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Aber zuerst ein Spiel!

Es war Samstagmorgen und für Lotto Spielende die letzte Gelegenheit, an der aktuellen Ziehung teilzunehmen. Dementsprechend gut besucht waren die Schweizer Kiosk-Filialen. Und auch wir eilten zu einem Kiosk in der Stadt — ein älterer Herr war gestürzt.

Illustration: Daniel Müller
Illustration: Daniel Müller

Text: Ramona Haupt

Als wir vor Ort eintrafen, betreuten bereits aufmerksame Passantinnen und Passanten den verletzten Mann. Er sei gestürzt, weil ihm plötzlich die Kraft in den Beinen gefehlt habe, antwortete er mir auf die Frage, was denn passiert sei. Ich untersuchte ihn kurz und wollte ihm in den Rettungswagen (RTW) helfen, um mir seine Verletzungen genauer anzuschauen. Nur mit viel Unterstützung unsererseits schaffte er die paar Schritte bis zum RTW. Es war deutlich erkennbar, dass er kaum noch Kraft in den Beinen hatte. Für uns war klar, dass er nach unserer medizinischen Erstversorgung für weitere Abklärungen ins Spital musste. Unser Patient schätzte die Situation aber völlig anders ein und lehnte eine Hospitalisierung entschieden ab.

Es sei schliesslich Samstag. Er müsse jetzt Lotto spielen, teilte er uns mit. Ich versuchte ihm zu erklären, dass dies in seiner momentanen gesundheitlichen Verfassung nicht möglich sei. Das müsse er doch einsehen, versuchte ich ihn zu überzeugen. Doch dies schien ihn weniger zu beunruhigen, als dass er nicht an der nächsten Lottoziehung teilnehmen könnte. Er sagte zu uns: «Ich spiele seit Jahren jeden Mittwoch und Samstag Lotto. Ich gehe nicht ins Spital.» Mir wurde schnell klar, dass eine weitere Diskussion mit ihm aussichtslos war. Also schlug ich ihm einen Handel vor. «Wenn ich Ihre Lottoscheine abgebe, kommen Sie dann mit ins Spital?», fragte ich ihn und stiess damit auf Gehör. Am Kiosk löste ich seine Spielscheine der vergangenen Ziehungen ein und gab seinen neuen Spielschein im Wert von hundert Franken ab. Leider brachte ich ihm kein Glück, und es gab keinen Gewinn. Als ich ihm das restliche Geld und die Quittungen als Beweis zurückgab, war er zufrieden und stimmte dem Spitaleinritt bei.

Ein solches (spielerisches) Erlebnis während eines Einsatzes ist kein Einzelfall. Mein Kollege Yves erzählte mir, dass er bei einem Einsatz seinen Partner Nick beim UNOSpielen mit hellbegeisterten Kindern vorfand. Die beiden waren zu einem hyperventilierenden Mädchen in einem Kinderheim gerufen worden. Natürlich waren die Kinder im Heim sehr aufgebracht, weil sie sich um ihre Freundin sorgten. Es war alles andere als einfach, die kleine Patientin zu beruhigen, da immer wieder andere Kinder ins Zimmer stürmten und sie ablenkten. Urplötzlich wurde es still vor der Tür. Yves wunderte sich zunächst darüber, fand dann aber seinen Arbeitskollegen an einem Tisch vor, umringt von Kindern mit UNO-Karten in der Hand. Die Kinder waren von ihrem neuen Spielpartner sehr angetan und konnten ihre eigene Nervosität dank der spielerischen Ablenkung ablegen. Selbst die junge Patientin beruhigte sich aufgrund der schwindenden Hektik, und meine Arbeitskollegen brachten sie zur Kontrolle ins Spital. Einziger Wermutstropfen: Nick konnte die Partie nicht zu Ende spielen.

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