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Interview mit Markus Schwander und Andreas Fiedler

Was braucht es, damit Kunst und Bau einen Mehrwert für das Gebäude und die darin tätigen Menschen hervorbringt? Ein Gespräch mit dem Kurator Andreas Fiedler und dem Künstler Markus Schwander. Andreas Fiedler setzt auf die Potenz der einzelnen Kunstwerke bei seinem Konzept für die Kunst im neuen Gebäude der OIZ. Markus Schwander hat dafür eine 18-teilige Skulptur geschaffen und formuliert den Anspruch, dass seine Werke die Betrachterinnen und Betrachter immer wieder neu anzuregen vermögen.

Variationen eines Kaugummis schaffen ein Memory in 3-D: «Der Dreh» von Markus Schwander, 2012, Polymer-Gips, lackiert – Bild eines Modells für den Lichthof.
Portraitfoto Markus Schwander
Künstler Markus Schwander

Markus Schwander, Ihre kaugummiartigen Skulpturen fallen beim Betreten der OIZ sofort auf. Der Kaugummi hat einen grossen Stellenwert in Ihrem skulpturalen Schaffen – über Jahre hinweg. Was fasziniert Sie so an Kaugummis, dass Sie sich ihnen immer wieder widmen?

Markus Schwander: Ja, ich arbeite seit einigen Jahren unter anderem mit gekauten Kaugummis als Vorlage. Beim Kauen entstehen hochkomplexe Formen, die sich erst zeigen, wenn der Kaugummi ausgespuckt ist. Bewegung und Druck haben dann eine Form geschaffen. Ich habe viele Kaugummis aufbewahrt, sie sind eine Art Skizzenbuch. Wenn ich einen auswähle und damit arbeite, untersuche ich seine Form. In diesem Prozess wird der Kaugummi vergrössert. Die Dimension der entstehenden Skulptur im Verhältnis zum menschlichen Körper und zur Umgebung spielt eine wesentliche Rolle. Grössenverhältnisse sind ein grundlegendes Thema der Skulptur. Im Unterschied zu einem Bild abstrahieren wir weniger, wir vergleichen das skulpturale Gegenüber direkt mit unserer eigenen Masse. Die dreidimensionale Skalierung, egal ob Vergrösserung oder Verkleinerung, schafft ein Modell und erlaubt so eine andere Sichtweise auf den Gegenstand.

 

Variationen eines Kaugummis schaffen ein Memory in 3-D: «Der Dreh» von Markus Schwander, 2012, Polymer-Gips, lackiert – Bild eines Modells für den Lichthof.
Ein ausgewählter farbiger Kaugummi aus der Sammlung des Künstlers wird im Atelier von Markus Schwander vergrössert umgesetzt.

Was galt es bei der Arbeit für die OIZ besonders zu berücksichtigen – oder sind Kaugummis überall einfach die gleichen Kaugummis?

Künstlerische Arbeit ist ja nicht Problemlösung. Eher geht es darum, zu entdecken, welches Potenzial ein Raum hat. Wo kann ein Erlebnis entstehen? Die Situation mit den zwei Stockwerken, in denen das Volumen des Raumes wiederholt wird, getrennt, aber durch den Lichthof visuell verbunden, bietet mir die Möglichkeit für ein Spiel mit der Wahrnehmung dreidimensionaler Formen. Ausgehend von der immer gleichen Vorlage, einem einzelnen gekauten Kaugummi, entstehen verschiedene voll – und halbplastische Skulpturen, die, wenn sie gedreht werden, kaum als gleiche Formen identifiziert werden können. Es ist eine Art Memory, bei dem nicht die Bilder aufgedeckt werden, sondern der Betrachter sich zur Auflösung umdrehen und wo er umhergehen muss.

 

Portraitfoto Andreas Fiedler
Kurator Andreas Fiedler

Claudia Pantellini: Andreas Fiedler, Sie haben Markus Schwander für einen Direktauftrag in der OIZ vorgeschlagen und zwei weitere, bestehende Arbeiten von Darren Almond und Alfredo Jaar. Was hat Sie beim kuratorischen Konzept geleitet, was war Ihnen wichtig?

