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Tipps von Vätern für Väter

Seit dem 27.9.20. dürfen die in der Schweiz wohnhaften Väter zwei Wochen Vaterschaftsurlaub beziehen. Am 28.9.20 hat die unabhängige Zeitschrift 'Republik' die Väter aus ihrer Redaktion und dem Verlag zusammengetrommelt. Ihre Tipps 'zur Aufzucht eines Babys' sind frisch! 

Wir haben – inspiriert durch Auszüge der Republik-Väter – weitere Fach-Männer befragt. Dominik ist werdender Vater, David hat einen Knaben (3 Jahre) und ein Mädchen (18 Wochen), Yann ist Papa von einer sechsjährigen und einer dreijährigen Tochter und Pascals Kinder sind fünf und drei Jahre alt.

Die Interviews sind ein Zusammenzug der Gesprächsnotizen.

Constantin Seibt (Republik-Vater) hat sich in den ersten drei Monaten wie die Ein-Mann-Version eines leicht abgewrackten Nobel-Hotels gefühlt. In seinen Augen war er ziemlich alles von Portier,Kammerdiener über Zofe, Köchin, Masseur bis Türsteher. Nur Trinkgeld hätte es keins gegeben. (Dafür musste er sich gelegentlich anhören, als er sich hinsetzten wollte: "Du benimmst dich wie ein Gast.")

Wie stellst du dir die Zeit nach der Geburt vor?

Dominique (werdender Papa): "Es beginnt erst mit der Geburt, das neue Kapitel!", ist Dominique bewusst. Er habe sich zwei Monate Vaterschaftsurlaub organisiert. Nebst seiner Arbeit studiert D. und konnte dort ein Praktikum verschieben. D. möchte "dabei sein in der Anfangsphase". Es ist ihm wichtig, als kleine Familie zusammen in die neuen Rollen zu finden. Auch wenn Stillen nur die Frau kann, möchte D. dafür im Tragetuch das Kind zu sich nehmen. Das Kind Wickeln und Baden. Nach dem Vaterschaftsurlaub wird D. zu 50 % wieder in seinen Job einsteigen und nebenbei weiter studieren an der PH. Er meint, es werde bestimmt eine Prioritätenverschiebung stattfinden. In der 'Freizeit' ist dann Familienalltag angesagt. Es ist ihm sehr wichtig als Vater seinen Platz zu finden.

Kannst du das Gefühl von Constantin Seibt nachempfinden? Wie ist es dir ergangen?

David (Vater von zwei Kindern, 3 Jahre und 18 Wochen): Nachvollziehbar. Die zentrale Rolle des Stillens können wir Väter nicht übernehmen, deshalb müssen wir uns – wortwörtlich –  mehr um den 'Scheiss' kümmern, das Wickeln. Es ist mehr eine passive Rolle. Die Komik im Bild von Constantin gefällt mir. Humor ist immer gut. Bediensteter… In der Beziehung mit der Partnerin möchte Mann sich natürlich nicht wie ein Bediensteter vorkommen. Das schadet der Beziehung. Aber es hilft sicher, dass man die Rolle als 'Bediensteter', zumindest vorübergehend in den ersten Wochen und Monaten annehmen kann. Nebst dem Passiven, zudienenden, ist es aber auch wichtig, sich selbst zu erfahren. Selber etwas reingeben können. Wenn das Kind in der Nacht schreit, ist es einfach, sich nicht verantwortlich zu fühlen. Stillen kann Mann ja nicht. Aber wir können aufstehen, umherspazieren, das Kind beruhigen, vorausschauen… Da ist es auch wichtig in die Diskussion zu kommen. Wenn möglich bereits vor der Geburt. Wer darf liegen bleiben, wer steht auf…

Hallt da was in eurer Erinnerung nach? Was kommt euch nach vier Jahren 'postpartal' als erstes in den Sinn zur Zeit im Wochenbett*? (*Wochenbett: Zeit unmittelbar nach der Geburt des Kindes/der Kinder)

