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KiöR: Kunst denkt subtil

Anfang 2022 hat die neu gewählte, breit aufgestellte Kommission KiöR (KKiöR) ihr Mandat aufgenommen. Zahlreiche Anliegen erforderten sogleich konzentrierten Einsatz. Priorität hatte die Überarbeitung des Leitbilds. Denn auf dessen Grundlage richtet die KiöR ihre Arbeitsweise und das künftige Programm aus.

Mit dem Eintritt der neuen externen und internen Kommissionsmitglieder hat die Organisation auch über das Thema der Kunst hinaus an Expertise und Verbindungen zu anderen Bereichen, wie zum Beispiel Umweltbildung, Städtebau, Landschaftsarchitektur gewonnen. Diese Themenvielfalt spiegelt sich im neuen Leitbild wider, das am 5. April 2023 vom Zürcher Stadtrat beschlossen worden ist und das hier eingesehen werden kann. 

«Das neueste KiöR-Leitbild baut auf dem Erfahrungsschatz der bisherigen Arbeitsgruppe und Fachstelle KiöR auf. Darüber hinaus bietet es zeitgemässe und zukunftsweisende neue Perspektiven», sagt Barbara Basting, die als Leiterin des Ressorts Bildende Kunst seit 2014 die Anliegen der Kulturförderung in der KiöR vertritt. Das neue Leitbild berücksichtigt, dass der öffentliche Raum zunehmend durch digitale Entwicklungen geprägt wird. Zudem wird der Begriff des «öffentlichen Raums» selbst neu gedacht. Verstanden werden darunter nicht mehr nur physische Orte, sondern auch soziale und digitale Räume. Es geht nicht mehr einfach um Parks und Plätze, sondern um «Öffentlichkeit» in umfassenderem Sinn. Da spielen auch Massenmedien, digitale Netzwerke und Plattformen eine Rolle und werden selbst zu künstlerisch interessanten Feldern.

Im Spannungsfeld von Stadtraum und Kunst

Kunst im öffentlichen Raum soll bereits beim Ort des Austausches ansetzen. Künstler*innen sollen eingeladen werden, im öffentlichen Raum Diskussions- und Gestaltungspotenzial zu erschliessen, um beispielsweise die Teilhabe der Bevölkerung an der Kunst zu fördern und deren Diversität sichtbar zu machen. Diese durch künstlerische Interventionen geschaffenen «Möglichkeitsräume» erhalten Kunststatus. Jörg Scheller, Mitglied Kommission KiöR, Kunstwissenschaftler, Journalist und Musiker drückt es so aus: «[…] im Idealfall ist der öffentliche Raum kein Raum, der die Öffentlichkeit repräsentiert, sondern an dem sich Öffentlichkeit konstituiert – indem sie sich auf demokratische, faire und freiheitliche Weise darüber verständigt, wer sie eigentlich ist. Kunst kann hier dazu beitragen, die Räume und Identitäten zu öffnen, statt sie zu schliessen, und Dialoge statt Monologe zu fördern».

Eine weitere wichtige Strategie sieht das Leitbild in der Begleitung der städtischen Veränderungen: Kunst im öffentlichen Raum soll urbane Entwicklungen und deren Auswirkungen thematisieren, aber auch über Zürich hinaus relevante Themen durch eine lokale Linse scharf stellen und in globale Zusammenhänge einordnen. Interdisziplinäre Herangehensweisen und integrale Ansätze sind wichtig, denn «der Stadtraum bildet die gesellschaftlich verhandelten Themen seiner Zeit ab», wie Jasmin Dallafior feststellt. Als Leiterin Fachbereich Grundlagen und Strategien des Tiefbauamts ist sie Mitglied der Kommission KiöR. Beim Einbeziehen der städtischen Entwicklung macht sie Möglichkeiten und Aufgaben für die Kunst aus: «Diese Transformationen prozessbasiert und experimentell zu begleiten, trägt zur notwendigen Diskussion darüber bei, was für Städte und damit auch Gesellschaften wir wollen. So sind in den letzten fünf bis zehn Jahren Themen wie der Klimawandel, die Digitalisierung sowie der Anspruch an vermehrte Mitwirkung bei der Gestaltung und Aushandlung zentral geworden. Umso wichtiger ist es, dass mit Kunst im öffentlichen Raum nicht nur die positiven Qualitäten, sondern auch Dissonanzen des Stadtraums an diesen Wachstumszonen reflektiert und weiterentwickelt werden, und damit ermöglicht wird, mit den Städter*innen in einen für beide Seiten fruchtbaren Dialog zu treten.»

