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Sommerausstellung 2014

Hans Bach zu Gast im Atelier Hermann Haller

«Mir ist bewusst, dass ich Holzfiguren und nicht Menschen mache.»

Die Figur 703 von Hans Bach reicht Hermann Hallers riesigem «Mädchen mit erhobenen Armen» im Atelier Haller kaum zur Hüfte. Mit ihrer zornigen Präsenz – die Hände neben den Ohren zu Fäusten geballt – besteht sie aber kraftvoll neben der bekannten Skulptur. Das Kuratorenpaar Véronique Müller und Lorenz Hubacher lässt in der Sommerausstellung im Atelier Haller starke Kontraste aufeinander treffen. Die Begegnung von Hans Bach und Hermann Haller ist erhellend und humorvoll arrangiert – und schärft den Blick für die jeweiligen Eigenheiten der beiden Künstler. Hans Bach erläutert in einem Gespräch, in welchem Spannungsfeld seine markanten Figuren entstehen.

Hans Bach, nehmen Sie ihre Arbeiten anders wahr, wenn sie diese jetzt neben den Figuren von Hermann Haller erblicken?

HANS BACH: Ich sehe, dass sie viel frontaler sind. Hermann Hallers Figuren sind in sich gekehrt und existieren auch ohne die Welt um sie herum. Meine Figuren suchen durch ihre Frontalität Kontakt zum Gegenüber. Und sie wirken monumentaler.

Und roher. Man gewinnt den Eindruck, dass Haller die Suche nach vollkommener Schönheit angetrieben hat und bei Ihnen...

Im Grunde genommen suche ich auch nach der Schönheit. Aber meine Figuren haben eine Art Tiefenschärfe. Da finden sich Zonen, wo meine Zuwendung grösser ist und die sensibler behandelt werden. Und andere Bereiche, die stärker vom Werkzeug bestimmt sind. Ich arbeite nicht gerade mit der Axt – aber mit Motorsäge und Stechbeutel. Es ist eine Erscheinung des Alters, dass die Figuren gröber werden, direkter.

Haben Sie denn früher die Oberflächen geschliffen?

Nein, aber feiner bearbeitet. Und zwar die ganzen Figuren. Sie waren viel verhaltener. Und werden jetzt eben expressiver. Durch die Machart.

Wie wählen Sie denn das Werkzeug?

Manchmal ist eine kleine Figur gröber als eine grosse Figur. Weil ich teilweise mit den gleichen Werkzeugen arbeite. Ich habe eine gewisse Hemmung, weil ich Goldschmied war. Ich muss mich selbst an die Kandare nehmen, dass die Arbeit nicht zu fein wird. Den inneren Goldschmied wird man nicht ganz los. Es wäre verheerend, wenn man meine Figuren anschaut und denkt: Es ist halt ein Goldschmied, der dies gemacht hat.

Arbeiten Sie mit Modellen?

Nein. An der Hochschule für Gestaltung, wo ich zuständig für dreidimensionales Schaffen in der Ausbildung für Zeichnungslehrer war, haben wir beim Aktmodellieren mit Modellen gearbeitet.

Wenn nicht von äusseren – werden Sie dann von inneren Bildern geführt? Ihre Figuren zeigen ja doch sehr verschiedene Personen.

Bei meinen früheren Figuren haben die Leute immer gesagt: Das ist deine Frau. Da steckt natürlich sehr viel von ihr drin. Aber sie steht mir nicht Modell. Aber sie ist natürlich da.

Sie stellen Arbeiten aus den letzten zehn Jahren vor – was unterscheidet diese denn von Ihren früheren Werken?

Bei meinen ersten handelte es sich um zusammengesetzte Figuren. Ich wollte lebensgrosse Figuren machen. Die einzelnen Balken, die mir vom teilweisen Abbruch meiner Scheune zur Verfügung standen, hatten aber nicht das Volumen eines Körpers. Also fügte ich mehrere Balken zu Körpern zusammen und setzte Arme an – puppenhaft. Bald begann ich aber, wirklich bildhauerisch zu arbeiten. Da ist das Volumen gegeben. Ich muss die Figur nur herausholen.

Welcher Art ist die Beziehung zwischen Ihrem Kopf und Ihrer Hand? Haben Sie einen Plan von Ihrem Vorhaben oder ergibt sich das Ziel aus der Materialität?

Ich habe ziemlich genau im Kopf, was ich ausführe. Beginne ich eine Figur, will ich erstens, dass sie zu einem gewissen Grad anatomisch stimmt. Ich will nicht irgendeine Karikatur verfertigen mit einem Riesenkopf und einem Körperchen. Und dann möchte ich, dass die Bewegung für eine menschliche Figur nachvollziehbar ist.

Warum bemalen Sie Ihre Skulpturen?

Die Figuren sollen lebensechter werden. Zentral ist dabei das Auge. Ein Holzauge, das keine Farbe aufweist, ist ziemlich eigenartig.