Yann (Vater von einer zwei Mädchen: 6- und 3-jährig): Es wechselt non-stop, alles ist relativ. Es geht im Positiven und Negativen Sinn vorbei. Viele gesundheitliche Probleme, auch viel Freude gleichzeitig. Viel Grösse, viel Unbeschreibliches. Das Vater-sein ist für mich sehr intim. Ich würde nicht darüber schreiben, wie die Journis im Republik-Artikel. Klar, es gibt die 'Dienstleistungs-phase' aber es gibt auch die Phasen, wo's einfach nur gut läuft. Mit dem 2. Kind wird alles komplexer und schwieriger.
Im Wochenbett beim 1. Kind war alles Neuland, viel Freude…
Beim 2. Kind kam die Routine dazu und mehr Zeit mit dem älteren Kind. Das Thema Schlaf wird omnipräsent: Familien-Schlaf, eigener Schlaf, Schlaf mit Partnerin…
Was auch grad noch spontan nachhallt ist der Badespass… und das Tragen, die Nähe mit dem Kind.

Pascal (Vater von zwei Kindern im Alter von 5 und 3 Jahren): Ich hab sicher zwei Monate gebraucht, bis mir bewusst war: Jetzt bin ich Papi.
Ich kann mich noch an die 'Lehrerin-Hebamme' erinnern. Sie hatte mich zur Seite genommen und mir gezeigt, wie das Wickeln funktioniert. Dann hatte sie gesagt: So, jetzt kannst du's selber machen. Als mich dann meine Mutter besuchen kam meinte ich so: ich geh kurz wickeln… "Du kannst wickeln" – ist es beinahe aus meiner Mutter rausgeplatzt. Mein Vater hätte nie Windeln gewechselt bei uns. So ändern sich die Zeiten…
Ich war und bin ein sehr stolzer Papa!
Nach 6 Monaten ist meine Partnerin wieder arbeiten gegangen und ich bin Zuhause geblieben… Es drehte sich alles um das Kind und die Ernährung…
Wenns schreit – hat es Hunger oder hat es Weh? Ich bin dann immer vom Weh ausgegangen… Einmal habe ich ihm ein Zäpfli gegeben, weil es so fest geschrien hat. Dann war es ruhig und zufrieden. Bis meine Partnerin und ich uns plötzlich fragten, wer dem Kind wann das letzte Mal etwas zum Essen gab. So war klar: das Kind hatte geschrien weil es Hunger hatte, nicht etwa Schmerzen… Dafalgan anstelle Essen… Jetzt ist es eine lustige Anekdote und eins ist klar: Wenn das Kind schreit, versuch es zuerst mit einem Schoppen!

Die wichtigste Anschaffung, meint Vater Seibt unter Tipp 26, wäre ein Tragetuch.
Was habt ihr bereits eingekauft oder was steht auf der Einkaufsliste?

Dominique: Wir haben uns schon Gedanken gemacht. Zum Beispiel ein Tragetuch mit Schnallen, das gibt es in Berlin. Es ermöglicht ein selbständigeres Handling. Dann kann ich mich auch alleine ready machen und spazieren gehen. Da wir gerne Wandern wird uns meine Mutter einen Wanderrucksack von Deuter schenken. So können wir mobil sein und dem nachgehen, was wir gerne machen. Nestbauen hilft. Es wird konkreter. Greifbarer.

Würdest du dies so unterschreiben, David?

David: Beim ersten Kind war es ein Stubenwägeli. Ich war überzeugt, dass dies auch beim zweiten Kind funktionieren wird. Dem war aber nicht so. Hannah möchte getragen werden. Das hätte ich nicht erwartet, nachdem das knarrende Wägeli bei Emanuel so wie ein Schlafmittel gewirkt hat.

Wer war dein teuerster Begleiter?

Yann: Babybiörn! Tragtuch ist ein Seich. Umständlich und uncooles Image.

