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Kunstwerke im Winterschlaf

Egal, ob die Sonne scheint, ob es schneit, hagelt oder Nebel liegt: Die Kunstwerke im Aussenraum halten Wind und Wetter stand. Auch wenn uns der Alltag meist nicht innehalten und die Umgebung bewusst betrachten lässt, registrieren wir die Objekte im öffentlichen Raum. Veränderungen aufgrund einer Restaurierung oder Umplatzierung fallen uns auf.

Während der kalten Jahreszeit gibt es Werke aus der Sammlung Kunst im öffentlichen Raum, die zum Schutz eingepackt werden und dadurch an Sichtbarkeit einbüssen. Die Gruppe von Flamingos aus Bronze (1935, versetzt 1951) von Estrid Christensen beispielsweise steht in einem Teich des Belvoirparks. Da das Wasser über die Wintermonate abgelassen wird und die Vögel auf filigranen Stelzen leichter zu erreichen und zu beschädigen sind, werden sie mit einer Holzkonstruktion eingehaust. Der Brunnen «Ca-Tarac-Ta» (2012, platziert 2015) von Valentin Carron im Kreis 5 wird mit einer Ummantelung versehen, damit kein Wasser gepumpt wird, das gefroren zur Rutschgefahr werden könnte. Im Bestand von Kunst und Bau werden ebenfalls einige Kunstwerke mit einer Einhausung geschützt. Darunter befinden sich die Brunnenplastik «Baum» (1972) von Peter Meister im Gesundheitszentrum für das Alter Oberstrass, die Skulptur «Löwe» (1898) von Urs Eggenschwyler im Gemeinschaftszentrum Seebach sowie das Brunnenobjekt «Hier» (2007) von Ugo Rondinone in der Wohnsiedlung Werdwies. Die Eisenplastik «Heureka» des Schweizer Künstlers Jean Tinguely (1925–1991) verliert zwar nicht an Sichtbarkeit, aber sie verstummt.

«Heureka»: Augenfällig komplexes Getriebe.

Seit Mitte Oktober knattert es nicht mehr am Zürichhorn. «Heureka» ist abgeschaltet worden und befindet sich im Winterschlaf. Jeweils von April bis Oktober läuft die Maschine dreimal täglich für acht Minuten zur Freude vieler Anwohner*innen, Tourist*innen und Schulklassen. Tinguely hatte seine erste Grossplastik für die Lausanner Landesausstellung «Expo 64» erschaffen. Danach wurde sie vom Unternehmer und Kunstsammler Walter A. Bechtler erworben und der Stadt Zürich als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt. Er hatte 1955 eine Stiftung gegründet mit dem Zweck, zeitgenössische Kunst, insbesondere Plastiken und Skulpturen, aufzukaufen und der Bevölkerung im öffentlichen Raum zugänglich zu machen.

Bei der Bevölkerung beliebt

Nicht das Kunstwerk, sondern die Suche nach einem Standort war damals Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzung und nahm ungefähr ein Jahr in Anspruch. Die heutige Platzierung beim Zürichhorn verdankt «Heureka» dem Umstand, dass Anfang des Jahres 1967 schnell eine Lösung gefunden werden musste. Eine passende Kulisse war gefragt, weil das Kunstwerk in einem Film über Jean Tinguelys Schaffen für die Weltausstellung von Montreal berücksichtigt werden sollte. Es wurde entschieden, «Heureka» auf zwei Jahre begrenzt dort aufzustellen. Nach fünfjährigem Provisorium entschied der Stadtrat 1972, sie definitiv am Seeufer stehen zu lassen.

Trotz der Grösse und einem Gewicht von einigen Tonnen hat das Kunstwerk den Standort seither zweimal für weite Reisen temporär verlassen. Die Auszeiten zeigten Wirkung, denn «Heureka» wurde während ihrer Abwesenheit vermisst. 1988 wurde sie an der Weltausstellung unter dem Titel «Leisure in the Age of Technology» im australischen Brisbane gezeigt und 2011 für die Skulpturenausstellung «ArtZuid 2011» nach Amsterdam ausgeliehen.

Emanuel Kümin, tätig im Sicherheits-Metallbau, bereitet «Heureka» auf den Winter vor.

Mit dem 1967 genehmigten Vertrag gelangte das Kunstwerk als Dauerleihgabe in den Sammlungsbestand der Stadt Zürich. Die Stadt ist seither für den Unterhalt zuständig, für den die KiöR seit ihrer Gründung 2006 verantwortlich ist. Bis 2019 betraute die KiöR Fachleute aus der Metallwerkstatt in Wallisellen von Entsorgung und Recycling Zürich (ERZ) mit der Aufgabe. Nach der Schliessung des Werkhofs wurde die Firma SAFOS AG beauftragt, für die heute die Metallbauer arbeiten, die sich bei ERZ das von Tinguely persönlich vermittelte Wissen zum kinetischen Werk über Jahre weitergegeben haben. Während der Betriebszeit von April bis Oktober wird «Heureka» im Abstand von etwa eineinhalb Monaten mit einer Sichtkontrolle überprüft und gepflegt. Aufgrund des Anlasses «Kino am See» läuft das motorisierte Kunstwerk jeweils von Juli bis August nicht.

Maschine voller Geheimnisse

Pünktlich nach der letzten jährlichen «Aufführung» vom 15. Oktober wird die Maschinenplastik auf den Winter vorbereitet, abgeschaltet und ordentlich geschmiert. Kurz nachdem «Heureka» verstummt ist, begibt sich der ausgebildete Metallbauschlosser Emanuel Kümin zum Zürichhorn. Kümin hat «Heureka» zum ersten Mal bei der Restaurierung 2011/12 nach der Rückkehr aus Amsterdam gesehen. Er schätzt, dass es mindestens drei Jahre in Anspruch genommen habe, bis er in die Geheimnisse der Maschine eingearbeitet gewesen sei. Um Störungen wie beispielsweise das Lösen der Riemen bei Reifbildung zu vermeiden, werde die Maschine im Winter abgeschaltet. Vor der Ruhephase sei es besonders wichtig, dass das Kunstwerk nochmals laufen gelassen werde, um mögliche Schäden zu erkennen und die Schmierbüchsen mit Fett zu füllen. Ansonsten könnte Wasser eindringen, das im Winter gefriere und die Büchsen beschädige, wie Emanuel Kümin erklärt. Zusätzlich werde darauf geachtet, dass die beweglichen Teile soweit als möglich zurückgefahren werden, damit sie nicht zu stark exponiert herausstehen.

Nach etwa zwei Stunden sind die Vorbereitungen für den Winterschlaf abgeschlossen. «Heureka» ruht, bis sie im März für eine nächste Saison voller Knattern, Rattern und Quietschen erneut zum Leben erweckt wird.

Text: Karoliina Elmer, Projektleiterin KiöR
Foto: Cédric Eisenring, «Heureka»
Peter Baracchi, Porträt Emanuel Kümin

Jean Tinguely (1925–1991), «Heureka», 1963/64 (platziert 1967), Eisenstangen, Stahlräder, Metallröhren, Holzräder, Metallpfanne, verschiedene Motoren, 220 V
780.0 x 660.0 x 410.0 cm

Reguläre Betriebszeiten: 1. April bis 15. Oktober, täglich 11 Uhr, 15 Uhr, 19 Uhr, jeweils 8 Minuten Laufzeit

Betrieb zu Sonderzeiten auf Voranmeldung möglich. Anmeldung über das Kontaktformular

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