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Neo-Ökologie

Interview mit Tara Welschlinger, Geschäftsführerin FOIFI Zero Waste Ladencafé

Mit Tara Welschlinger sprach Linda Herzog.

Tara Welschlinger führt den ersten Unverpackt-Laden in Zürich (Quelle: T. Welschlinger).

Frau Welschinger, wie gut lässt es sich in Zürich unverpackt einkaufen?

Wenn man in einer Stadt wie Zürich unverpackt einkaufen möchte, dann muss man weit suchen und viel Zeit investieren. Ich hatte früher eine Management-Position und habe sehr viel gearbeitet. Um unverpackt einkaufen zu können, habe ich daher ganze Samstage auf Wochenmärkten verbracht. Das sehr geringe Angebot an unverpackten Produkten im Detailhandel der Stadt Zürich hat mich dazu gebracht, einen Laden zu eröffnen, in welchem diese Philosophie gelebt wird.

Wie setzen Sie den Zero Waste Lifestyle um?

Ich persönlich versuche, auch recyclebare Materialen zu vermeiden. Man lebt „Zero Waste“ , wenn man gewisse Verpackungsmaterialen wie PET oder Tetrapak recycelt und sich bemüht, Restmüll zu verhindern. Ich versuche allerdings einen Schritt weiter zu gehen und den Kreislauf am Leben zu erhalten, das heisst, mit Mehrwegsystemen zu arbeiten.

Wir Schweizerinnen und Schweizer sind zwar Weltmeister im Recyceln. Ich denke aber, dass ein System mit Mehrwegbehältnissen, wie es in Deutschland häufig noch verwendet wird, nachhaltiger wäre. Im Laden haben wir daher Mehrweg-Flaschen mit Pfand darauf. Und wir motivieren unsere Kundinnen und Kunden, ihre eigenen Verpackungen mitzubringen. Mit unseren Lieferantinnen und Lieferanten arbeiten wir hauptsächlich mit Grossgebinden, teilweise aus Plastik, vielfach aber aus Papier. Aber auch hier möchten wir zukünftig auf Mehrweg-Gebinde umsteigen.

Welche Herausforderungen gibt es in Bezug auf Hygiene in einem Unverpackt-Laden?

Wir müssen in unserem Laden sehr hygienisch arbeiten. Aber ich hatte keine Schwierigkeiten eine Bewilligung für dieses Ladenkonzept zu erhalten und es wurden uns auch keine Sonderauflagen in Bezug auf Hygiene erteilt. Im Grossverteiler habe ich oft beobachtet, dass die Kundinnen und Kunden das Gemüse anfassen und darauf herumdrücken. In unserem Laden scheint dies nicht zu passieren. Ausserdem werden in unserem Laden Produkte mit Löffeln aus den Behältern geschöpft, sie werden also nicht direkt berührt. Einzig bei unseren Bio-Produkten, und das sind 90% des Sortiments, kann das Label „Bio" laut unserem Lebensmittelinspektor nicht mehr gewährleistet werden, wenn das Produkt aus der Verpackung genommen wurde. Daher dürfen wir bestimmte Produkte nicht mehr als Bio kennzeichnen. 

Welches Kundensegment sprechen Sie mit Ihrem Ladenkonzept an?

Wir sprechen schönerweise Jung bis Alt an, Frauen wie Männer, Singles, Paare und Familien - was der Konsenz bei allen ist: Abfallreduzierung im Alltag, Lebensmittel in Bio-Qualität, von denen man den Ursprung kennt, sowie die Lust im Quartierladen entschleunigt einzukaufen.

Durch die Kombination als Ladencafé holen wir zum Teil auch Laufkundschaft ab - wobei wir an erster Stelle Kunden sbholen, die einen umweltfreundlichen Alltag leben möchten, indem sie den Weg auf sich nehmen, zu uns kommen, um unverpackt und regional einkaufen zu können.

Wie wird sich Ihrer Ansicht nach die Zürcher Detailhandels-Landschaft in Zukunft verändern?

Ich hoffe sehr und ich glaube, das ist auch ein Bedürfnis der Menschen, dass in den Quartieren wieder vermehrt Handel betrieben wird und diese so wieder mehr belebt werden.

Ich hoffe aber auch, auf mehr Wochenmärkte oder thematische Saisonmärkte, deren Öffnungszeiten besser an den Rhythmus unserer Stadt angepasst sind: Märkte, die nicht nur von morgens um sechs bis um zwölf Uhr mittags geöffnet haben, sondern vielleicht auch mal abends stattfinden dürften. Und es wäre toll, wenn man die „Grossen“ mit den kleinen Läden zusammenbringen könnte, also sowohl grosse Detailhändler mit Quartierläden, als auch eingesessene Quartiergeschäfte mit jenen, die neue Konzepte einbringen. Ich weiss nicht, ob dies für die grossen Detailhändler von Interesse wäre. Aber alle diese gleichaussehenden „To go“- und "alles-in-Plastik-verpackt"-Läden, empfinde ich als Bewohnerin und für das Stadtbild ohne Mehrwert.

Wie können die grossen Retailer wie Coop und Migros bei diesen Trend zu unverpacktem Einkaufen mitwirken? 

Es wäre durchaus wünschenswert, dass grosse Retailer auf diesen „Zug“ aufspringen. Auch sie könnten einen Grossteil an  Produkten in Behälter-Systemen anbieten, die man dann abfüllen kann. Toll wäre auch, wenn sie dann die Quartierläden unterstützen würden. Damit meine ich, dass Quartierläden, die beispielsweise Hülsenfrüchte in Grossgebinden bestellen, diese dann mittels der Logistik eines Grossverteilers transportieren lassen können. Dann wäre es für Quartierläden auch einfacher, mit den Preisen mitzuhalten, die momentan einfach noch etwas über den anderen liegen.

Wie schätzen Sie die Zukunft dieses Trends zu mehr Ökologie ein?

Ich glaube der Teil der Gesellschaft, die einen umweltsorgsamen Alltag leben wollen, werden zusammen mit der Generation der jungen Menschen diesen Trend voranbringen. Für die Generation meiner Eltern und Grosseltern ist unverpacktes Einkaufen nichts Aussergewöhnliches, sie gingen ja schon mit dem Milchkessel beim Bauern vorbei. Jetzt ist es wichtig, diesen Kreislauf des sich wiederholenden Trends aufzunehmen und voranzubringen. Damit kann man alte Wissen mit neuen Innovationen und Technologien zusammenbringen und nutzen. Das Schöne an der Zero Waste-Bewegung ist, dass sie kreativ macht, wieder zum selber kochen, backen, basteln, handwerkern animiert und niemanden schubladisiert - ob alles-esser oder vegan, ob mit oder ohne Auto, ob mit der Abfall-Reduktion in Küche, Bad oder Haushalt begonnen wird, ist eigentlich egal - man beginnt dort anzusetzen, wo man sich wohl fühlt und im Alltag integrieren kann. Der sorgsame Umgang mit Umwelt, Ressourcen und Lebensmitteln sowie ein verantwortungsvolles und kritisches konsumieren stehen dabei im Vordergund und die Zero Waste - Haltung bildet quasi die Schnittmenge von allem.

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