Ausstellungen
Sonderausstellung
waawiindamaw. promise – Indigene Kunst und koloniale Verträge in Kanada

12. April bis 18. September 2022
Drei indigene Künstler aus Kanada setzen sich mit kolonialen Verträgen und ihren Folgen auseinander. Ihre Werke erzählen von indigenen Rechten, Reservaten, Ressourcen und Land. Eine Ausstellung über Verlust, gebrochene Versprechen und indigenen Widerstand.
Waawiindamaw bedeutet in der Sprache der Anishinaabe First Nations «versprechen». Wann haben Sie das letzte Mal etwas versprochen oder einen Vertrag unterschrieben? Hatte Ihre Unterschrift Folgen für Generationen? Koloniale Verträge versprachen viel und hielten wenig. Sie legitimierten vor allem die Ansprüche kolonialer Mächte auf indigenes Land. Seit dem 17. Jahrhundert haben Kolonialmächte und First Nations im heutigen Kanada Verträge miteinander geschlossen. Frühe Abkommen bestimmten Handel und Diplomatie, Krieg und Frieden. Sie waren Schauplätze von Zeremonie und Ritual, in denen europäische und indigene Vertragspartner auf Augenhöhe miteinander verhandelten. Unter dem Druck der wachsenden Siedlerströme gerieten jedoch schon bald das Land und seine Ressourcen in den Mittelpunkt kolonialen Interesses. Wenn jedoch von «Land» die Rede war, verhandelte man allenfalls über dasselbe Wort – das Verständnis davon und die kulturellen Konzepte dahinter waren jedoch grundverschieden. Verträge sind in Nordamerika zu Synonymen für gebrochene Versprechen geworden. Ihre Geschichte spiegelt den andauernden Kampf um indigene Rechte. Vor allem aber bilden sie bis heute die Grundlage des Verhältnisses zwischen indigenen Nationen und dem kanadischen Staat.
In «waawiindamaw. promise» denken drei indigene Künstler über Verträge nach. Ihre Werke erzählen von indigenen Rechte, die Auswirkungen von Verträgen auf das Leben der First Nations und die Folgen für das Land und seine Ressourcen. Für die indigenen Nationen Kanadas gehören Verträge zu den dringlichsten Themen der Gegenwart, mit unmittelbaren Auswirkungen für die Zukunft und das Wohlergehen ihrer Gemeinden und Reservate.
Drei Anishinaabe-Künstler und ihre Werke
Die Anishinaabe-Künstler Barry Ace, Michael Belmore und Frank Shebageget sind in der Ausstellung nicht nur mit ihren Werken präsent. In Workshops, Talks und Führungen laden sie zu persönlichen Begegnungen und partizipativer Auseinandersetzung mit einem topaktuellen Thema ein, das hierzulande nur wenig bekannt ist.
Was bedeutet es, einen Vertrag zu schliessen? Was geschieht, wenn Verträge gebrochen werden? Was heisst eigentlich Wiedergutmachung und weshalb sprechen indigene Nationen von lebendigen Verträgen?

Barry Ace lebt in Ottawa, aufgewachsen ist er in Sudbury, Ontario. Elektriker hätte er werden sollen. Stattdessen baut er elektronische Komponenten in seine Kunst ein. Seine Werke sind in Museen, Galerien und Privatsammlungen in Kanada, den USA und Europa vertreten. Mit dem NONAM verbindet ihn eine langjährige Freundschaft. Im Museum ist er zum dritten Mal zu Gast, und seine Werke sind fester Bestandteil der Sammlung NONAM. Ace lässt sich von der Dynamik des digitalen Zeitalters inspirieren. Indem er traditionelle indigene Motive mit elektronischen Leitern und Widerständen verbindet, überbrückt er Tradition und Gegenwart. Ace schöpft aus historischen Quellen, überliefertem Wissen, Fundstücken und kultureller Forschung. Die Ästhetik der Anishinaabeg Kultur spricht aus all seinen Werken.
Internationale Vertragsversprechen
For as long as the sun shines, grass grows and water flows umfasst 94 «Calls to Action» (Handlungsaufrufe) der kanadischen Wahrheits- und Versöhnungskommission (Truth and Reconciliation Commission, TRC). Das Werk entstand in Zusammenarbeit mit kanadischen Studierenden der Kunst- und Rechtswissenschaften und wird im NONAM gezeigt.
Für «waawiindamaaw. promise» entsteht ein verwandtes Werk, basierend auf der UNDRIP, der Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker. Im Rahmen eines Workshops, der zur Hälfte im NONAM und zur Hälfte im Musée d’Ethnographie in Genf (MEG) stattfindet, erschafft Ace in Zusammenarbeit mit je 23 Teilnehmenden ein neues Werk. Es wird anlässlich des «Treaty Day» im NONAM am 30. April eingeweiht. Die Workshops finden am 22./23. April im NONAM und am 27./28. April im MEG statt. Interessent:innen sind herzlich willkommen. Anmeldung ist erforderlich.