In der Ausstellung bemerkt man bei Figuren von Haller, dass sie keine Augen haben.

Ihr Blick geht nach innen. Das Auge ist ein Dauerproblem in der Kunstgeschichte: Wie sind die Augen von den Bildhauern gemacht worden? Bei Hermann Haller kann man beobachten, wie er bei Keramikarbeiten das Augenlid übernatürlich nach vorne gezogen hat, um bei schräg von oben einfallendem Licht eine beschattete Stelle hervorzubringen. Das ergibt einen beseelteren Blick.

Ihr Material ist Holz – wollten Sie nie mit Stein arbeiten?

Mit den Studierenden bin ich jedes Jahr ins Maggiatal gefahren. Da fing ich an, Steinskulpturen zu machen. Aber Stein ist ein langsames Medium und ich bin ein ungeduldiger Mensch. Meine Beziehung zum Holz ist eigenartig. Einerseits finde ich das ein tolles Material, andererseits berühre ich meine Figuren nicht gern, weil sie spröd sind. So, wie sie sind, soll man sie nur mit dem Auge anfassen. Stein wirkt da schon stärker wie ein Körper.

Aber Holz ist lebendiger – es arbeitet, zeigt Risse.

Ich verwende frisches Holz. Da sieht man noch keine Risse, aber man ahnt sie. Kirsche hat andere Risse als Eiche. Es gibt Hölzer, die bekommen ein, zwei grosse Risse und dann ist die Spannung im Stamm gelöst.

Beziehen Sie mögliche Risse bei der Gestaltung mit ein?

Es ist wie ein gesteuerter Zufall. Ich ahne, wie sich das Holz verhält. Aber ich kann auch intervenieren und Keile in die Risse einbringen. Ein Spalt, der quer durchs Gesicht liefe, würde mich stören.

Manche Ihrer Figuren scheinen schweben zu wollen: Eine tanzt, eine andere setzt zu einem Sprung ins Wasser an, eine dritte wird von einer andern auf der Hand getragen.

Das sind Versuche, Figuren ins Schweben zu bringen, ohne sie an Ketten oder Seilen aufzuhängen. In der Zeichnung oder bei Grafik kann ich Figuren wirklich schweben lassen. Auf Papier ist auch die Thematik aufgelöster, ich zeige nicht Statuen, sondern Szenen. Die Bildhauerei braucht Bodenhaftung. Ich wähle Sockel oder stelle die Figuren direkt auf den Boden.

Ihre Figur sollen selber stehen können.

Auch die krümmsten Figuren stehen auf eigenen Beinen. Auch die, bei denen die Basis aus ausstellungstechnischen Gründen mit einer Metallplatte vergrössert ist, könnten selber stehen. Das hat mit «stimmen» zu tun. Die Figur stimmt in sich. Sie tut nicht nur so, wie wenn sie stehen könnte, sie steht tatsächlich.

Charakterisiert diese Bodenhaftung auch die dargestellten Frauen? Wie würden Sie diese beschreiben?

Mir ist bewusst, dass ich Holzfiguren und nicht Menschen mache.

Sie würden sich sträuben zu sagen, was das für Leute sind.

Ja, ich gebe ihnen ja auch keine Namen. Es ist nicht Eva, Marianne oder Anna. Es ist Nummer 721.

Sie nummerieren ihre Figuren, bis heute sind es über 800. Die Nummerierung ist schon eigenartig.

Der Betrachter ist frei, sich an Personen erinnert zu fühlen. Aber die Vorgabe ist für mich die Frauenfigur. Es ist keine Frau. Es ist ein Bild von ihr. Ich habe schon oft gesagt: Ich sehe mich in der endlosen Reihe der figürlichen Kunst, die es seit der Steinzeit gibt. Die frühesten Idole sind um 40 000 Jahre alt. Und in der Regel werden dabei weibliche Figuren gefertigt, bis heute. Da reihe ich mich ein. Ich habe darum auch nicht den Anspruch, etwas absolut Neues zu machen.

Die Figuren erscheinen rätselhaft, wirken nicht transparent, sondern eher grob, erotisch zwar, aber nicht verführerisch oder charmant, sondern sorgen abwehrend für Distanz. Was ist für Sie das Typische an ihnen?

Ich weiss, dass mich auf heiklem Terrain bewege. Es geht ja um den männlichen Blick auf die Frau. Damit kann ich aber gut leben. Ich habe das gewählt. Deren Charakterisierung hat mit uns zu tun. Die Figuren von Haller befinden sich im stillen Kämmerlein und träumen vor dem Spiegel in sich hinein. Sie tun dies für sich selbst. Dies ist bei meinen Figuren nicht so. Die träumen nicht. Sie machen sich bemerkbar. Sie drücken sich aus. Ich hoffe, dass meine Figuren zeitgenössisch sind – aber nicht modisch.

Interview: Peter Schneider
Fotos: Peter Schneider, Véronique Wüllrich / Lorenz Hubacher

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