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Grabungstagebuch: Hatten die schon Haustiere?

Niels Bleicher

Emanuela Jochum ist Ausgräberin und Teamleiterin bei der Grabung Parkhaus Opéra. Die Archäologin ist spezialisiert auf Tierknochen.

 Die meisten Archäologinnen und Archäologen haben ein Flair für bestimmte Materialien. Die einen lieben Keramik, andere Holz – meine Lieblingsfunde sind Tierknochen. Sie verraten viele, lebensnahe Details: Wir wissen, dass Schweine und Rinder die wichtigsten Fleischlieferanten waren. Schafe und Ziegen sind – wie für Seeufersiedlungen dieser Zeit typisch – selten. Aber man kann noch viel mehr herausfinden: beispielsweise wie gross oder wie alt die Tiere waren, als man sie geschlachtet hat, oder ob sie als Zugtiere eingesetzt wurden. Das hinterlässt Spuren an den Gelenken. Die Verteilung der Schlachtalter verrät sogar, ob das Zuchtziel der Steinzeitler vornehmlich Fleisch- oder Milchproduktion war. Mit der Untersuchung der Knochen werfen wir einen Blick in die 5000-jährigen Rechnungsbücher damaliger Viehzüchter.

 Natürlich hat man auch gejagt. Vor allem Hirsch. Es gab tatsächlich bereits in der Jungsteinzeit Phasen der Überjagung. Die Hirschpopulation litt, die Knochen der Tiere sind kleiner als üblich. Und wer ahnt schon, dass Hase und Fuchs in Mitteleuropas dichten Wäldern kaum Lebensraum fanden? Ihre Knochen finden wir in den Siedlungen jeweils erst zu jenen Zeiten häufiger, als die Menschen Wald in Grünland umwandelten. Es gab diese Tiere in der Kulturlandschaft des dritten Jahrtausends vor Christus also häufiger als vorher.

 Die Untersuchung der Knochen der Grabung Opéra wird spannend. Aber jede Methode hat ihre Grenzen. Vor mir liegt ein kleiner Schädel. Grösse, Form und ein kleiner Grat an seiner Oberseite zeigen, dass es sich um einen Hundeschädel handelt. Wem gehörte dieser Hund? War er ein Jagdgefährte oder der Spielkamerad eines Dorfbewohners? Hatte er einen Namen? Und wurde sein Tod von einem menschlichen Freund betrauert? Das menschlich Allzumenschliche bleibt leider im Dunkeln. Auch wenn man Tierknochen untersucht.

(Tages-Anzeiger, 15. November 2010)

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