Global Navigation

Blick über die Grenzen

Handel im Wandel in Berlin: ähnliche Entwicklungen, anderes Aufgabenverständnis

Berlin erlebte ähnlich wie Zürich in den letzten Jahren ein starkes Wachstum der Bevölkerung und der Beschäftigten. Dies führte zu reger Bautätigkeit und einer Ausdehnung der Detailhandelsflächen. In den beiden Städten besteht jedoch ein unterschiedliches Aufgabenverständnis der öffentlichen Hand. Deshalb verfügt Berlin über andere Planungsinstrumente für die Stadtentwicklung als Zürich. Ein solches ist das Zentrenkonzept, mit dem die Stadt Berlin auf das Wachstum der Stadt und den Wandel im Handel reagiert, wie Frau Elke Plate vom Referat Stadtentwicklungsplanung im untenstehenden Gastbeitrag skizziert.

Die Berliner Zentren

Berlin wächst mit großer Dynamik. Seit 2005 hat die Stadt mehr als 331.000 Erwerbstätige neu gewonnen und die Einwohnerzahl hat sich bis Ende 2016 um mehr als 330.000 Personen auf 3,67 Mio. Personen erhöht. In dieser Dynamik sind Berlins Zentren eine Konstante und das Rückgrat der wachsenden Stadt. Der Einzelhandel ist die Leitfunktion in den Zentren, gleichwohl sind die Zentren viel mehr als Handel. Sie sind Orte des Arbeitens und der Erledigungen, der Mobilität, des touristischen Besuchs, der Kultur und Freizeit sowie des Wohnens. Im öffentlichen Raum kristallisiert sich hier das Großstadt(er)leben in seiner ganzen Vielfalt. Die positive Entwicklung Berlins spiegelt sich in den Zentren in differenzierter Weise.

Was die Berlinerinnen und Berliner nicht sagen, ist dieses: «Lass uns doch in der Innenstadt treffen.» Denn die eine Innenstadt gibt es nicht. Zentren sind sowohl die City West wie die alte Mitte Berlins, die Altstädte Spandau und Köpenick sowie viele andere alte Stadt- bzw. Dorfkerne.

Angesichts der vielfältigen Veränderungen, mit denen die Zentren in Berlin schon seit Jahren konfrontiert sind, lauten stadtentwicklungsplanerische Ziele unter anderem

-       Berlin als (Einkaufs-)Metropole zu stärken

-       die Polyzentralität der Stadt zu sichern und zu entwickeln

-       die Funktionsmischung in den Zentren zu stärken

-       großflächige Einzelhandelseinrichtungen stadtverträglich zu integrieren

-       die Nahversorgung zu sichern

Polyzentralität sichern und entwickeln

Gesamtstädtisch sind über 80 Zentren Gegenstand der Stadtentwicklungsplanung, hinzu kommen die Nahversorgungszentren, die durch die Bezirke planerisch gesichert und entwickelt werden. Diese polyzentrale Struktur bietet viele Vorzüge, unter anderem kurze Wege für die Versorgung, differenzierte Angebote mit Waren aller Art, gewachsene lokale Identitäten. Die hohe Versorgungsqualität zeigt sich auch darin, dass 70 Prozent aller Versorgungswege in Berlin mit dem öffentlichen Verkehr, dem Fahrrad oder zu Fuß unternommen werden. Zwischen 2010 und 2016 hat die Verkaufsfläche in Berlin um etwa 4 Prozent zugenommen und umfasst heute 4,5 Mio. qm Verkaufsfläche.[1] Für die Zukunft ist jedoch davon auszugehen, dass das Verkaufsflächenwachstum zurückgehen und sich der Wettbewerb im Einzelhandel verschärfen werden.


 

Funktionsmischung fördern

Zentrenhierarchi
Zentrenhierarchie Quelle: Cordelia Polinna, Urban Catalyst

Berlins Zentren stehen vor vielfältigen Herausforderungen. Insbesondere die Stadtteil- und Ortsteilzentren können, wenn sie nicht gut aufgestellt sind, in eine „Sandwich-Position“, das heisst stärker unter Druck geraten. Denn der Einzelhandel selbst verursacht mit der wachsenden Bedeutung des Multi-Channel-Handels eine neue Dimension im Strukturwandel. Vor allem die gewachsenen, linearen Geschäftsstrassen und kleinere Zentren stehen angesichts veränderter Konsummuster und der öffentlichen Ressourcenlage vor besonderen, nicht nur städtebaulichen, Aufgaben. Als zentrentragende Funktionen sind hier nicht nur der Einzelhandel, sondern auch für den Alltag erforderliche Dienstleistungen und Laden-Handwerk, kulturelle und soziale Infrastruktureinrichtungen relevant.

Stadtverträgliche Integration der großen Einzelhandelsformate

Gleichzeitig werden grossflächige Einzelhandelseinrichtungen wie Shopping-Center immer noch neu gebaut oder bestehende Einkaufszentren in etlichen Zentren modernisiert, um handelsseitig auf die Herausforderungen der Digitalisierung und Konsumveränderung zu reagieren. Grosse Flächen werden seitens der Immobilienwirtschaft und des Einzelhandels vielfach (noch) als vorteilhaft bewertet.

