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STUDIO FUMO – «Freiräume befreien»

Die Städtekonferenz Kultur (SKK) und die Stadt Zürich vergeben gemeinsam einen Atelieraufenthalt in Buenos Aires. Für den Sommer 2022 wurde er dem Künstler*innenkollektiv STUDIO FUMO zugesprochen. Vom Aufenthalt in Buenos Aires erhofft es sich neue Impulse für seine Auseinandersetzung mit dem heute vielfach gefährdeten öffentlichen Raum.

Mobile Zukunft

Das FUMO-Mobil wird zum Treffpunkt im Kasernenareal.

Zwei Jahre lang tourte das FUMO-Mobil (FUtureMObilien-Mobil) durch die Stadt Zürich und parkte dabei konsequent im Halteverbot. In provokativer Absicht und mit dem erklärten Ziel, den öffentlichen Raum neu zu besetzen. Das Mobil war einst ein Transportanhänger, der als «Summergarte»-Beiz auf dem Zeughaushof des Zürcher Kasernenareals stand und durch eine neue Infrastruktur ersetzt werden musste. Kurzerhand übernahm STUDIO FUMO das Gefährt und machte es zu einer Metapher der Einmischung. Hinter dem Kollektiv stehen die Künstlerinnen Melanie Bucher und Vera Egli in Kooperation mit immer wieder anderen Akteur*innen. Fortan tauchte ihr FUMO-Mobil vor den Kulissen der Europaallee und im Kontext der Umgestaltung des Kasernenareals auf und brachte sich in die Diskussion um Verdrängungsmechanismen im urbanen Raum ein. Der Wagen bot Raum für die kreative Selbstermächtigung: Kulturelle Freiräume und alternative Lebensräume entwickeln bedeutet für STUDIO FUMO, darüber nachzudenken, wie diese «Freiräume befreit» und das «Besetzen neu besetzt» werden können.

Das Kollektiv versteht seine Arbeit als Anleitung für eine sehr direkte Do it yourself-Stadtentwicklung von unten und wirbt mit Slogans wie «Weile ohne Eile». Das Ergebnis soll dem Kollektiv zufolge eine «poetische Aufwertung» sein, denn «Raum ist Luxus» und «Besetzen en vogue». Mit seinen Interventionen bietet STUDIO FUMO einen Freiraum für Mitgestaltung, für spontane und gemeinschaftsbildende Aktionen. Der dringende Bedarf nach solchen Begegnungsorten zeigte sich in der Pandemiezeit besonders deutlich. Ein improvisierter Lockdown-Gym, eine Hundeshow mit den Haustieren von Teilnehmer*innen oder eine Take-Away-Tavolata gegen Lebensmittelverschwendung (food waste) fanden während dieser Zeit regen Anklang:

«Wir befinden uns immer im Freien an der frischen Luft. Da erproben wir neue Formate für sozialen Austausch. Aktivismus bedeutet für uns, Spielraum zu schaffen. Es bedeutet, mit Menschen zu sprechen und sie für die Problematik zu sensibilisieren.»

Smartes Sampling

«Grau Stadt Zureich»: Parodie der Sprache der Verwaltung.

