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Porträt Vincent Kohler

Vincent Kohlers schlagkräftige Kunst

 Vincent Kohler mit seinen gedrechselten Baseballschläger.
Vincent Kohler und die «Bats», Foto: Geoffrey Cottenceau

«Turnaround» heisst das mehrteilige Projekt von Vincent Kohler für die Sportanlage Heerenschürli. Es ist eines von vier Projekten von Kunst und Bau für die Anlage in Schwamendingen, mit denen ein lebendiges Miteinander von Sport und Kunst in Gang gesetzt wird. Der Westschweizer Künstler nimmt sich mit Witz und Tiefgang populärer Mythen an und schreckt weder vor den Abgründen des Kitsches noch vor den Ikonen der Kunst zurück.

 Hölzernen Kommode mit teilweise geöffneten Schubladen und Türen.
«Chuchichäschtli», 2004, Bois, mécanique, éléctronique, 170x180x50cm

In amerikanischen Haushalten gehört der Baseball-Schläger zum Inventar. Manche Filme haben diesen uramerikanischen Sport als solchen gefeiert, andere setzen das Sportgerät als Schlagwaffe zur Steigerung des Suspense ein. Vincent Kohler hat aus den Baseball-Schlägern Kunstobjekte gemacht, die aber immer noch für den Sport taugen. Davon kann man sich überzeugen am Schaumatch, der am Samstag 21. Mai in der Sportanlage Heerenschürli über die Bühne geht. Nach Kohlers Entwürfen werden Drechsler zunächst vor Ort in einer Demonstration für das Publikum einige der Schlagstöcke anfertigen, die dann in den Händen der gefürchteten Batters der Zürich Barracudas ihre Schlagkraft als Kunstobjekte wortwörtlich beweisen. Der Schaumatch ist Teil des Projekts «Turnaround», mit dem Kohler in einem Wettbewerb von Kunst und Bau reüssiert hat.

Auf seinen Reisen in die USA und besonders an der Westküste fühle er sich wie ein Kind, das tausend Dinge entdecke, sagt der 1977 geborene Vincent Kohler. Er liebe es, stundenlang durch die Wüste zu fahren, und er verstehe, dass an diesen Orten Utopien entstehen könnten. Dieses Umfeld hat Kohler zu Werken inspiriert, die mit Versatzstücken der amerikanischen Kultur spielen. Neben Baseball-Schlägern finden sich bei ihm Cowboy-Stiefel aus Beton oder etwa ein überdimensionierter Wüsten-Kaktus, den er in den Schwarzwald versetzt hat.

Vincent Kohler wird mit seinem Hang zu populären Mythen aber nicht nur in Amerika fündig. Den Eidgenossen mit ihrer Freude am «Bräteln» hat er mit der Freilichtskulptur von mannsgrossen, naturalistischen Cervelats ein Denkmal gesetzt. Und das «Chuchichäschtli» wird bei ihm zur hölzernen Kommode, deren Türen nach einem Zufallsprinzip auf- und zuschlagen.

Skulptur einer mannsgrossen Cervelat
«Cervelas» 2008, Polystyrène, résine, 110 x 100 x 230 cm, Foto: FAP – Arnaud Conne

Damit scheint ein weiteres zentrales Element im Schaffen des in Lausanne wohnhaften Künstlers auf: Der Rhythmus. Viele seiner skulpturalen Werke tönen. Sie geben einen eigenen Sound von sich oder pulsieren als Lichtinstallation nach einem rhythmischen Muster. Kohler selber ist Schlagzeuger und spielt bei der Band «Kunst» mit. Das Sampeln und Remixen zeichnet seine künstlerische Strategie aus: Er setzt bekannte kollektive Phänomene, visuelle Codes und akustische Muster anders zusammen und akzentuiert sie dadurch neu. Vincent Kohler damit in die Nähe der Pop-Art zu rücken ist sicher nicht falsch, allerdings lassen sich bei ihm vielfältigste Anleihen überall in der U- und E-Kultur ausmachen und er macht auch vor einem Malerfürsten wie Kasimir Malewitsch nicht Halt: Eine Collage aus farbigen Klebestreifen auf einer Trommel ist lesbar als Hommage an die suprematistische Malerei. Wo die Pop-Art und ihre Vertreter bis an die Schmerzgrenze des Kitsches und Kommerzes gegangen sind, bewahren sich Kohlers Figuren eine unfassbare Doppeldeutigkeit. Zwar mögen die «battes» von Vincent Kohler zunächst einfach spassig anmuten. Die ganze Aktion aber mit den vor Ort werktätigen Drechslern, dem dazugehörigen Buch und einer vorgesehenen Tournee der Kunst-Baseball-Schläger verrät einen konzeptuellen Sinn. Mit «Turnaround» schlägt Vincent Kohler eine Brücke von der Kunst in den Sport und umgekehrt, indem er die Rituale und Riten des Sports und der Kunst verbindet. Die Schläger etwa nehmen als Kunstobjekte den Fetischcharakter einer Siegestrophäe an. Tatsächlich wird das Projekt und dessen Ausführung bei Vincent Kohler nicht zur abstrakten Kopfübung, sondern zu einem lustvollen Spektakel – ganz à l'américaine.

Claudia Pantellini

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