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Der Chinagarten und seine Bedeutung

Jeder Garten ist ein Universum im Kleinen: Wasserteich, Seerosen, Gräser von mannigfaltigen Formen, Steine, Inseln, Bäume, Lebewesen – vieltausendfältig. Für das Universum wird der chinesische Sammelbegriff «Wan-Wu» verwendet: die zehntausend Dinge, die zehntausend Wesen. Symbolisch wird in einem Garten die Ganzheit des Universums versammelt und erlebbar, reich entfaltet ist die Vielfalt der Natur im Kult der Schönheit und Harmonie. Das ist die sichtbare Seite des Seienden: farb- und formintensiv in seiner natürlichen Fülle.

gartenplan

Das Eingangstor und die Mauer

Die Löwen rechts und links vom Haupttor.

Die chinesischen Schriftzeichen der prominenten Überschrift bedeuten «Chinesischer Garten». Zudem nennen sie das Datum der Eröffnung des Gartens im Mai 1993 und den Namen des damaligen Bürgermeisters von Kunming, Wang Tingchen. Schon das Tor ist reich an Symbolik.    

Zwei Löwen

Beide Löwen sind aus einem einzigen Steinblock gehauen. Sie stehen als Wächter vor dem Tor. Das männliche Tier auf der rechten Seite hält eine bewegliche Glückskugel im Maul; links steht die Löwin mit ihren Jungen. 

Die Mauer

In zinnoberroter Farbe gehalten, trennt die Mauer die äussere profane Welt vom künstlerischen, idealen Mikrokosmos im Garteninnern. Sie verwehrt ungebetenen Gästen den Zutritt und bietet Schutz vor dem negativen, schlechten «Qi» (Lebensenergie). Auch die bösen Geister sollen so vom Garten ferngehalten werden. Der Mauerhut ist mit gelben Ziegeln gedeckt. Gelb ist die Farbe des Kaisers, Blau oder Grün sind die Farben der hohen Beamten.  

Die Trauf- und Abschlussziegel

Die modellierten Figuren stellen den Drachen der Wolken dar, der sein gutartiges, aber Respekt erheischendes Gesicht zeigt. Auf den Ecken und Enden des Mauerhutes thront der zweite der neuen Drachensöhne, der «Chiwen». Er hat die Macht, Brände zu löschen. Deshalb wird er im traditionellen China sehr gern als Firstabschlussfigur benutzt. 

Die Tonreliefs

Links und rechts an der Mauer prangt je ein grosses, vergoldetes Rundmedaillon mit dem «Qilin». Das Fabeltier wird Einhorn genannt, obwohl es auch zwei – wie hier » oder gar drei Hörner tragen kann. Sein Körper ist mit Fischschuppen bedeckt, die Füsse sind als Hufe dargestellt und der Schwanz ist buschig wie der eines Eichhörnchens. Wenn man im alten China einem jung verheirateten Paar eine «Qilinsstirn» wünschte, meinte man damit: «Wir wünschen euch viele Söhne».

Der Torschmuck

Zwei Spruchbänder links und rechts vom Eingangstor enthalten die Grüsse der Einwohnenden von Kunming an die Bevölkerung der Stadt Zürich. Die kunstvoll bemalte Decke zeigt eine Kamelienblüte, die Symbolblume Kunmings. Zwölf Säulenträger stützen den Eingang, obwohl vier statisch ausreichen würden. Zwölf deshalb, weil die 12 in der chinesischen Überlieferung seit frühesten Zeiten eine Schlüsselzahl darstellt. Sie weist auf kaiserliche Herkunft hin: So hatte der Kaiser zwölf Insignien und oft war des Kaisers engster Beraterstab mit zwölf hohen Beamten besetzt. 

Aufbau und Holzkonstruktion

Die Wände erwecken den Eindruck, es seinen Balken in verschiedenen Lagen fugenlos aufgeschichtet. Tatsächlich sind sie ähnlich dem Blockhaus-Prinzip mit den Querbalken und Trägern ohne Nägel oder Schrauben zusammengefügt. Ein besonderer Blickfang sind seitlich die geschnitzten Balkenköpfe: Sie stellen von unten nach oben einen Elefantenkopf, eine Pfingstrose und einen Löwenkopf dar. Der Elefant symbolisiert moralische Kraft, Klugheit und auch Stärke; die Päonienblüte ist Sinnbild des Reichtums und der Vornehmheit, aber auch Symbol einer bezaubernden Frau. Der Löwe steht für Macht und Stärke und ist ein Glück bringendes Tier. 