Pascal: Ich würde sagen, die wichtigste Anschaffung kam erst später: Ein Lastenvelo. (Kurz vor Geburt des 2. Kindes).
Und wenn ich noch einen Tipp geben darf: Kauft einen guten, teuren Buggy. Keinen schrott-Buggy für 99.-! Gerade als Mann: Die sind nicht ausgelegt für grossgewachsene Männer: Du schlägst dir nur die Füsse an. Ausserdem willst du einen verstellbaren Buggy! Gönn dir einen Rolls-Royce!

Philipp von Essen meint in seiner Strategieberatung: Sie sollen Benchmarks suchen: Väter beobachten in der Umgebung. An den eigenen Vater zurückdenken. Mit anderen Vätern sprechen…

Hast du das Bedürfnis nach Austausch mit anderen Vätern? Nimmst du dir etwas vor? Was für ein Vater möchtest du sein?

Dominique: Austausch ist mir sehr wichtig. Ich habe drei gute Freunde, mit welchen ich mich austausche übers Vater-sein. Auch mein eigener Vater – ein ziemlicher Exot für die damalige Zeit, war  auch zu 50 % in die Kinderbetreuung involviert – ist mir ein Vorbild. Ich selber nehme mir vor weniger zu arbeiten, die Priorität zu verschieben, sodass ich viel Zeit für meine Familie haben werde. Wir haben auch besprochen, dass wir uns gegenseitig einen Abend freischaufeln möchten. um Freunde zu treffen. Ich möchte ein Vater sein, der, wenn das Kind umfällt auf dem Spielplatz, auch Trost spenden kann. Das Kind soll nicht nur zur Mutter rennen. Auch selbstverständlich zu mir. Zum Papa.

Was für ein Vater bist du?

David: Kein 'Wochenend-Beziehungs-Vater'. Ich bin auch unter der Woche mit den Kindern. Kann mir meine Arbeit aufgrund einer Niedrigprozentstelle sowie der Selbständigkeit gut aufteilen. Ich mach mir auch grad keinen Druck, meine Karriere jetzt zu verwirklichen. Bin sowieso im Kulturbereich tätig und da dort Situationsbedingt weniger läuft, hab ich mehr Zeit mit den Kindern. Das hilft auch, nicht das Gefühl zu haben, am Wochenende alles nachholen zu müssen. Ich bin nicht der Papa, der seine Kinder an den Händen durch die Luft schwingt (zumal das auch nicht zu empfehlen ist bei Kindern unter vier Jahren), um ihnen möglichst viel Action bieten zu können. Ich kann auch einmal einen unaufgeregten Tag mit ihnen verbringen. Was meinen eigenen Vater angeht, bin ich mir seines Typs mehr bewusst, seit ich selber Kinder habe. Auch erinnere ich mich mehr an meine eigene Kindheit zurück.

Was für einen Tipp hast du für den werdenden oder frisch gebackenen Papa?

Yann: Energie aufsparen für Monat 12! (Sobald sie zu laufen beginnen!). Alles vorher kann man als Vater vergessen. Viel Image. Vor allem Mütter sind gefragt. Ihr werdet danach gefordert.
Sich vor allem freuen auf diese Zeit. Väter kommen später zum Zuge.

Pascal: Tipp 1: Wenns möglich ist finanziell: Zahl dir deinen eigenen Vaterschaftsurlaub! War teuer, hatte einen langen Vaterschaftsurlaub – 2 Jahre – aber es hat sich gelohnt!
Tipp 2: Nutze die Zeit wenn's frisch auf der Welt ist. Schlafe, wenn das Kind schläft. Teile deine Energie gut auf. Tipp 3: Pflegt eure Paarbeziehung. Wenn's euch gut geht, geht es auch den Kindern gut. Ihr seid jetzt EINE Familie.
PS: Vergiss dein Man-Cave: Die Kinder werden an all deine Habseligkeiten kommen. Und auch wenn der Produktehersteller schreibt, etwas wäre unzerstörbar: Er hat deine Kinder nicht berücksichtigt.
PS: Kauft euch eine gute Waschmaschine.
PPS: Kauft euch einen noch besseren Tumbler.

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