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Christoph Doswald: Mit allen Regeln der Kunst

Wer in Zürich den Veränderungen folgen will, muss am Ball bleiben. Elf Jahre war Christoph Doswald oder cd, wie er seine kurzen und bündigen Mails signiert, Vorsitzender der AG KiöR. In dieser Zeit hat er den rasanten Wandel der Stadt mit Kunst im öffentlichen Raum begleitet. 2006 wurde die Arbeitsgruppe unter dem Präsidium von Dorothea Strauss mit einem Apéro und den guten Wünschen des Stadtrats auf den Weg geschickt. Seither treffen sich externe Fachpersonen regelmässig mit den Delegierten der verschiedenen Ämter, die an Kernthemen und Schnittstellen des urbanen Gebildes arbeiten. In der Phantasie wirken die künstlerischen Möglichkeiten grenzenlos. Zur Fokussierung der Mission reflektiert die AG KiöR Grundhaltung, Kriterien und Schwerpunkte und versucht das Verhältnis zwischen Pflicht und Kür auszutarieren.

Tatkräftig am gleichen Aluminiumdraht ziehen: Christoph Doswald (r.) bei einer Performance von Daniel Knorr (l.) im Rahmen des Werks «Instant Community», 2013/2018, anlässlich der Ausstellung «Neuer Norden Zürich», 08.06-02.09.2018. Foto Peter Baracchi/KiöR, Stadt Zürich.

Kunst

Valentin Carron, «Ca-Tarac-Ta», 2012 (platziert 2015), Parkanlage Förrlibuckstrasse/Pfingstweidstrasse. Foto Martin Stollenwerk/KiöR, Stadt Zürich.
Valentin Carron, «Ca-Tarac-Ta», 2012 (platziert 2015), Parkanlage Förrlibuckstrasse/Pfingstweidstrasse. Foto Martin Stollenwerk/KiöR, Stadt Zürich.

Seit ihrer Gründung legt die Gruppe immer wieder imaginäre Kalkpapiere auf die Planmatrizen der Stadtentwicklung. Schon bald einmal stand das Kürzel KiöR dafür, Stadträume künstlerisch auf Achse bringen, ein Nagelhaus ermöglichen und mittels Hafenkran die Sicht aufs Mittelmeer freilegen zu wollen. Dabei holte sich die AG das eine oder andere blaue Auge. Sie lernte und wurde recht treffsicher. In unterschiedlichen Konstellationen konnte Christoph Doswald gemeinsam mit der dem Tiefbauamt angegliederten Fachstelle – erst unter der Leitung von Bettina Burkhardt, dann von Sara Izzo – immer wieder Setzungen vornehmen. Erinnert sei an Jenny Holzers Installation (2009), die vom Lindenhof herunterleuchtete, ohne die Fische beim Laichen zu stören, oder Robert Müllers «Fanfare» vor dem Kunsthaus, für die 2010 ein passender Alternativstandort in Langenthal gefunden wurde. Aus der Idee der sommerlichen Gasträume wuchsen die Grossveranstaltung «Art and the City» (2012) mit internationaler Ausstrahlung und die Nachfolgeformate «Art Altstetten Albisrieden» (2015) sowie «Neuer Norden Zürich» (2018) rund um die Schwamendinger Autobahn-Einhausung. Das waren CDs kuratorische Meisterstücke.

Die Künstler Baltensperger + Siepert beim Sortieren des Recycling-Materials für «Die Glocke», Hunziker-Areal (Hagenholzstrasse 104) Zürich. Foto Baltensperger + Siepert/KiöR, Stadt Zürich.
Die Künstler Baltensperger + Siepert beim Sortieren des Recycling-Materials für «Die Glocke», Hunziker-Areal (Hagenholzstrasse 104) Zürich. Foto Baltensperger + Siepert/KiöR, Stadt Zürich.

Einzelne Kunstwerke im Stadtnetz, um die sich die KiöR kümmerte, sind unter anderem: Valentin Carrons Brunnen «Ca-Tarac-Ta», Haroun Farockis «Übertragung», der rosarote Pudel von Denise Altermatt am Baugerüst vor dem Stadthaus, die «Catedrales» aus Backstein von Los Carpinteros, Sislex Xhafas «Ypsilon», Carsten Hoellers Denkmal für Hans Künzi, das partizipative Glockenprojekt des Duos Baltensperger + Siepert, Ai Weiweis Marmorsessel am Paradeplatz – dies als kleine Auswahl neben vielem mehr. In jüngster Zeit kamen Heinrich Gartentors magische Magerwiese auf dem Münsterhof hinzu und natürlich Fischli/Weiss’ «Haus» bei der Velorennbahn in Oerlikon. Besonders gelungen wirkt die poetische Lösung für «Le Silence» von Ödön Koch aus dem Jahr 1969/70. Als zeitloses «Pièce de résistance» zügelte der ruhige weisse Kubus 2015 ins Grüne nach Witikon.