Das rote Tor

Die neun Nagelreihen sowie die rote Farbe sind in Zentralchina ursprünglich dem Kaiser vorbehalten. In Yunnan und speziell in Kunming bilden sie jedoch schon seit Jahrhunderten ein unverzichtbares architektonisches Element von Gartenanlagen. Der aus Trompetenholz geschnitzte Torbogen stellt den Kranich in der Kiefer dar. Beides sind Symbole des langen Lebens und der Durchhaltekraft. 

Der künstliche Berg

Der Berg mit dem Tunnel.

Das imposante Steingebilde, vor dem Sie nach dem Durchschreiten des Haupttores stehen, ahmt einen Ausschnitt des «Steinwaldes» nach, einer berühmten, bizarren Karstlandschaft 200 km südlich von Kunming. Solche Steine betrachteten die Chinesen schon immer als mächtige Symbole der Schöpfungskraft der Natur. Fast jeder Berg hatte einen Berggott. Noch im späten Altertum herrschte in Nordchina der Glaube vor, dass die Seelen der Toten auf Bergen lebten. Der Berg symbolisiert unter anderem das Männliche, das Yang; das weibliche Yin, die sanftere Urkraft, wird durch das Wasser versinnbildlicht. 

Der Tunnel

Jenseits der «Schranke», die der künstliche Berg darstellt, öffnen sich neue Welten: Der Besuchende betritt nach alter daoistischer Vorstellung das Paradies. Der Blick zurück fällt auf das Eingangstor, das sich in voller Pracht entfaltet. Nach vorn fällt der Blick auf das Wasser, den Hügel, die Gebäude und die Pflanzen. Jetzt wird ersichtlich, weshalb man im Chinesischen sagt: man «baut» einen Garten. 

Berg und Wasser

Beiden zusammen heisst im Chinesischen «Shan Shui», was auch Landschaft bedeutet. Berg und Wasser stellen die Grundelemente des Gartens dar. Die Berge werden meist aus Gesteinsgruppen gebildet. Die Wasserfläche wirkt als Spiegel des Himmels und der Natur. Wasserwege werden so angelegt, dass man ihr Ende nicht erkennen kann. Das Wasser schmiegt sich an das Gelände an und symbolisiert die daoistische Tugend der Anpassungsfähigkeit. Die Bäche oder Wasserfälle, die den Garten speisen, kommen wie der Sonnenlauf von Osten her. Für den Chinesen ist der Sonnenlauf mit seinem Lebensweg verbunden. Im Westen erwartet ihn am Ende seiner Reise das Paradies. 

Die Fische im Teich

Die Chines*innen lieben Goldfische und halten sie auch gerne zu Hause, denn der Goldfisch bedeutet Gold und Reichtum im Überfluss. Die Tiere sind in China auch ein beliebtes Hochzeitsgeschenk. Da der Karpfen gleichlautend «Li» bedeutet, symbolisiert er zudem den Wunsch nach Erfolg im Geschäftsleben und steht als Symbol der Beharrlichkeit. 

Die Pflanzen

Ohne sie gibt es keine Gärten, trotz aller Berge, Gewässer und Gebäude. In der klassischen chinesischen Gartenkunst sind die Pflanzen gezielt angeordnet. Sie werden in Übereinstimmung mit dem Motiv der Landschaftsszenen arrangiert. Manche Pflanzen haben eine besondere Bedeutung und werden sogar personifiziert wie zum Beispiel die Kiefer, die Winterkirsche und der Bambus. Zusammen symbolisieren sie die «Drei Freunde im Winter». Für Chines*innen sind Bäume und Blumen nicht nur Abbild, sondern auch Quelle der Gefühle und Hoffnungen der Menschen. Die grössten Bäume im Zürcher Garten sind die kanadischen Pappeln und die Eiben. Sie standen bereits länger auf dem Grundstück der Blatterweise und die Gartenbauer aus Kunming integrierten sie in das Konzept ihres Gartens. Blumen zeigen den Wechsel der Jahreszeiten an, weshalb Blütenpflanzen wie Rosen, Rhododendren, Azaleen, Flieder oder Magnolien oft in Chinesischen Gärten gesetzt werden. 

Die Bauwerke

Zu einem klassischen Chinesischen Garten gehören Bauten. Seit über tausend Jahren werden dabei die typischen Elemente des fernöstlichen Dachbaues eingesetzt. Die Krümmungen an den vier Ecken geben dem Dach eine scheinbare Leichtigkeit und lassen es wie an Fäden aufgehängt erscheinen. Die bedeutenden Bauten tragen an ihren Firstenden symbolische Figuren. Es handelt sich um Fabelwesen wie Drachen, Einhorn oder Phönix. Die Figuren auf den ausschwingenden Dachspitzen kommen aus der Glaubenswelt des Animismus, der alten Naturreligion, und haben die Aufgabe, die bösen Geister fernzuhalten. 