Berlins stadtentwicklungspolitisches Ziel ist es, die vorhandenen Zentren zu stärken und zu entwickeln. Die Stadtentwicklungsplanung schafft hierzu mit ihren Steuerungsgrundsätzen einen verlässlichen Rahmen, der Planungs- und Investitionssicherheit bietet. Einzelhandelsfunktionen, auch die grossflächigen, stadt- und zentrenverträglich im Sinne von Verkehrsvermeidung, Sicherung der (Nah-) Versorgung und mit Gewinn für die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum zu steuern, ist ein wesentliches Ziel der gesamtstädtischen Planung.[1] Mit den Ausführungsvorschriften über grossflächige Einzelhandelseinrichtungen für das Land Berlin sind einschlägige Regelungen für ein einheitliches Verwaltungshandeln vorhanden.[2]

Nahversorgung erhalten

Bezirkliche Zentren- und Einzelhandelskonzepte und die konkrete Bauleitplanung sind Grundlagen, um die Nahversorgung zu sichern. Basis für diese bezirklichen Konzepte sind u.a. das Handbuch Einzelhandelserhebung[3], das eine einheitliche Methode zur Bestandsaufnahme von Verkaufsflächen umfasst, sowie – verwaltungsseitig relevant – Ausführungsvorschriften zum Aufbau und Inhalt bezirklicher Zentren- und Einzelhandelskonzepte.[4]

Netzwerke nutzen

Veranstaltung Berlins Hollywood 2016 Weissensee
Berlins Hollywood 2016 Weissensee, Foto: B. Pritzkuleit

Über die Planung hinaus werden öffentliche Mittel eingesetzt, um die Zentren zu stärken. Viele der städtischen Zentren liegen in Gebietskulissen der Städtebauförderung. Mit dem Programm «Aktive Zentren» werden seit 2008 neun Gebiete unterstützt. Lebensqualität, soziale und ethnische Integration, Zugang zu Bildung, ein lebendiges Kulturleben und ein attraktiver öffentlicher Raum stehen dabei ebenso im Mittelpunkt wie die Unterstützung des Strukturwandels im Einzelhandel mit neuen Potenzialen durch Partnerschaften vor Ort.[1] Nach acht Jahren werden nun die ersten Programmgebiete aus der Förderung entlassen.

Als öffentlich-private Partnerschaft des Landes Berlin in Kooperation mit der Berliner Wirtschaft zielt der Wettbewerb «MittendrIn Berlin! Projekte in Berliner Zentren»[2] darauf ab, freiwilliges, privates Engagement in den Berliner Geschäftsstrassen und Zentren zu stärken. Lokale Netzwerkarbeit und Aktionen im öffentlichen Raum sind darauf ausgerichtet, die Wahrnemung der Standorte zu steigern und zu ihrer Profilierung beizutragen. Seit dem Start im Jahr 2005 haben sich mehr als 110 Initiativen beteiligt, wurden mehr als 150 Konzepte entwickelt und 26 Projekte durch eine Jury für die Umsetzung ausgewählt.  

Konzeptionelle Grundlagen à jour halten

Angesichts der skizzierten Herausforderungen wird die gesamtstädtische Planung, der Stadtentwicklungsplan Zentren, aktualisiert. Die bewährten Ziele sollen weiterverfolgt und neue Entwicklungen planerisch aufgegriffen werden. Ziel ist es, die gute Mischung von Funktionen und Nutzungen in den Zentren zu sichern und zu stärken, um die hohe Lebensqualität, die Berlin bietet, zu erhalten. Im Sinne einer integrierten Stadtentwicklung ist dabei die Stärkung des Umweltverbundes in der Vielfalt der Verkehrsmittel nicht nur ein Schlüssel für eine klimaneutrale Stadt, sondern auch für eine verbesserte Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum.

Berlins Zentren profitieren von engen Kooperationen der unterschiedlichen Akteurinnen und Akteure. Die o.g. Programme zur Stärkung der Zentren setzen daher besonders auf die Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und Privaten, die als Eigentümerinnen, als Unternehmer, als Anwohnende für die Standortprofilierung wichtig sind. Berlins Zentren und Geschäftsstrassen zu gestalten und zu stärken, ist und bleibt damit eine Gemeinschaftsaufgabe vieler Akteurinnen und Akteure.

[1] Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt: Stadtentwicklungsplan Zentren 3, Statusbericht, Berlin 2016, S. 12.
http://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/stadtentwicklungsplanung/de/zentren/download/zentren3/StEPzentren3_statusbericht_2016.pdf Zugriff: 20.10.17

[2] Senatsverwaltung für Stadtentwicklung: Stadtentwicklungsplan Zentren 3, Berlin 2011, S. 13 ff.
http://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/stadtentwicklungsplanung/download/zentren/2011-07-31_StEP_Zentren3.pdf Zugriff: 20.10.17

[3] http://www.mittendrin-berlin.de/home Zugriff: 20.10.17

[4] http://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/stadtentwicklungsplanung/de/zentren/download/Handbuch_EH_Erhebungen_Berlin.pdf, Zugriff: 20.10.17

[5] http://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/stadtentwicklungsplanung/de/zentren/download/AV-Zentrenkonzepte_Amtsblatt-2015-48.pdf

[6] s.a. http://www.stadtentwicklung.berlin.de/staedtebau/foerderprogramme/aktive_zentren/, Zugriff: 20.10.17

[7] http://www.mittendrin-berlin.de, Zugriff: 20.10.17

  

Weitere Informationen