Das aus dem gesammelten Material gegossene Werk: «Die Glocke», 2018, Hunziker-Areal, Zürich. Foto Baltensperger + Siepert/KiöR, Stadt Zürich.
Das aus dem gesammelten Material gegossene Werk: «Die Glocke», 2018, Hunziker-Areal, Zürich. Foto Baltensperger + Siepert/KiöR, Stadt Zürich.

Und weil Kuratieren auch «Sorge tragen» bedeutet, verfügt Zürich über ein Inventar der Kunst im öffentlichen Raum. Es dient dem Publikum zur Orientierung in der grossen Zürcher Freilichtausstellung, für die es kein Ticket braucht, und hilft Passant*innen, Passagen durch den Stadtkörper zu ziehen. Wer die bunte Ansammlung schon mal zum Motiv eines Sonntagsspaziergangs gemacht hat, weiss um die aussergewöhnlichen Standorte und die Vielfalt der Kunstwerke im Lauf der städtischen Dinge. Sie dienen als Orientierungspunkte von den Ursprüngen Zürichs bis zur Gegenwart.

Öffentlichkeit

Fischli/Weiss, «Haus», 1987/2016, Offene Rennbahn (Thurgauerstrasse 2), Zürich. Foto Pierluigi Macor/Kiör, Stadt Zürich.
Fischli/Weiss, «Haus», 1987/2016, Offene Rennbahn (Thurgauerstrasse 2), Zürich. Foto Pierluigi Macor/Kiör, Stadt Zürich.

CD bewegt sich seit jeher in diversen Rollen zwischen Kunst, Kultur und Gesellschaft. Als Journalist, Moderator, Autor oder Dozent ist er ein soziales Wesen. Als Kurator sucht er bei der Entwicklung der einzelnen Werke die Nähe zu den Künstlerinnen und Künstlern. Und wie jeder Kurator, jede Kuratorin, hat CD eine Agenda, in seinem Falle eine «Feuille de route» durch Zürichs Raum und Zeit. Als Vorsitzender der AG KiöR stand er auf und ging voran. Seine Pilgerreise führte ihn an die «Tatorte» in den Quartieren ebenso wie in die Wandelgänge und Teppichetagen. Das Betreuen von Kunstwerken und Kunstschaffenden, die parallelen Prozesse des Konservierens und Kuratierens, des Vermittelns, Verbündens, Ermöglichens und Beratens zeigen die Bandbreite der Bespielung des öffentlichen Raums mit künstlerischen Mitteln. Es geht dabei um die Balance, wobei die Freiheit der Kunst ebenso respektiert werden will wie die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Das ist keine einfache Sache: Harald Naegeli ist ja nicht der einzige Kunstschaffende, der die Frage nach den geteilten Werten der Stadtbevölkerung stellt und die Gemüter zum Tanzen bringen kann.

Raum

Harun Farocki, «Übertragung», 2007, Limmatplatz. Foto Pietro Mattioli/KiöR, Stadt Zürich.
Harun Farocki, «Übertragung», 2007, Limmatplatz. Foto Pietro Mattioli/KiöR, Stadt Zürich.

Der reale wie mentale öffentliche Raum ist in permanenter Bewegung. Räume öffnen und schliessen sich an den unterschiedlichsten Orten zwischen Zentrum und Peripherie. Sie wollen und sollen verhandelt werden. Kunst setzt subjektive Statements und besetzt den Raum mitunter. Es ist Teil des Spiels, dass künstlerische Gesten zu Diskussionen anregen. Aus diesem Grund begreift sich Kunst als Aufforderung zur Auseinandersetzung und nicht als abschliessende Behauptung. Auch deshalb bedeutet Kuratieren «Sorge tragen»: Sorge tragen, dass Kunst im öffentlichen Raum Orientierung durch Zeit und Raum bieten kann. Elf Jahre hat CD diesen komplexen Prozess zwischen Norden und Süden, Westen und Osten in der Öffentlichkeit in Fluss gehalten, zielstrebig, sorgfältig, unerschrocken und diplomatisch – mit allen Regeln der Kunst.

Text: Juri Steiner

Jenny Holzer, Lichtprojektion, 11.–22. November 2009. Foto KiöR, Stadt Zürich.

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