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Sans-Papiers sind eine Realität und Teil der Gesellschaft

Medienmitteilung

Position des Stadtrats zu Sans-Papiers in Zürich

Sans-Papiers sind in Zürich eine Realität. Der Stadtrat zählt sie zur Bevölkerung und anerkennt sie als Teil der Gesellschaft. Er hält seine Grundsätze zu Sans-Papiers in Zürich in einem Positionspapier fest und benennt Massnahmen zur Verbesserung ihrer Lebenssituation. Der Stadtrat begrüsst dabei eine weiterführende Diskussion zur Stärkung einer «Urban Citizenship». Der Idee einer «Züri City-Card» steht er jedoch skeptisch gegenüber, weil die durch sie erhoffte ausländerrechtliche Schutzfunktion fraglich ist.

12. September 2018

In der Stadt Zürich leben, wohnen und arbeiten Menschen, deren Aufenthalt in der Schweiz nicht gültig geregelt ist. Wie viele Frauen, Männer und Kinder als Sans-Papiers in Zürich sind, ist nicht bekannt. Der Bund schätzt ihre Zahl auf über 10 000 Personen. Unabhängig von der Anzahl hat der Staat eine Verantwortung, was die zentralen Grund- und Menschenrechte betrifft, zum Beispiel Bildung, Gesundheit und Zugang zu Recht und Justiz.

Widersprüchliche Gesamtsituation für Sans-Papiers

Eine interdepartementale städtische Arbeitsgruppe erarbeitete eine Auslegeordnung zu den Problemen im Alltag von Sans-Papiers. Die grosse Mehrheit der in Zürich lebenden Sans-Papiers arbeitet, verhält sich möglichst unauffällig und bewegt sich in sehr kleinräumigen Netzwerken. Existenzielle Nöte wie Hunger oder Obdachlosigkeit sind selten. Viele Sans-Papiers werden aber ausgebeutet und regelmässig in ihrer Würde und Integrität verletzt. Die Arbeitsgruppe stellt eine widersprüchliche Gesamtsituation fest. Dank der pragmatischen Arbeit der Verwaltung und dem hohen zivilgesellschaftlichen Engagement zahlreicher Organisationen haben Sans-Papiers Zugang zu gewissen Grundrechten und alltagsbezogenen Dienstleistungen. Andererseits erschweren oder verunmöglichen übergeordnete Gesetze und private Zuständigkeiten den Zugang zu wichtigen Grundrechten und Dienstleistungen. Bestimmungen des nationalen und kantonalen Rechts beschränken dabei den Handlungsspielraum der Stadt Zürich stark.

Ausländerrechtliche Melde- und strafrechtliche Anzeigepflicht

Den Zugang zu Recht und Justiz liess die Stadt Zürich mit einem Rechtsgutachten abklären. Zwar ist die Prüfung des Aufenthaltsstatus zur Identitätsfeststellung einer Person gemäss Gutachten oft nicht erforderlich. Gerichte und Strafverfolgungsbehörden unterstehen aber einer spezifischen ausländerrechtlichen Meldepflicht. Polizei und Strafbehörden haben zudem die ausdrückliche Pflicht, bereits bei einem Anfangsverdacht auf illegalen Aufenthalt Anzeige zu erstatten. Von einer Meldepflicht ausgenommen sind die Bereiche Medizin, Steuern, Sozialversicherungen, Schule und Opferberatung. Gemäss Gutachten ergeben sich für die Stadt nur wenige Handlungsmöglichkeiten, um den Zugang von Sans-Papiers zu Recht und Justiz zu verbessern.

Sans-Papiers als städtische Realität und Teil der Zürcher Gesellschaft

Ausgehend von den Erkenntnissen der interdepartementalen Arbeitsgruppe und dem Rechtsgutachten hält der Stadtrat seine Grundsätze und verschiedene Massnahmen zu Sans-Papiers in Zürich in einem Positionspapier fest: Sans-Papiers sind in Zürich eine Realität, der Stadtrat anerkennt sie als Teil der Gesellschaft mit entsprechenden Rechten und Pflichten. Sans-Papiers müssen die zentralen Grund- und Menschenrechte ungefährdet wahrnehmen können. Auch sollen sie unter transparenten Bedingungen regularisiert werden können. Da die Stadt in diesen Bereichen keine eigenen Regelungskompetenzen hat, wird sich der Stadtrat in dieser Sache an den Kanton und den Bund wenden.

Im Rahmen der eigenen Möglichkeiten übernimmt die Stadt Zürich ihre Verantwortung und leistet einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensumstände von Sans-Papiers in Zürich: Der Zugang zu städtischen Dienstleistungen wird neu regelmässig überprüft und wo nötig und möglich erleichtert. Die Gesundheitsversorgung von Nicht-Krankenversicherten soll verbessert und abgesichert werden. Es gilt auch für Sans-Papiers ein umfassendes Recht auf Bildung und es wird geprüft, in welchen Fällen der ausländerrechtliche Status bei Identitätsfeststellungen der Stadt überhaupt erhoben werden muss. Ein zusätzliches Rechtsgutachten soll klären, ob und wie weit ein städtischer Ausweis dazu einen Beitrag leisten kann («Urban Citizenship»). Die Stadt ist zudem bereit, private Trägerschaften zu unterstützen, die Beratung und Information für Sans-Papiers anbieten.

«Züri City-Card» birgt Gefahr falscher Sicherheit

Im Hinblick auf die von zivilgesellschaftlichen Organisationen vorgestellte Idee einer «Züri City-Card» ist der Stadtrat der Ansicht, dass diese mit ihrem umfassenden Anspruch die Gefahr birgt, einen Teil der mit ihr verbundenen Erwartungen nicht erfüllen zu können. Namentlich die Hoffnung auf eine ausländerrechtliche Schutzfunktion ist fraglich und könnte dazu führen, dass Sans-Papiers sich in einer falschen Sicherheit wiegen.

Einer Schweizer Stadt ist es im Gegensatz zu verschiedenen Städten in den USA nicht möglich, sich zu einer Sanctuary City zu erklären. Schweizer Städte müssen geltendes Recht vollziehen und auch beim Vollzug des geltenden Ausländerrechts vollumfänglich mitwirken. Die Stadt Zürich beabsichtigt aber eine vertiefte Prüfung und ist offen für eine weiterführende Diskussion zur Stärkung einer auf die Stadt Zürich bezogenen «Urban Citizenship».