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Kunst-Newsletter: «Wand Ding»

El Frauenfelder, «Wand Ding», 2020: «Ein Lichtraum – kein Illusionsraum»

«Wand Ding»: Raffiniertes Spiel mit der Umgebung.

El Frauenfelder hat in ihrem bisherigen Schaffen immer wieder Bilder zerschnitten, diese Bruchstücke in neue Bilder eingebracht und zu Collagen geschichtet. Manche haben über ihre Begrenzung hinausgegriffen, sei es, dass der Rand im Bild selbst malerisch vollzogen wurde, sei es, dass die collagierten Bilder ohne Keilrahmen direkt an einer Wand befestigt wurden und so in ihre Umgebung wiesen. Wie würde sich El Frauenfelders überzeugende künstlerische Perspektive auf der grossflächigen Brandmauer der neuen Wohnsiedlung ausnehmen?

Von nah zeigt sich die reliefartige Struktur.

Ausgegangen ist die Künstlerin von einer kleinen, etwa 15 x 15 cm messenden Collage, die sie, um Anschaulichkeit zu gewinnen, in ein digital generiertes Bild der geplanten Überbauung einbrachte. Heute prangt an der Bullingerstrasse ein riesiges Bild von 12,8 x 14,3 Metern an der Brandmauer, die die neuen Wohnhäuser gegen die Schrebergärten hin abgrenzt. Blickt man aus Distanz über das Grün der Gärten hinweg auf El Frauenfelders «Wand Ding», bemerkt man, wie dieses über seinen Rand hinaus wirkt. Erstaunlich selbstverständlich fügt sich das Werk in die Umgebung ein: In den Fenstern der neuen Wohnsiedlung schillern die rötlichen Farben des Gemäuers der älteren Wohngebäude nebenan. El Frauenfelders Werk scheint diese Farbtöne aufzugreifen. Tritt man näher zur Brandmauer, offenbart das «Wand Ding» dann aber ganz eigene Facetten: Man erkennt die Tiefe des Bildes, seine reliefartige Struktur und realisiert, dass da vielschichtige Übersetzungsarbeit geleistet wurde bei der Übertragung der kleinen Collage auf die grosse Hauswand.

Aufwändige Umsetzung

Die Maquette vom «Wand Ding».

Wie konnte die Collage auf die grosse Wand gebracht werden, so dass die Monumentalität der Flächen erfahrbar wird und das «Wand Ding» doch seine Skizzenhaftigkeit bewahren kann? Und wie war zu erreichen, dass das Bild nicht einfach statisch wirken würde, sondern eine visuelle Dynamik entfaltet – gerade im Wechsel des Tageslichts sowohl bei Sonne als auch bei Regen? El Frauenfelder suchte Fachkräfte, die wussten, wie ihre Vision umzusetzen war. Fündig wurde sie im Zürcher «Haus der Farbe», der Fachschule für Gestaltung in Handwerk und Architektur. David Keist, der Abteilungsleiter Handwerk und Material, hat die Vorstellungen der Künstlerin aufgegriffen und die technischen und handwerklichen Möglichkeiten der Umsetzung evaluiert. «Die Herausforderungen waren nicht einfach mit industriellen Standards und entsprechenden Garantien zu meistern. Es galt, eine passende Lösung zu finden», sagt David Keist. Mit fünf verschiedenen Putzarten (glatt, porös, höckrig, schollig, gerillt) sollte der geschichtete Charakter der kleinen Collage auf der Brandmauer nachvollzogen werden. «Die Umsetzung war herausfordernd und aufwändig», erinnert sich Keist. 

Gipser Marco Kaelin erstellt die Maquette des Reliefs.

Mit einer vom Gipser Marco Kaelin (Giovanni Russo AG) gefertigten Maquette von immerhin 3 x 6 Metern ist die komplexeste Stelle des Reliefs simuliert und getestet worden. Bis 15 Millimeter heben sich die übereinander angeordneten Flächen der Verputze voneinander ab. Zur Umsetzung auf die Brandmauer war die Collage dreimal in präzis skalierter Grösse zu übertragen. Die durch den reliefartig geschichteten Malgrund entstehenden Spannungen mussten durch ein zusätzlich eingebrachtes Netz ausgeglichen werden. Und mit angeschrägten Putzrändern wurde sichergestellt, dass das Regenwasser gezielt abfliesst. So werden Schadstellen am Relief vermieden. Witterung und Feinstaub werden mit der Zeit gleichwohl für eine Patina sorgen.

Der farbige Lichtraum entsteht.

Bei der Arbeit an der Maquette hatte El Frauenfelder zu den südländisch wirkenden rötlichen Farbtönen gefunden. Während eines Monats machte sie sich sodann mit ihrem assistierenden Freund Peter Maurer daran, ihr Bild auf dem von Fachkräften sorgfältig vorbereiteten Relief mit Silikatfarben zur Wirkung zu bringen. «Mir war wichtig, dass ein lebendiger, sich verändernder Lichtraum entsteht, und kein Illusionsraum», sagt die Künstlerin. Darum findet man auch keine figurativen Elemente, wie man sie aus manchen ihrer Bilder kennt. Man mag die geometrischen Flächen in Gedanken zu einem Haus fügen, man mag die rötliche Farbe als Hinweis auf El Frauenfelders Verständnis vom «Haus als Erweiterung des Körpers» lesen. Mit Sicherheit aber ist das «Wand Ding» ein vielschichtiges Kunstwerk, erschaffen durch den raffinierten Umgang mit den gleichen kargen Mitteln, die bei jeder Wand zum Einsatz kommen: Putz und Farbe. Und ein Werk, das hier vollkommen in sich selber aufgehoben ist: als Wand. Erstaunlich, was so ein Ding alles vermag.

Text: Peter Schneider
Foto: Georg Aerni (2), El Frauenfelder/Peter Maurer (3), Haus der Farbe (1)

Aufbau des Reliefs mit fünf verschiedenen Putzarten.

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