Betriebsbeiträge enthalten keine Mietkosten. Im Antrag müssen diese aber aus rechtlichen Gründen als Gesamtbeiträge gemeinsam mit den bereits bewilligten Mietzinsbeiträgen bewilligt werden.

Was ist die «Freie Szene»?

Die Freie Szene basiert im Tanz und Theater auf einem Produktionsmodell, bei dem Gruppen oder Einzelpersonen in inhaltlicher und finanzieller Eigenverantwortung Projekte realisieren. Dies tun sie meist in Zusammenarbeit mit Tanz- und Theaterinstitutionen, die kein eigenes Ensemble haben. Mit dieser Art der Produktion ist ein grosses Mass an künstlerischer Unabhängigkeit und Selbstbestimmung, aber auch ein hohes finanzielles Risiko verbunden.

Minderheitsstandpunkt der FDP-Fraktion

Volk und Gemeinderat dürfen nicht umgangen werden

Für die FDP schafft die Vorlage eine Zweiklassengesellschaft zwischen den Institutionen. Die grösseren Institutionen werden in einem kontinuierlichen Teil mit mehr Subventionen ausgestattet und gestärkt, während die kleineren Institutionen zusammen mit den Kulturschaffenden der Freien Szene in einem flexiblen Teil geschwächt und einer grossen Unsicherheit ausgesetzt werden. Zudem schränkt die Vorlage für die FDP die Stimme des Volks – und damit die Stimme des Publikums – bei der Vergabe der zukünftigen Fördergelder zu stark ein. Der Gemeinderat dürfte zukünftig nur noch über die Fördergelder der Institutionen mit sechsjähriger Förderung entscheiden, nicht aber über die Fördergelder der vier- und zweijährigen Förderung. Diese Kompetenz läge neu voll und ganz beim Stadtrat.

Kritisch betrachtet die FDP auch den Zeitpunkt der vorgesehenen Einführung der neuen Konzeptförderung. Die Institutionen und Kunstschaffenden des flexiblen Teils sehen in der herrschenden Pandemie-Zeit einer unsicheren finanziellen Zukunft entgegen. Noch ist nicht klar, wann Theater wieder im ursprünglichen Zustand stattfinden kann. Es wird deshalb kaum möglich sein, bereits jetzt verbindliche Konzepte für die nächsten vier bis sechs Jahre zu erstellen.

Minderheitsstandpunkt der SVP-Fraktion

Kostspielige Entmündigung

Die von der Stadt durchgeführte Studie zur Zürcher Tanz- und Theaterlandschaft sollte eigentlich aufzeigen, in welchen Bereichen ein Überangebot oder Doppelspurigkeiten vorhanden sind. Stattdessen soll nun aber der Kulturapparat weiter aufgebläht und der Gemeinderat entmündigt werden.

Mehr Geld …

Mit Befremden nimmt die SVP zur Kenntnis, dass sich der Stadtrat für die teuerste der vier vom österreichischen Consulting Büro ICG vorgeschlagenen Konzeptvarianten entschieden hat. Galt die «Budgetneutralität» im Zwischenbericht einst noch als eine der «Leitplanken der Konzeption», wurde diese im Schlussbericht insofern relativiert, als dass sie sich nur «auf wiederkehrende Gelder, nicht auf einmalige Investitionen» beziehe. In einem letzten Schritt wurde nun auch diese eingeschränkte Variante verworfen, und so plant der Stadtrat inzwischen mit nicht weniger als 2,5 Millionen zusätzlichen Franken in Form von jährlich wiederkehrenden Ausgaben! Der Stadtrat rechnet für die nächsten Jahre mit Ausfällen von mehreren hundert Millionen Franken. Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, um nicht zwingend notwendige zusätzliche Ausgaben zu tätigen.

… weniger Mitsprache

Die erhöhten Subventionen soll der Stadtrat in Zukunft am Gemeinderat vorbei in eigener Kompetenz an die verschiedenen Häuser verteilen dürfen. Pro forma lässt er seine Entscheide von einer von ihm selbst eingesetzten Jury absegnen. Diese ist an strenge, vom Stadtrat selbst erstellte Kriterien gebunden. Der entmündigte Gemeinderat soll nur noch beschränkt Einfluss auf die Tanz- und Theaterlandschaft der Stadt Zürich nehmen dürfen. War das staatlich subventionierte Theaterangebot bis anhin immerhin auf 125 Gemeinderätinnen und -räte aus den verschiedensten Interessengruppen und Schichten abgestützt, soll dieses neu zum grössten Teil vom neunköpfigen Gremium des Stadtrats definiert werden.

Ein weiteres Erdbeben

Der Corona-Lockdown hat die Tanz- und Theaterlandschaft wie ein brutales Erdbeben erfasst. Die Theater wissen nicht, wann und in welcher Form sie ihre Türen wieder öffnen dürfen. Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, um mit der Einführung eines Paradigmenwechsels in der Kulturförderung die Häuser noch einmal zu erschüttern. Wie soll eine Theaterleitung ein Konzept für die nächsten sechs Jahre schreiben, wenn es noch nicht einmal weiss, wie die nahe Zukunft aussieht?

Antrag

Weitere Informationen