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Nicht für Damen!

Bilder und Texte um die «Physiologie der Ehe» von Honoré de Balzac

Plakat zur Ausstellung. Grafik: Uz Hochstrasser

18. September – 24. November 2002

Eine Ausstellung des Strauhofs in Zusammenarbeit mit der Maison de Balzac, Paris.
Die Maison de Balzac hat eine frühere Version der Ausstellung unter dem Titel « La Femme – mode d’emploi » 1999 zum 200. Geburtstag von Honoré de Balzac gezeigt.

Einleitung

1829 erscheint das Buch eines jungen Schriftstellers: "Physiologie der Ehe oder Philosophisch-eklektische Betrachtungen über Glück und Unglück der Ehe, veröffentlicht von einem jugendlichen Junggesellen".
Was vordergründig als eine Sammlung von Ratschlägen an Ehemänner auftritt, die sich vor dem Ehebruch ihrer Frau fürchten, ist tatsächlich eine Analyse der bürgerlichen Ehe und ein Eintreten für die Würde der Frau.
1831 schreibt Balzac an Madame de Castries: «Die Physiologie, Madame, wurde mit dem Ziel geschrieben, die Frauen zu verteidigen. [...] So ist der Sinn meines Buches, für alle von den Frauen begangenen Fehler ihre Männer verantwortlich zu machen. Es ist eine einzige Absolution – und ich reklamiere die natürlichen und unwandelbaren Rechte der Frau. Es gibt keine glückliche Ehe, wenn der Vereinigung nicht eine umfassende Kenntnis der beiden Partner vorausgeht, was die Sitten, den Charakter usw. betrifft, und ich bin vor keiner Konsequenz zurückgeschreckt, welche aus diesem Prinzip hervorgeht.» 

Balzac gibt vor, die Lektüre seines Buches sei für Frauen überflüssig, weil sie alles, was es enthält, schon wissen. Er stellt seinem Buch denn auch die Warnung voran: «Nicht für Damen!». Aber gerade in den Salons und Boudoirs der Frauen wurde seine Physiologie zum heiss diskutierten Gesprächsstoff, und aus ganz Frankreich trafen die Briefe begeisterter Leserinnen ein, ja sogar aus dem fernen Polen schrieb eine «Etrangère», die Gräfin Eva Hanska, die 1832 zu Balzacs lebenslanger Geliebten werden sollte.

Die Ausstellung, die 1999 in einer ersten Version zum 200. Geburtstag Balzacs im Maison de Balzac, Paris, gezeigt wurde, illustriert dessen Untersuchung der Ehe mit einer Auswahl von Lithographien von Monnier, Gavarni, Daumier, Deveria und anderen, den besten Zeichnern der Zeit. Bücher und Dokumente stellen Balzacs Essay in den Kontext seiner Zeit: Napoleons Code civil, die Sozialphilosophie Saint-Simons und die Verdammung des Skandalbuches durch die Kirche zeigen den ideologischen Rahmen, in welchen die Physiologie der Ehe eingespannt ist. Themen wie die Emanzipation der jungen Mädchen oder das Recht der Frauen auf Vergnügen erscheinen im Bild wie im Buch. Jenseits der Ironie werden Balzacs «feministische» Überzeugungen deutlich, indem er nach der Funktion der Ehe in der Gesellschaft fragt: eine Diskussion, die aktuell bleibt.

Dédicace de la Physiologie du mariage

La Femme qui, sur le titre de ce livre, serait tentée de l’ouvrir, peut s’en dispenser, elle l’a déjà lu sans le savoir. Un homme, quelque malicieux qu’il puisse être, ne dira jamais des femmes autant de bien ni autant de mal qu’elles en pensent elles-mêmes. Si, malgré cet avis, une femme persistait à lire l’ouvrage, la délicatesse devra lui imposer la loi de ne pas médire de l’auteur, du moment où, se privant des approbations qui flattent le plus les artistes, il a en quelque sorte gravé sur le frontispice de son livre la prudente inscription mise sur la porte de quelques établissements : Les dames n’entrent pas ici.La Femme qui, sur le titre de ce livre, serait tentée de l’ouvrir, peut s’en dispenser, elle l’a déjà lu sans le savoir. Un homme, quelque malicieux qu’il puisse être, ne dira jamais des femmes autant de bien ni autant de mal qu’elles en pensent elles-mêmes. Si, malgré cet avis, une femme persistait à lire l’ouvrage, la délicatesse devra lui imposer la loi de ne pas médire de l’auteur, du moment où, se privant des approbations qui flattent le plus les artistes, il a en quelque sorte gravé sur le frontispice de son livre la prudente inscription mise sur la porte de quelques établissements : Les dames n’entrent pas ici.

Honoré de Balzac
Dédicace de la Physiologie du mariage

Widmung zur ‚Physiologie der Ehe‘

Die Frau, die sich durch den Titel dieses Buches versucht fühlen sollte, es aufzuschlagen, kann sich das ersparen: Sie hat es bereits gelesen, ohne es zu wissen. Der allerboshafteste Mann wird niemals über die Frauen so viel Gutes und so viel Böses sagen, wie sie selber von sich denken. Sollte trotz dieser Vorbemerkungen eine Frau durchaus das Werk lesen wollen, so wird das Zartgefühl ihr zur Pflicht machen müssen, nicht den Verfasser zu schmähen – denn indem er auf den Beifall verzichtet, der für alle Künstler der allerschmeichelhafteste ist, hat er sozusagen auf dem Titelkupfer seines Buches die vorsichtige Inschrift eingegraben, die man zuweilen über gewissen Türen liest: „Nicht für Damen!“

Honoré de Balzac
Widmung zur ‚Physiologie der Ehe‘

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