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TATORT KiöR: Denkmal

Mit der Öffentlichkeit das Denkmal denken

Keine von der Öffentlichkeit den Künstlerinnen und Künstlern zugedachte Aufgabe hat sich in ihrer Lösung in kurzer Zeit derart verändert wie das Denkmal. In diesem Zusammenhang müssen wir wieder einmal zur Kenntnis nehmen, welch grossen Einfluss die Bilderflut unserer Informations- und Mediengesellschaft auf unser Rezeptionsverhalten nimmt. Genau an diesem Punkt spalten sich einander überlagernde und sich auch dezidiert gegenüberstehende Erscheinungsformen zum einen und die Bewertungskriterien von Kunst, ganz allgemein, auf. Nachfolgend einige wenige exemplarische Beispiele, die den Verlauf der Entwicklung typologisch beschreiben.

 Helmut & Johanna Kandl: «Wächterhaus», Aflenz an der Sulm, Steiermark, 2009. © Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark
Helmut & Johanna Kandl: «Wächterhaus», Aflenz an der Sulm, Steiermark, 2009. © Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark

Wenn wir an zwei grosse Denkmalensembles des Österreicher Künstlers Alfred Hrdlicka – das sogenannte «Gegendenkmal» in Hamburg (1983-85) oder das «Mahnmal gegen Krieg und Faschismus» (1983-91) in Wien – denken und sie beispielsweise mit dem ebenfalls in Wien errichteten «Holocaust-Mahnmal» von Rachel Whiteread (2000) vergleichen, wird eine der neuen Perspektiven in diesem Genre schlagartig deutlich. Auf der einen Seite, der von Hrdlicka, erfährt die humanistische Grundtendenz durch traditionelle Pathosformeln mit geschundenen aus dem Stein gemeisselten Körpern ein erhebliches Mass an verallgemeinernder Inszenierung. Auf der anderen Seite, der von Whiteread, stellt sich mit der kubischen Architektur auf dem Judenplatz eine nach aussen „geschobene“ Bibliothek mit abgegossenen Regalen und Büchern, zunächst ein in der Geschichte des Judentums deutlich verankerter Kontext ein. Diesem folgt durch die Leere des unbetretbaren Innenraums und den Hinweis auf die 65'000 Opfer und die Namen ihrer Vernichtungslager der Anstoss zur kollektiven Erinnerung an den grausamen und unersetzlichen Verlust.

 Hans Haacke: «Und ihr habt doch gesiegt», Graz, 1988. © Sammlung EA Generali Foundation Wien; VBK, Wien.
Hans Haacke: «Und ihr habt doch gesiegt», Graz, 1988. © Sammlung EA Generali Foundation Wien; VBK, Wien.

Die Bevölkerung engagiert sich

In einer Reihe von Arbeiten von Jochen Gerz (zum Teil mit seiner Frau Esther) stehen wir vor einem radikal veränderten Denkmalbegriff. Ob es sich um das Holocaust-Mahnmal in Hamburg-Harburg (1986-93), das im letzten Moment nicht realisierte Konzept «Die Gänse vom Feliferhof» für den Schiessplatz des Bundesheers am Stadtrand von Graz (1996) oder jüngst um «63 Jahre danach – eine Arbeit mit der Öffentlichkeit» (2009/10) in der Steiermark handelt: Allen Beispielen gemeinsam ist die Anteilnahme der Bevölkerung oder bestimmter Zielgruppen daran. In Hamburg ist das Denkmal, vollkommen bedeckt mit Unterschriften, nach sieben Jahren verschwunden. Für das Militärareal sollten die Rekruten das Denkmal in Form von Fahnen jedesmal selbst errichten – in Zusammenarbeit mit einer grossen steirischen Tageszeitungen stimmten die Leser und Leserinnen über Fotos, Texte und Standorte im gesamten Bundesland ab.

Erinnerungszeichen für die Gegenwart

Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Formulierungen der Absichten und Wünsche der Auftraggeber Einfluss auf die Form der Gestaltung nehmen. Im Mittelpunkt stehen dabei die unterschiedlichen Kategorien der Ansprüche, wobei der Repräsentationsgestus eine wesentliche Rolle spielt. Wenn die öffentliche Hand an einem nationalen Monument interessiert ist, wird automatisch ein anderes Ergebnis erzeugt, als wenn es sich um ein Erinnerungszeichen handelt, das noch ausdrücklich in die Gegenwart hineinwirken soll und will. Dabei kann ein offen gehaltener, von heute aus gestalteter Erinnerungsprozess als Realisierungsvorschlag zu Debatte stehen, der sich entlang der gegenwärtigen politischen Realität entwickelt und dem Denkmal die Distanz nimmt.

Text: Werner Fenz*

Werner Fenz hält am Dienstag, 8. November 2011, um 18 Uhr im Kreuzgang des Landesmuseums den Vortrag «Mit der Öffentlichkeit das Denkmal denken». Im Rahmen der Gesprächsreihe TATORT der AG KiöR (Kunst im öffentlichen Raum). Eintritt frei.

* Werner Fenz (geb. 1944) ist Kunsthistoriker und Kurator, leitete die Neue Galerie und das Künstlerhaus in Graz und ist Universitätsdozent für Neueste Kunstgeschichte an der Universität Graz. Dort zeichnete er verantwortlich für das Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark (2006-2011).

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