Andreas Fiedler: Das Konzept besteht grundsätzlich aus zwei Teilen: Einerseits erarbeitet ein nach der Analyse der Ausgangslage mit einem Direktauftrag gezielt ausgesuchter Künstler eine umfassende künstlerische Intervention, die ganz spezifisch auf die räumlichen Gegebenheiten reagiert. Andererseits werden sorgfältig ausgewählte Arbeiten einzelner Künstler an zwei prominenten Standorten im Gebäude platziert. Während die speziell für diesen Kontext konzipierte Arbeit in den öffentlich zugänglichen Bereichen des Gebäudes als verbindendes und wohl auch prägendes Element wahrgenommen werden kann, markieren die beiden Einzelarbeiten an ihren jeweiligen Standorten prägnante Positionen, die in ihrer konzeptuellen Schärfe ein komplexes Assoziationsfeld öffnen. Mir war wichtig, dass sich die Kunst in der OIZ durch eine hohe Dialogfähigkeit auszeichnet. Dies gilt sowohl für die sinnlichen, auf Wahrnehmungsfragen und Erinnerung zielenden Skulpturen von Markus Schwander als auch für die beiden Konzeptarbeiten von Alfredo Jaar und Darren Almond.

Sie haben mit Markus Schwander, Alfredo Jaar und Darren Almond künstlerische Positionen ausgewählt, die auf den ersten Blick nicht viel verbindet. Gibt es dennoch ein verbindendes Moment in dieser Auswahl?

Diese Auswahl zielte nicht auf inhaltliche Verbindungen oder thematische Gemeinsamkeiten, die sich ja oft nur mit abenteuerlichen Herleitungen konstruieren lassen. Viel wichtiger war mir, dass die Arbeiten an allen Standorten in einer vielschichtigen und künstlerisch selbstbewussten Art und Weise auf den gegebenen Kontext antworten. Alle drei Künstler sind in der OIZ mit für ihr künstlerisches Schaffen repräsentativen und herausragenden Arbeiten vertreten. Auf diese Potenz der Kunstwerke vertraue ich: Die Arbeiten werden für Nutzerinnen und Nutzer sowie Besucherinnen und Besucher an den spezifischen Standorten als Denk- und Reflexionsräume funktionieren.

Die Künstlerauswahl für die OIZ musste dem Beurteilungsgremium vorgestellt werden. Mitarbeitende des OIZ, die Architekten sind darin vertreten und mussten überzeugt werden. Wie haben Sie, Andreas Fiedler, diese Situation erlebt?

Solche Situationen, die ich ja in unterschiedlichsten Kontexten und Funktionen immer wieder antreffe, sind für mich grundsätzlich stets aufschlussreich und für das gesamte Verfahren absolut entscheidend. Wenn Kunst den institutionellen Rahmen verlässt und sich im öffentlichen Raum – hier im Neubau OIZ – behaupten muss, hat sie ihre bereits erwähnte Dialogfähigkeit unter Beweis zu stellen. Deshalb sind diese Gespräche mit allen Beteiligten so wichtig. Auch im konkreten Fall wurde in den Sitzungen viel diskutiert und einiges durchaus mal in Frage gestellt. Aber diese Auseinandersetzungen waren immer weiterführend und für das Ergebnis relevant. Gute Kunst lässt sich vermitteln – das war auch hier so.

Markus Schwander, wo liegen für Sie als Künstler die speziellen Herausforderungen bei einer Kunst-und-Bau-Intervention?

Markus Schwander: Vielleicht ist die grösste Herausforderung, sich nicht irritieren zu lassen durch die Ansprüche und Erwartungen von den unterschiedlichsten Seiten. Denn am Schluss soll etwas entstehen, das erstaunt und anregt, das sich einem Ort nicht anbiedert, sondern auch fremd sein kann. Mein Anspruch an mich ist, dass ich eine Werkkonstellation entwerfe, die möglichst lange Zeit interessant bleibt. Ich möchte die Möglichkeiten bieten, dass die Nutzerinnen und Nutzer auch beim elften Vorbeigehen noch angeregt werden, dass die Skulpturen in unterschiedlichen Lichtverhältnissen, aber auch mit verschiedenen persönlichen emotionalen Stimmungen wahrgenommen werden können. Denn als grösste Chance von Kunst-und-Bau-Interventionen betrachte ich die Dauer ihrer Präsenz, und dass deswegen die Begegnung mit dem Kunstwerk über Jahre wiederholt werden kann.

Andreas Fiedler und Markus Schwander haben die Fragen von Claudia Pantellini schriftlich beantwortet.

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