Das Künstlerpaar Studer/van den Berg, das Mitglied in der Kommission ist und sich schon früh mit Medien- und Internetkunst auseinandergesetzt hat, greift die Vorstellung von Krise als Auslöser für Wandel auf: «Relevante Kunst bindet an Themen an, die die Menschen unserer Zeit umtreiben und beschäftigen. Das sind Krisen von Identität und Körper, von natürlichen Ressourcen und wirtschaftlichen Strukturen, von Digitalität und empathischem Miteinander, die sich im urbanen Raum konzentriert widerspiegeln. Als prioritäres Mittel, um über all diese Fragen nachzudenken, sehen wir Räume physischer, digitaler oder hybrider Präsenz, die den gebauten Stadtraum um neue Orte des Verhandelns erweitern.» Die Kunst, die sich das Künstlerpaar im öffentlichen Raum wünscht, «ist digital, immateriell, experimentell, hybrid, ephemer, einschliessend, prozessbasiert, vermittelnd, ermöglichend, provokativ, ergebnisoffen, anregend, gemeinschaftlich und Futter für die Seele».

Interaktion der Kunst mit ihrem Umfeld

Die Fokussierung auf das Zusammenspiel mit digitalen Technologien verdankt das neue Leitbild auch dem Kunsthistoriker, Kurator und Autor Heiko Schmid, der seit 2022 die Kommission KiöR präsidiert und die Aktualisierung des Leitbilds vorangetrieben hat. Sein Wissen über digitale Künste, deren Vermittlung und seine Erfahrung im Kuratieren solcher Werke werden in die künftigen Projekte einfliessen. Darüber hinaus haben sich im Austausch mit der Kommission weitere kritische Ansätze im Leitbild der KiöR eröffnet. Zentral war «die Frage, wie der öffentliche Raum für die bildende Kunst angeeignet werden kann, wenn dieser durch technologische, kulturelle und soziale Entwicklungen selbst unter hohem Transformationsdruck steht». Über den Ort des Wandels hinaus definiert sich der öffentliche Raum für Schmid auch als «Zustand, in dem nicht nur die Kunst-Rezeption in Konfrontationen mit der Aufmerksamkeitsökonomie des Alltäglichen erprobt werden muss. Was die bildende Kunst hierbei bieten kann, ist eine Art von effektiver Subtilität oder auch lauter Beiläufigkeit».

So dürfte es künftig in der Stadt durch Kunst auf subtile Weise laut werden: Menschen treffen zufällig auf Kunst im öffentlichen Raum. Das unterscheidet diese Begegnung wesentlich von jener in Museen oder Galerien. Kunst im öffentlichen Raum prägt den Ort, der sie umgibt, und sie wird von ihm geprägt. Diese Interaktion steht im Zentrum der Aufmerksamkeit der KiöR. Das neue Leitbild sieht dementsprechend keine klassisch ausgestellten Werke mehr vor. Vielmehr fördert es Formate wie Langzeit- oder Community-Projekte sowie künstlerische Arbeiten, die bei der Auseinandersetzung und der «Durchleuchtung» eines Ortes und seines sozialen Charakters ihren Ausgangspunkt nehmen. In diesem Rahmen können auch bisherige Projekte wie «Lokaltermin Schwamendingen» und «Kunst für den Münsterhof» weitergeführt werden.

Text: Sara Izzo (Leiterin Fachstelle KiöR) und Karoliina Elmer (Projektleiterin KiöR)

Die Autorinnen sprechen den Kommissionsmitgliedern, insbesondere der Redaktionsgruppe unter Federführung des Vorsitzenden Heiko Schmid, ihren grossen Dank aus. Für die gestalterische Umsetzung richtet sich das Dankeschön an Christof Nüssli von Studio Nüssli + Nuessli.

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