Die Zickzackbrücke mit der Insel und dem Rundpavillon

Die Zickzackbrücke führt zum Rundpavillon. Das Geländer ist aus Bambus.

Über die Zickzackbrücke mit Bambus-Geländer gelangen wir zur Insel mit dem Rundpavillon. Bogen und Brücken verbinden stets, was getrennt ist. Aber der Weg ist nicht gerade, damit – so der Aberglaube – die bösen Geister und Dämonen nicht zur Insel und zum Pavillon gelangen können. Man ist gezwungen, sehr langsam und ganz bewusst zu gehen. Das hilft dem Besuchenden, den Garten aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Die Brücke weist nicht zuletzt auf den daoistischen Gedanken hin, dass unser Lebensweg niemals gerade, nie direkt ist. Dazu gehört auch das Prinzip des Wechselspiels zwischen Yin und Yang. 

Drei Freunde im Winter

Die Umrahmung zum Inselpavillon bilden die «Drei Freunde im Winter»: die winterharten Baumsträucher Bambus, Winterkirsche und Kiefer. Der Bambus steht für Tugend und Bescheidenheit und darf in keinem Garten fehlen. Die Kiefer gilt als Symbol für langes Leben, ebenso wie der Kranich. Die Winterkirsche läutet den Frühling ein; sie versinnbildlicht den Reichtum und die Vornehmheit. Die «Drei Freunde im Winter» symbolisieren die drei natürlichen Freunde nach Konfuzius. Er sagt in seinen Gesprächen, es gebe drei nützliche und drei schädliche Arten von Freunden: Der aufrechte, der treue und der erfahrene Freund sind die nützlichen; der scheinechte, der duckmäuserische und der schmeichlerische Freund sind die schädlichen. 

Insel und Rundpavillon

Nach chinesischer Auffassung erinnern Inseln an die achte Unsterblichen, die das Elixier des ewigen Lebens besitzen. Zur Zeit des ersten Han-Kaisers Han Wudi (220 v. Chr.) glaubte man an die Existenz der Unsterblichen. Er baute in einem künstlichen See drei Inseln in der Hoffnung, die Unsterblichen würden sich dort niederlassen und ihm das Geheimnis der Unsterblichkeit verraten. Er wartete vergebens. Die Insel ist zwar klein, doch sie beherbergt den Rundpavillon «des Erquickens und der Düfte» («Qinfang») und die «Drei Freunde im Winter» vor dem Eingang. Als thematischer Schwerpunkt bilden sie die Hauptattraktion des Gartens. In der Decke des Pavillons entdeckt man den Drachen. Er ist eines der vielschichtigsten Symbole Chinas; in ihm kommen die verschiedensten mythologischen Vorstellungen zusammen. Im Gegensatz zur europäischen Mythologie ist der Drache in China ein gutes Tier und das Symbol des Kaisers und der Macht.  

Über die Steinbrücke zum Nebentor

Insel mit Rundpavillon und Bogenbrücke.

Der Weg zum Nebentor und alle anderen Wege sind mit Flusskieseln gepflästert. In ihn sind mit hellen und dunklen Steinen sowie mit Rundziegelscherben mosaikartig viele Motive eingesetzt: Yin- und Yang-Zeichen, Kreisornamente, kleine Blumen und sogar ein eleganter Kranich. Auf dem Weg sieht man, wie das Wasser durch die verschiedene Teich-Abschnitte in Richtung Mauer schlängelt. Der Abfluss des Wassers darf gemäss den Regeln des Feng-Shui nicht sichtbar sein, sonst fliesst das Glück weg.

Das Nebentor

Es führte in den grossen Gärten Chinas zu weiteren Anlagen und Gebäuden, da man damals in diesen Gärten wohnte. Die Zeichen über den Torangeln bedeuten: «Fu», «Lu», «Shou», «Xi», was Glück, Prosperität, langes Leben und Segen der Götter heisst. Die geschnitzten Tafelbilder auf der Innenseite über dem Torsturz weisen darauf hin, dass es sich bei dieser Gartenanlage um einen Gelehrtengarten handelt, in dem vor allem kulturelle Obliegenheiten wichtig sind.  