Michael Belmore lebt in der Nähe von Toronto. Aufgewachsen ist er in Upsala, einer kleinen Ortschaft unweit von Thunder Bay am Lake Superior. Er studierte Kunst in Toronto, seinen Master of Fine Arts absolvierte er an der University of Ottawa. Er ist Mitglied der Royal Canadian Academy of Arts. Belmores Themen sind Eingriffe und Veränderungen in der Natur und an natürlichen Materialien. Er arbeitet vornehmlich in Stein und Metall, manchmal auch in Holz und Keramik oder mit Stift und Papier. Seine Arbeitsprozesse sind intensiv und meditativ. Sie erzählen von Zusammenhängen, von Umwelt, Land und Wasser – und davon, was es bedeutet, Anishinaabe zu sei
Die Macht von Landkarten
In «waawiindamaaw. promise» widmet er sich dem Zusammenspiel von Landkarten und Verträgen. Wie erfassen, vermessen und kartieren verschiedene Kulturen Land, und was haben Kartierungen mit Besitzansprüchen zu tun?
Im Juni lädt Michael Belmore in einem Familienworkshop Kinder und Erwachsene ein, ihre eigenen Karten zu erstellen – für einmal ganz aus der Kraft der eigenen Erinnerung.

Frank Shebageget lebt und arbeitet in Ottawa. Aufgewachsen ist er in Upsala, nördlich des Lake Superior, wo er zusammen mit Michael Belmore die Schulbank drückte. Er studierte in Toronto und Victoria. Seinen Master of Fine Arts absolvierte er an der University of Victoria (BC). Shebagegets Werke reflektieren sein Interesse für die Geografie seines Heimatortes und für die ästhetischen Qualitäten von Alltagsmaterialien. In oft zeitaufwändigen Arbeitsprozessen erforscht er das Spannungsfeld zwischen Produktion und Konsum.
Gleichschaltung auf Reservaten
In «waawiindamaw. promise» erzählt er von den Auswirkungen der Verträge auf die Lebensrealitäten indigener Communities. Standardisierte Formen von Häusern und Einrichtungen der kanadischen Regierung zielten darauf ab, indigene Kulturen zu kontrollieren, kulturelle Eigenheiten zu eliminieren und das Leben auf den Reservaten gleichzuschalten.
1993 begann Shebageget mit dem Langzeitprojekt «Communities». Auf Teerpapier fertigte er eine akribische, handschriftliche Aufstellung der mehr als 600 First Nations in Kanada. Alle zehn Jahre erhalten die «Communities» ein Update. «Communities IV» soll nun in Zürich entstehen. Im Juni haben Besucherinnen und Besucher Gelegenheit, dem Künstler bei seiner Arbeit über die Schulter zu schauen und mit ihm ins Gespräch zu kommen.
Veranstaltungsprogramm
Von April bis September bietet ein Programm mit Vorträgen, Präsentationen, Filmvorführungen, Führungen und Workshops in Zusammenarbeit mit den Künstlern, mit Filmemacherin und Akademiker:innen Möglichkeiten der Annäherung an das Thema Verträge und Landrechte. Am 30. April, dem «Treaty Day», beleuchten Künstler und Expert:innen grundlegende Aspekte internationaler Verträge.
Sammlungsausstellung
Von fremden Federn und anderen Geschichten

Indigene Kunstschaffende im urbanen Raum, Walfänger in der Arktis, Bisonjäger auf den Great Plains oder Maskenschnitzer an der Nordwestküste – das NONAM lädt ein zu einer kleinen Reise durchs grosse Nordamerika. Die Sammlungsausstellung beleuchtet die Vielfalt der indigenen Nationen früher und heute und bietet spannende Einblicke in die Kunstformen und Kulturen von First Nations, Inuit, Native Americans und Native Alaskans.
Akustische Welten der indigenen Völker Nordamerikas
Im Klangraum fegt der Nordwind über die Tundra, geheimnisvolle Rufe hallen über den Pazifik, Kinder singen, Künstler schnitzen an ihren Holzmasken, und das Echo einer Trommel hallt durch den Canyon de Chelly. Im NONAM entführen wir die Besucherinnen und Besucher – für einmal nicht mit den Augen, sondern mit den Ohren – in die Welt der Inuit am Polarkreis, der Kwakiutl an der pazifischen Nordwestküste Kanadas sowie der Hopi und Navajo im Südwesten der USA.
Indianer und Inuit verwendeten ursprünglich keine Schriftsprachen. Die Aufnahme und Weitergabe von Information basierte im Wesentlichen auf akustischer Kommunikation und oraler Überlieferung. Hören war häufig überlebenswichtig, denn das Gehör versagt weder bei Dunkelheit noch im Schlaf. Heute übermitteln wir unzählige Daten elektronisch und ohne die Notwendigkeit zu Hören. Darüber scheinen wir zu vergessen, wie viele Informationen wir unbewusst und unverarbeitet über das Gehör aufnehmen.
Native Art Now
Indigene Kunstschaffende im Fokus
Zeitgenössische indigene Kunst ist geprägt von den Menschen hinter den Werken und ihren persönlichen Geschichten – nicht umsonst verstehen sich viele indigene Kunstschaffende als moderne Storyteller. Der Multimediakünstler Dylan McLaughlin (Navajo) stellt Ihnen die in der Ausstellung vertretenen Künstlerinnen und Künstler vor. Seine Videoporträts entstanden im Rahmen der Sonderausstellung «Native Art Now» (2014).
Wir danken dem Lotteriefonds des Kantons Zürich für die Unterstützung des Kunstankaufs und der Videoproduktion.