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Auf dem Pflaster liegt die Wiese

Einst reaktivierte er einen stillgelegten Autofriedhof. Nun verwandelt er einen Teil des gepflästerten Münsterhofs in eine blühende Wiese. Der Berner Oberländer Heinrich Gartentor kommt auf Einladung der Arbeitsgruppe Kunst im öffentlichen Raum (AG KiöR) im August nach Zürich.

Vor etwas mehr als zehn Jahren pilgerten Menschen und Medien zu Tausenden ins bernische Kaufdorf, zum Autofriedhof Gürbetal. Dort hatte der Aktionskünstler Heinrich Gartentor im Sommer 2008 zwei Dutzend Komplizinnen und Komplizen zu einem einzigartigen Happening geladen. Auf einem stillgelegten Oldtimer-Friedhof inszenierte Gartentor ein kulturhistorisches Spektakel. Seine Ausstellung beschwor die Synthese von rostigen Benzinkutschen und Gegenwartskunst.

Plötzlich dieses Grün: Heinrich Gartentor verwandelt und verzaubert den Münsterhof. Bild: Peter Baracchi/Stadt Zürich KiöR

Das Klima im urbanen Raum

Ab Mitte August 2019 wirkt Gartentor nun auf Zürichs Münsterhof. Im Rahmen des Studienauftrags «Kunst für den Münsterhof» wurde der Berner Künstler eingeladen, ein temporäres Kunstwerk für den Münsterhof umzusetzen. Nach dem Sonnensegel-Projekt von Claudia Comte (2017) und dem partizipativen Künstleratelier von Pawel Althamer (2018) wird Heinrich Gartentor diesen Sommer das Potenzial, die Wirkung und die Umsetzbarkeit von Kunst auf dem Münsterhof ein weiteres Mal ausloten. Es ist somit das dritte Pilotprojekt dieser Ausstellungsreihe, und es behandelt die virulente Frage der veränderten klimatischen Rahmenbedingungen in urbanen Räumen. 

Ein lebendiges, sich durch Licht, Sonne und Wasser ständig weiter entwickelndes Kunstwerk aus 80 verschiedenen Pflanzen. Bild: Peter Baracchi/Stadt Zürich KiöR

Der temporäre Kunsteingriff mit dem Titel «Insel in der Stadt» wurde bereits im Winter 2017 geplant: «Damals gab es kein Anzeichen, dass dieser kleine Naturpark zu einem aktuellen Beitrag zur Klimadiskussion werden könnte», kommentiert Gartentor. Sein künstlerischer Ansatz bezieht sich vor allem auf lokale Zusammenhänge – etwa auf die Freiheitsbäume, die auf dem Münsterhof als Symbol der Revolution am Ende des 18. Jahrhunderts standen. Oder auf die in Leserbriefspalten formulierte Forderung, den Münsterhof zu begrünen.

Eine grüne Insel in der Stadt

Also macht Gartentor das, was als Kernkompetenz der Kunst gilt: Er startet ein Experiment. In einer spezialisierten Gärtnerei im Aargau hat er mehrere hundert Quadratmeter Magerwiese aufziehen lassen, um sie im August in der Zürcher Innenstadt einzupflanzen, sodass der Münsterhof zu einer zeitweiligen Allmend werde. Vom Thunersee kommen Weidenbäume, die dort zu gross geworden sind und hätten gefällt werden müssen. Das Enea Baummuseum in Rapperswil-Jona hat diese jedoch für seine Baumsammlung ausgraben lassen und stellt sie als Leihgabe dem Projekt auf dem Münsterhof zur Verfügung. In Zürich markieren die Weiden visuelle Fixpunkte auf dem Platz und spenden Schatten. Damit der Platz überquert werden kann, ohne dass man die Natur zertrampelt, errichtet der Künstler schliesslich ein System von Holzstegen.

Gartentors «Insel in der Stadt» ist nicht nur ein klimatisches, sondern auch ein soziales Experiment. Während etwas mehr als dreier Wochen funktioniert der Münsterhof nach neuen Regeln: Platzüberquerungen sind nur über die Holzstege möglich, Sitzgelegenheiten befinden sich unter den Bäumen, Freiflächen gruppieren sich am Inselrand. Mitte September geht das Projekt zu Ende, mit einer Auktion der Bestandteile der Insel. «Die Wiese soll sich in Privatgärten und Parks vermehren», sagt Gartentor, «die Freiheitsbäume an geeigneter Stelle einen neuen Standort erhalten.»

Text: Christoph Doswald
Foto: Peter Baracchi/Stadt Zürich KiöR

Zürich, Münsterhof
Vernissage: Donnerstag 22. August 2019, 18 Uhr
Auktion: Dienstag 17. September 2019, 19 Uhr

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