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Kunst-Newsletter Bodmerfresken

Paul Bodmer: Fresken im Fraumünsterkreuzgang, 1921–1941

Seit Kurzem erst sind die Gerüste im Fraumünsterkreuzgang abgebaut und die Sicht auf die drei Bilderzyklen von Paul Bodmer ist wieder frei: Der gerade frisch gereinigte und restaurierte Freskenzyklus gilt als das Hauptwerk des Zürcher Künstlers Paul Bodmer (1886–1983). Erstmals wurden die Fresken in langjähriger Arbeit auch systematisch kartiert, sodass der Zustand der sensiblen Wandbilder in Zukunft überwacht und erhalten werden kann. Ein guter Moment, um einen genaueren Blick auf die bekannten Wandbilder und ihre lange Entstehungsgeschichte zu werfen.

Die Fresken im Fraumünsterkreuzgang entstanden in drei Etappen über einen Zeitraum von rund zwanzig Jahren hinweg. Paul Bodmer hatte den Wettbewerb, der 1921 von der Zürcher Stadtregierung im Rahmen des Programms zur Arbeitsbeschaffung für «notleidende Künstler» ausgeschrieben worden war, zusammen mit Otto Baumberger gewonnen. Nachdem Baumbergers ausgearbeitete Entwürfe auf Ablehnung gestossen waren − und da man einen einheitlichen Gesamteindruck anstrebte −, entschied eine zweite Jury, dass Paul Bodmer die Fresken alleine ausführen solle.

Die Ausführung war in klassischer Al-fresco-Technik vorgesehen, dem Einarbeiten von Pigmenten in noch feuchten Kalkputz, was zu dieser Zeit hierzulande kaum ein Künstler mehr beherrschte. Bodmer hatte sich in Italien mit dieser Technik vertraut gemacht. Es zeigte sich jedoch, dass die Farben zu schnell trockneten und er bald «al secco» malen musste.

1. Etappe: Gründung der Abtei durch Hildegard und Berta

Gründung der Fraumünsterabtei: Ein Hirsch weist den Königstöchtern den Weg an die Limmat.

Das Bildprogramm war mehr oder weniger vorgegeben und sah die Darstellung der Legenden um die Gründung der Fraumünsterabtei vor. An erster Stelle dachte man an ein Bild der Königstöchter, die ein Hirsch mit leuchtendem Geweih von ihrer Burg Baldern auf dem Albis durch den Wald zur Limmat geleitet. Bodmer erfüllte diese Vorstellung perfekt. Er widmete sämtliche Bildfelder in der Vorhalle dem frommen Leben von Hildegard und Berta, den Töchtern Ludwigs des Deutschen, die 865 an dem Ort, den der wunderbare Hirsch ihnen gezeigt hatte, ein geistliches Stift gründeten. Die erste Etappe wurde 1928 abgeschlossen. Der Stadtrat war so begeistert wie die Fachwelt. Für den Kunsthistoriker Walter Hugelshofer gehörten diese Fresken schon «zu den erstaunlichsten Leistungen, die in den letzten Jahren auf künstlerischem Gebiet in unserem Lande entstanden sind.»[1]

2. Etappe: Leben und Martyrium der Stadtheiligen

Die Gefangennahme der Stadtheiligen.

Unangefochten konnte Bodmer die zweite Etappe in Angriff nehmen. In den acht Bildfeldern im gotischen Kreuzgang stellte er Szenen aus dem Leben der Zürcher Stadtheiligen Felix und Regula dar. Felix soll Ende des 3. Jahrhunderts der legendären Thebäischen Legion angehört haben. Er kam mit seiner Schwester Regula und dem Gefährten Exuperantius nach Zürich, um das Christentum zu verkünden. Hier wurden ihnen auf Befehl des römischen Statthalters Decius die Köpfe abgeschlagen. Doch siehe, die enthaupteten Leiber richteten sich auf, nahmen die Köpfe in die Hände und begaben sich zu ihrer Grabstätte, über welcher später das Grossmünster errichtet wurde.

Die Hingerichteten gehen zur Grabstätte.

Paul Bodmer schildert das Leben der Stadtheiligen bis zu ihrem Martyrium und darüber hinaus bis zur Verkündigung ihres wunderbaren Wirkens durch Nachgeborene. Die Exekution selbst hat er ausgelassen.
1914 hatte Bodmer mit stilisierten Aktfiguren in seinen Fresken für das Universitätsgebäude einen solchen Skandal erzeugt, dass er sie übermalen musste. In den 1920er-Jahren war er aber bereits zu einer idealistisch-vergeistigten Malerei gelangt. In seinen ersten Fresken im Fraumünsterdurchgang, ziemlich spröden, farblich zurückhaltenden Wandbildern, lehnt er sich deutlich an spätgotische Kunst an. Die Zeichnung dominiert die eigentliche Malerei, die lediglich in Naturausschnitten, vor allem Gräsern und Blättern, sinnlich wird. Wo diese fehlen, wird es arg trocken, sind die Klosterfrauen, die im Zentrum der gemalten Legenden stehen, doch wenig differenziert. Im Zyklus der Stadtheiligen wird die Farbe intensiver, steht ein blutiges Rot für die verhalten geschilderte Dramatik der Geschichte.