Der Sechseckpavillon

Der Sechseckpavillon mit dem Nebentor im Hintergrund.

Ein kurzer Anstieg führt zum Pavillon «des Erfreuens am Schnee» («Kuai Shui»). Er ist mit vierzehn Metern das höchste Gebäude des Gartens. Auf einem leicht erhabenen Hügel ahmt er die luftigen Höhen mit dem Schneetreiben im Winter nach. Er steht ausserhalb des Zentrums und bietet deshalb den besten Überblick über den Garten. 
Die Spruchbänder am rechten und linken Pfeiler des Pavillons sagen: «In der Stadt öffnet sich ganz unerwartet eine Welt der Buddhas und Unsterblichen, ein Paradies. Die Heimat dieses wunderbaren Pavillons liegt verborgen im Nebeldunst.»

Felsformation und Bilderschmuck

Der Pavillon ist mit verschiedenen Schnitzereien verziert. Die Innenseite der Balken zeigen Glücksbringer – von links nach rechts – Fledermaus, Chrysanthemen und Päonien, verschiedene chinesische Früchte sowie Drache und Phönix. Letzterer ist das Symbol der Kaiserin. Drache und Phönix zusammen im Bild stellen das kaiserliche Ehepaar dar. 

Die Landschaftsbilder sind geprägt von «Shan-Shui» – Berg und Wasser. Es ist nicht nur der Begriff allein, der hier gemeint und dargestellt ist, sondern der Berg mit allem um ihn her, mit Wäldern, Wassern, Gewölk, Nebel und tausend Einzelheiten als eine unteilbare Einheit. Berge ohne Wolken sind kahl, ohne Wasser fehlt ihnen ihr Zauber. Darum tritt zum Berg als das andere Urelement des Landschaftsbildes das Wasser. Auf Landschaftsbildern sind häufig Menschen zu sehen, im unteren Bilddrittel und sehr klein. Dennoch scheint die Natur wie von Menschenhand gebändigt. Die Wälder und die wilden Berge sind der typische Sitz meditierender Heiliger – aber auch der räuberischen Banditen. Vor dem Sechseckpavillon verweist der Fels auf zwei Seiten im Garten. Einerseits hat man den Eindruck einer Berglandschaft mit einem See im Flachland. Die andere Seite gibt den Blick frei auf die beiden Kiefern, die vor einer Rosenhecke zwischen dem Pavillon und der Mauer stehen. 

Der See

Der Blick aufs Wasser, wo sich in Spiegelungen verschiedene Elemente der Umwelt abbilden, war für viele Dichter und Maler ein beliebtes Sujet und Inspiration. So auch für Li Bai, einen berühmten Dichter in der Tang-Dynastie (6.–9. Jh.). Er bewundert den Mond und sein Spiegelbild als Zeichen der Freundschaft und Sehnsucht. Achten Sie auf die Spiegelung von Berg, Pavillon und Brücke im Wasser. In ihrem Spiegelbild vollenden sich halbrunde Brücken und bringen so die ideale Rundform hervor – in China ein Symbol des Mondes und der Vollkommenheit. Das spiegelnde Wasser steigert die Schönheit des Pavillons und Hügels. Die Gebäude und ihr Spiegelbild erhöhen ihrerseits die magische Wirkung der lichten Wasserfläche. Aus diesen ästhetischen Gründen und hinsichtlich der harmonischen Ausgewogenheit von Yin und Yang ist der am besten geeignete Standort für einen Garten, das Ufer eines Sees mit der Aussicht auf dahinter liegende Berge. Genau diese Betrachtungsweise hat auch die Standortwahl des Zürcher Chinagarten entscheidend beeinflusst. 

Der Viereckpavillon, die Galerie und der Wasserpalais

Der Viereckpavillon bildet den Einstieg in die grösste zusammenhängende Gebäudegruppe des Gartens.

Der «Pavillon des Ruhekissens» am fliessenden Gewässer ist das erste Objekt in der grössten zusammenhängenden Gebäudegruppe des Gartens. Seine beiden Spruchbänder sagen: «Am südlichen Flussufer eine grüne Welle, von den Westbergen eine frische Brise; ein Frühlingswind bei untergehender Sonne, herbstliche Wasser fliessen zusammen mit dem Himmel» («nanpu lübo xishan shuangqi, chunfeng luori qiushui changtian»). 
Über dem Eingang fliegen zwei goldene Phönixe. Der geschnitzte Torbogen mit Elster und Pflaumenblüten verkündet das neu erwachende Leben im Frühling. Die Kranichdecke, Symbol des langen Lebens, und die Pflaumenblüte weisen auf den Spätherbst und damit auf den Zyklus des menschlichen Lebens hin. Vier Tuschbilder, welche die Freuden des Gelehrten in seiner Musse schildern, wurden direkt auf die weiss grundierten Balken aufgetragen. Insgesamt lädt der «Pavillon des Ruhekissens» den Betrachter ein, das Plätschern des Wasserfalles zu geniessen und den Blick über den See zum künstlichen Berg und dessen Spiegelbild im Wasser schweifen zu lassen. 