Mit dem «Hacking» bestehender Strukturen, Aktionen in der legalen Grauzone und subversiver Inanspruchnahme von öffentlichen Räumen und Strukturen unterstreicht das Kollektiv das Recht aller auf den öffentlichen Stadtraum. Es erinnert daran, dass der öffentliche, für alle gleichermassen zugängliche Stadtraum nicht selbstverständlich und aufgrund vieler miteinander konkurrierender Ansprüche auch eine Konfliktzone ist. Das «informelle Amt für Stadtunplanung» und das «Departement Grau Stadt Zureich» waren Teil der provokativen Aktionen, mit denen das Kollektiv auf dem Zeughaushof auftrat. Zum Repertoire der Interventionen gehört nicht nur die Parodie der Verwaltungsstrukturen und ihrer Benennungen. Das STUDIO FUMO erobert sich das Territorium auch mit unerwarteten Spielereien, ironischen Bild- und Wortkreationen und bissigen Kommentaren zurück und nutzt es zu seinem Vorteil. Seine Referenzen sind dabei breit gefächert: Das Kollektiv eignet sich die Rhetorik der Hausbesetzer an und bewegt sich auf dem schmalen Grat zwischen Kunst im öffentlichen Raum und öffentlichem Ärgernis. Das experimentell-spielerische Handeln erinnert nicht zuletzt an die Dadaisten, die der bürgerlichen Norm mit Nonsense, Witz und Ironie begegneten. Auch Manifeste, Gedichte und Collagen von Materialien, wie sie von Dadaisten als künstlerische Protestmittel eingesetzt wurden und seither als solche sowohl in der Kunst als auch der Gegenkultur immer wieder genutzt werden, gehören zum Programm. Das Kollektiv greift überdies auf kultursoziologische Theorien zur Stadtentwicklung zurück. Dort war die Rückeroberung des «Rechts auf Stadt» zuletzt ein vieldiskutiertes Thema. STUDIO FUMO lanciert aber auch feministische Appelle und zitiert mit grosser Selbstverständlichkeit Elemente der Alltagskultur oder der Werbung, um auf die Forderung nach alternativen Räumen und die Neuinterpretation von Bestehendem aufmerksam zu machen. Diese bewusst vielfältigen, dadurch manchmal irritierenden, aber stets mit Ironie gesetzten Bezüge tragen zur reizvollen Mehrdeutigkeit der Interventionen von STUDIO FUMO bei.

Poetische Aufwertung: Neue Wege im Zeughaushof.

Road Trip ins Ungewisse

«Reclaim Zurich»: Standplatz vor dem Opernhaus.

Der stete, nicht immer konfliktfreie Austausch mit den Behörden ist Teil der Arbeit und fliesst bisweilen auch auf listige Weise in Werke ein. Durch einen Zufall konnte etwa die Zulassung der Stationierung auf dem Kasernenareal verlängert werden: Das Mobil wurde von einer Amselbrut besetzt und das Kollektiv konnte mit einer Schutz-Anordnung von «Bird Life» seine Wegweisung aufschieben, bis die Brutzeit vorüber und die Amselkinder flügge waren. Vom Kasernenareal gelangte das Mobil schliesslich, begleitet von einer performativen «Freiraum-Prozession», zum Stauffacher, wo es im Sommer 2021 Halt machte. Unterwegs auf seiner «Kreuzfahrt» durch die Stadt legte es temporäre Stopps vor dem Globus und dem Opernhaus ein. Damit sollte wichtigen Stationen der bewegten Zürcher Protestgeschichte Tribut gezollt werden. Über eine dem Abbruch geweihte Tankstelle mit der «Drive-In Exhibition AVIA der Illegalerie» am Kreuzplatz führte die Reise über die Stadionbrache in die Rote Fabrik. Im Sommer 2022 wird STUDIO FUMO nach Buenos Aires weiterziehen, wo es ein Atelier-Stipendium der SKK und der Stadt Zürich antreten wird. 

«Wir wollen Menschen kennenlernen und das Quartier erforschen. Wir wollen Frauen von der Ni Una Menos Bewegung treffen. Wir wollen mit Offenheit, Neugierde und Respekt herausfinden, wie sich unsere Fragen an Gesellschaft, Stadt und politische Strukturen in einem anderen kulturellen Kontext verhalten. La Boca wird uns Fragen stellen, auf die wir sicher keine Lösungen finden. Aber suchen werden wir sie. Vamos a la Boca!»

STUDIO FUMO auf Recherche in Buenos Aires.

Das FUMO-Mobil trotzt derweil auf dem letzten in der Zürcher Manegg verbleibenden Industrieareal dem Bauboom der Greencity an der Allmendstrasse. Zwischennutzungen durch den Verein Zitrone und die Raumbörse sorgen noch bis zum Baubeginn eines neuen Schulhauses 2024 für kulturelle Begegnungs- und kreative Arbeitszonen. An der Fassade des Gebäudes hängt prominent und gut sichtbar vom vielbefahrenen Autobahnzubringer aus eine übermalte Bauplane als Werbebanner der «Lusthanfa» für One Way-Billigflüge nach Übersee.

Text: Sabine Rusterholz Petko, Kunsthistorikerin und freie Kuratorin, Präsidentin der Kommission für Bildende Kunst Stadt Zürich

Foto: STUDIO FUMO

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