3. Etappe: Das gerechte Wirken Karls des Grossen

Die Schlange dankt Kaiser Karl für ihre Rettung mit einem Ring.

Die dritte und letzte Etappe, die Ausmalung der Wände im romanischen Kreuzgang, beginnt Bodmer 1937. Auf vier Bogenfeldern an der Querhauswand wird die Legende von Karl dem Grossen und der Schlange erzählt. Sie preist den Gerechtigkeitssinn des Kaisers, der einer in Not geratenen Schlange zu Hilfe eilt, die ihm zum Dank einen Ring in seinen Becher legt. 

Auf den einander gegenüberliegenden, zehn Meter breiten Hochwänden im Innern des Kreuzgangs ist die Gründung der Stiftsschule durch Karl den Grossen und die Überführung der Reliquien von Felix und Regula ins Fraumünster dargestellt. In diesen personenreichen, friesähnlichen Fresken ist die Farbe wie bei einer Grisaille-Malerei[2] zurückgenommen; man könnte auch von kolorierten monumentalen Zeichnungen sprechen.
Im Gegensatz zu den vorherigen Fresken, namentlich dem ersten Zyklus, in dem die Protagonistinnen und Protagonisten einem Stereotyp entsprechen, sind die Figuren hier individuell herausgearbeitet. Nur sind sie in so hoher Höhe angebracht und so wenig kontrastreich, dass man sie nicht wirklich entschlüsseln kann.

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Wunderbare Entrücktheit

Auch wenn die Kunstkritik immer wieder die Einheitlichkeit dieser Fresken gelobt hat, sind die einzelnen Etappen doch so verschieden, dass man unterschiedliche Künstlerhände vermuten könnte. Das gilt sowohl für die Zeichnung als auch für ihre Farbigkeit. Der dritte Teil des Zyklus wurde im Dezember 1941, mitten im Zweiten Weltkrieg, eingeweiht. Die Begeisterung war enorm und einhellig, die Zustimmung kam von rechts bis links. Das von der Stadt Zürich in Auftrag gegebene Monumentalwerk wurde weitherum als Frucht eines starken Gemeinsinns begrüsst. Das sozialdemokratische Volksrecht sprach von einem «Werk des Friedens aus begnadeter Künstlerhand». Niemand könne sich «dem ungewöhnlich starken Eindruck der Fresken» entziehen, die den Fraumünsterkreuzgang zu einer «europäischen Sehenswürdigkeit» erheben würden. Paul Bodmers Kunst würde auch «vom einfachen Volk verstanden».[3] Achtzig Jahre später fasziniert neben einzelnen Details nicht zuletzt die eigentümliche Entrücktheit der Darstellungen.

Zeitgenössisches Denkmal für die letzte Äbtissin

Für die Auseinandersetzung mit künstlerischen Interpretationen und Darstellungen historischer Ereignisse oder Persönlichkeiten bietet sich im Hof des Fraumünsters noch eine weitere Gelegenheit. Das Denkmal für Katharina von Zimmern (1478–1547), das die Künstlerin Anna-Maria Bauer 2004 geschaffen hat, würdigt das Leben und Wirken der letzten Äbtissin von Zürich mit einer zeitgenössischen, abstrakten Kupferplastik: Aufeinandergeschichtete Kupferblöcke nehmen die Form der Quadersteine der Kirchenmauer auf und weisen so auch auf Katharina von Zimmerns Verdienste in der Erneuerung und Erweiterung des Klosters hin.

Um der unterschiedlichen Auseinandersetzung und Lesbarkeit der beiden Werke den entsprechenden Raum zu schaffen, haben die Landschaftsarchitekten Raderschall Partner AG eine Neugestaltung für den Hof des Fraumünsters entwickelt, die voraussichtlich 2023 umgesetzt wird. 

Nach einem Text von Caroline Kesser, Februar 2022
Gekürzt und ergänzt von Christiane Rekade Previdi
Foto: Stefan Altenburger / Fachstelle Kunst und Bau Stadt Zürich

[1] Das Werk, Bd. 15, 1928, Heft 5, S. 129.
[2] Malerei in grauen Farbtönen
[3] Volksrecht, 17. Dezember 1941.

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