Die Galerien

Eine Art Wandelgänge erweitern den Viereckpavillon und verbinden ihn mit dem Wasserpalais. Die Innenseiten der Quer- und Längsbalken sind mit mehr als fünfhundert Landschaftsbildern und Stillleben mit Vögeln und Blumen bemalt. Sie beziehen sich auf die Darstellungen berühmter Vorbilder mit chinesischen Naturpärken oder Berglandschaften. Die Bilder wurden in Kunming auf Tuschepapier gezeichnet und auf die Balken aufgezogen. Die Aussenseiten der äusseren unteren Längsbalken sind ebenfalls geschnitzt und sorgfältig bemalt. 

Wasserpalais und Terrasse

Zentral für die ganze Gartenanlage ist der Wasserpalais. «Zwischen den Bergen des Goldenen Pferdes und des jadegrünen Hahns gut abgestimmt» und «Ein prunkvoller  Bau erscheint harmonisch abgestimmt im Blätterwald» – dieses Spruchpaar bei der Eingangstür stammt vom berühmten chinesischen Tang-Dichter Li Bai und lädt die Besuchenden zum genüsslichen Betrachten des Gartens ein. Nach vorne erweitert sich der Raum in eine Terrasse. Sie reicht über das Wasser und eröffnet den Blick über die ganze Wasserfläche und den Garten. Hinter dem Palais liegt der Schattengarten, den man entlang dem Bambushain durch das Mondtor betritt. Besonders gut sichtbar ist der Balken am Eingang im Süden der offenen Galerien: Dort fliegen vier der Unsterblichen auf Kranich, Phönix und  «Qilin» durch die Lüfte. Der Mythos der acht Unsterblichen entstand etwa im dritten Jahrhundert. Meistens gilt diese illustre Gruppe von Müssiggängern als Inbegriff der Übereinstimmung untereinander und mit der Welt. Oft werden sie beim Brettspiel, beim Tee- und Weintrinken oder beim Musizieren dargestellt. In der konfuzianischen Vorstellung wandelte sich der Unsterbliche zum vollendeten «Edlen Menschen», einem Gelehrten von hoher Tugend und vortrefflicher Weisheit, der so auf den Pfad der Tugend eingestimmt war, dass er sich jenseits der gemeinen Freuden und Leiden des Lebens befand. Statt auf utopischen Inseln und im Himmel zu lustwandeln, hatte er einen Garten als Paradies. 

Im Inneren des Palais

Die Möblierung ist in Mahagoni- und Rosenholz im «Qing»-Stil ausgeführt. In der Rückenlehne der Sitzbank kann man einen speziell ausgesuchten Marmorstein aus Dali (dem berühmten Marmorsteinbruch von Yunnan) bewundern, der mit seiner Maserung die Wellenbewegung des Wassers darstellt. Die «Drei Freunde im Winter» bilden das Motiv der Schnitzereien in der oberen Partie. Die beiden vierflügeligen Stellschirme zeigen Darstellungen von acht Frauen, die in der chinesischen Geschichte eine herausragende Rolle spielten. Das linke Wandbild stellt den schon zuvor erwähnten «Steinwald» in der Nähe von Kunming dar, das rechte zeigt einen Ausschnitt aus der Gartenanlage «Daguanlou» am Dian-See in Kunming. Das Deckenfries ist mit neunzig Tafeln geschmückt, die eine Episode aus dem berühmten Roman «Der Traum der roten Kammer» aus dem 17. Jahrhundert darstellen. Die Pfauendecke selber, Sinnbild der Würde und Schönheit, deutet auf den hohen Rang des Besitzers in der Beamtenhierarchie hin. Die Halle soll dem Gelehrten als Erholungsraum dienen, denn an diesem Ort übte sich der klassisch Gebildete zusammen mit Gleichgesinnten bei einer Tasse Tee oder einem Glas Wein in Kalligrafie, Dichtkunst und Musik, aber auch in der Interpretation der Klassiker und in Diskussionen über den Gang der Politik. 

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